Bulgar-Salat auf einem runden Teller
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Herz-Kreislauferkrankungen Intervallfasten erhöht laut Studie das Sterberisiko – Experten sehen Ergebnisse aber skeptisch

21. März 2024, 11:56 Uhr

Intervallfasten gilt als das Konzept der Stunde, um gesund abzunehmen und seinem Körper einen gesunden Zucker- und Fettstoffwechsel zu bescheren. Durch den täglichen mit der Stoffwechselpause angestoßenen Reinigungsprozess soll das Lebensalter erhöht werden. Forschende kommen jetzt zu einem gegenteiligen Ergebnis. Intervallfasten soll nicht nur schaden, sondern das Sterberisiko gar um 91 Prozent erhöhen.

  • Intervallfasten soll nach einer aktuellen Studie aus Shanghai das Risiko um 91 Prozent erhöhen, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben.
  • Die Ergebnisse der Studie werden im Rahmen einer Posterpräsentation auf der Konferenz EPI|Lifestyle Scientific Sessions 2024 vorgestellt. Die Daten basieren auf Essgewohnheiten von 20.000 US-AmerikanerInnen
  • Experten kritisieren, dass es sich hierbei nicht um kausale Zusammenhänge handelt und entscheidende Einflussfaktoren nicht berichtet werden

Personen, die intervallfasten, sollen ein 91 Prozent höheres Risiko haben, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben. Dieses fast unglaubliche Ergebnis stellen Forschende der Shanghai Jiao Tong University School of Medicine in Chicago auf der Konferenz der Amerikanischen Herzgesellschaft vor.

Die Forschenden untersuchten für die Studie den Angaben zufolge die Essgewohnheiten von über 20.000 US-Amerikanerinnen und -Amerikanern. Dabei verwendeten sie Daten von über 20-Jährigen, die zwischen 2003 und 2018 an der Befragung der nationalen Ernährungserhebung NHANES teilnahmen. Durchschnittlich wurden die Teilnehmenden acht Jahre lang beobachtet und mit den Daten des National Death Index abgeglichen.

Laut Studie: Mit Intervallfasten eklatant höheres Risiko

Die Ergebnisse der Untersuchung sind konträr zu bislang veröffentlichten Studien. Sie zeigen: Personen, die täglich innerhalb eines Zeitfensters von acht Stunden oder weniger essen, haben ein 91 Prozent gesteigertes Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben. Das gilt leicht abgeschwächt auch für Menschen, bei denen bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen und auch Krebs diagnostiziert wurde. Für Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die lediglich in einem Zeitraum von zehn Stunden am Tag essen, liegt der Studie zufolge das Risiko zu sterben um 66 Prozent höher.

Bei Krebs: Risiko sinkt, je mehr das Essen auf den Tag verteilt wird

Besonders bei Krebspatientinnen und Krebspatienten belegen die Ergebnisse eher das Gegenteil vom bisher Angenommenen. Verteilen Krebspatienten ihre Nahrungsaufnahme auf mehr als 16 Stunden am Tag, sinkt der Studie zufolge sogar das Risiko, an Krebs zu sterben. "Die Ergebnisse unserer Erhebung sprechen nicht für eine langfristige Anwendung des 16:8- Intervallfastens zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und damit verbundener Todesfälle", schreiben die Forscher.

Komplette Studie wird erst noch veröffentlicht

Die Ergebnisse der Studie sind vorab auf der Konferenz der Amerikanischen Herzgesellschaft vorgestellt worden. Die komplette Studie befindet sich noch im Peer-Review-Begutachtungsverfahren und soll demnächst veröffentlicht werden. Daher stehen noch nicht alle Informationen zur Untersuchung umfassend zur Verfügung. Vorangegangene Studien deuten darauf hin, dass Intervallfasten bei der Gewichtsabnahme helfen kann und auch andere positive Gesundheitsfolgen nach sich zieht, weshalb es in den vergangenen Jahren zu einer beliebten Form der Diät wurde. Nach Einschätzungen von Experten hat Intervallfasten je nach Zeitfenster und Art der Nahrung sehr unterschiedliche Auswirkungen, deshalb sei es schwer, allgemeine und langfristige Konsequenzen vorherzusagen.

Michalsen: Andere Gründe, Mahlzeiten wegzulassen

Viele Wissenschaftler bezweifeln den Aussagewert der Studie: "Ich schätze epidemiologische Studien in diesem Kontext als absolut unzuverlässig ein. Ihr Aussagewert bezüglich TRE (time-restricted eating, Intervallfasten Anm. d. Red.), ist äußerst gering. Die Daten werden nur im Überblick berichtet. Am meisten irritiert, dass eine Beobachtungsdauer von acht bis elf Jahren vorliegt. TRE ist allerdings erst seit etwa drei bis fünf Jahren eine häufigere Praxis. Es muss also davon ausgegangen werden, dass andere Gründe vorlagen, Mahlzeiten wegzulassen", erklärte Professor Andreas Michalsen, Chefarzt für innere Medizin am Immanuel Krankenhaus Berlin. Eine Fallzahl von 31 kardiovaskulären Todesfällen sei nicht geeignet, um Werte von 91 Prozent abzuleiten. Zudem gebe es keine Grundlagenstudien, die auf diesen Effekt hinweisen. "Epidemiologische Studien mit geringer Evidenzklasse sind für mich hier nicht relevant."

Es muss also davon ausgegangen werden, dass andere Gründe vorlagen, Mahlzeiten wegzulassen.

Professor Andreas Michalsen Chefarzt für innere Medizin am Imanuel Krankenhaus Berlin

Das Bild zeigt einen älteren, schlanken Mann in weißem Arztkittel auf einer Veranda im Grünen. Es handelt sich dabei um dem Professor für klinische Naturheilkunde an der Charité, Andreas Michalsen
Andreas Michalsen: 31 kardiovaskuläre Todesfällen sind nicht geeignet, um Werte von 91 Prozent abzuleiten. Bildrechte: MDR

Führt Verzicht auf Frühstück zu Völlerei am Abend?

Laut Michalsen könnte der Verzicht auf Mahlzeiten auch mit Zeitmangel und anderen Stressoren zu tun haben. Es sei zudem wichtig wissen, ob das Frühstück oder das Abendessen weggelassen wurde. "Das Auslassen des Frühstücks kann bei kardiometabolischen Erkrankungen zu 'Völlerei‘ am Abend führen, was ungünstig ist“, erklärte Michalsen.

Intervallfasten bei Datenerfassung nicht abgefragt

Tillmann Kühn, Professor für öffentliche Gesundheit und Ernährung an der Universität Wien, bezweifelt ebenfalls den Aussagewert der Untersuchung. In der Studie sei das Intervallfasten nicht dezidiert untersucht wurden. Der Verzicht auf Mahlzeiten könnte auch auf bestehende Krankheiten hinweisen. "Die NHANES-Daten, welche die AutorenInnen genutzt haben, sind prinzipiell sehr gut – es gibt dort nur leider keine Erfassung des Intervallfastens. Die reinen Zeitangaben für die Nahrungszufuhr an einzelnen Tagen sind dafür nur sehr eingeschränkt geeignet", erklärte Kühn. Es sei nicht geklärt, ob es sich um einen Kausalzusammenhang oder eine reine Korrelation handelt. "Da bewusstes, absichtliches Intervallfasten in der Studie nicht untersucht wurde, könne kein Rückschluss auf dessen Effekte unter verschiedenen Personengruppen gezogen werden. Gute Langzeitstudien zum Intervallfasten fehlten komplett. Somit seien weder Vor- noch Nachteile hinreichend belegt.

Führt die Erkrankung selbst zum Verzicht auf Mahlzeiten?

Ähnlich wie Michalsen hält es auch Kühn für möglich, dass der Grund für die fehlenden Mahlzeiten die Erkrankungen selbst sein könnten. "Es ist denkbar, dass schwerer an Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen leidende Personen in der Studie ihre Ernährung aufgrund der Erkrankungen eingeschränkt hatten. Dann würde die Erkrankung selbst das Mortalitätsrisiko erklären; erklärte Kühn.

Liegt es an dem hohen Raucheranteil?

Stefan Kabisch von der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin an der Charité Universitätsmedizin Berlin sieht noch einen weiteren Zusammenhang. Der Raucheranteil sei bei den Menschen, die weniger Mahlzeiten einnehmen, am höchsten. Die erhöhte Sterblichkeit könnte auch mit geringem sozioökonomischem Status und anderen statistisch damit verknüpften Faktoren zusammenhängen, wie Rauchen, Alkoholkonsum oder Bewegungsmangel. "Tatsächlich ursächliche Faktoren für die Sterblichkeit können bereits vorgelegen haben, bevor die Studienteilnehmer überhaupt mit Intervallfasten begonnen haben. Adipositas, Typ-2-Diabetes und erhöhte Blutfette motivieren viele Menschen oft dazu, Intervallfasten zu starten", erklärte Kabisch. In der vorliegenden Studie sei das auch so: "Die Intervallfastengruppe hat den höchsten BMI und den höchsten Raucheranteil. Auch die ethnische Verteilung spielt eine Rolle, denn in den USA – wo die NHANES-Kohorte erhoben wurde – tragen Afroamerikaner vor allem aus sozialen Gründen mit das größte gesundheitliche Risiko.“

National Health and Nutrition Examination Surveys (NHANES) Die Ziele der NHANES bestehen darin, den Gesundheitsstatus und Ernährungszustand von Erwachsenen und Kindern in den USA zu erheben und Änderungen über die Zeit hinweg zu dokumentieren. Dies wird durch eine Kombination aus Patientengespräch und körperlicher Untersuchung erreicht. Das Gespräch beinhaltet demographische, sozioökonomische, dietäre und gesundheitsbezogene Fragen. Bei der Untersuchung wird auf medizinische, zahnärztliche und physiologische Aspekte Wert gelegt und sie inkludiert ebenfalls Laboruntersuchungen durch medizinisches Personal. Quelle: Wikipedia

(smc/tomi)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 14. Februar 0024 | 10:06 Uhr

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