streitende Hyänen
Machtkampf bei den Hyänen. Wer hat das Sagen? Bildrechte: IMAGO / robertharding

Geschlechterkampf im Tierreich Mit diesen "Waffen" ringen Männchen und Weibchen um die Macht

21. Mai 2022, 05:00 Uhr

Gleichberechtigung ist für Paviane, Hyänen, Elefanten und Co. kein Thema. Hier muss jeder um seine Position kämpfen und am Ende geht es immer um Sex, um Eroberung oder Verweigerung. Die Männchen punkten durch ihre physische Dominanz, ihre körperliche Überlegenheit. Die Weibchen hingegen bedienen sich verschiedenster Mittel und greifen dafür zum Teil auch tief in die Trickkiste. Wer am Ende das Sagen hat, wird immer wieder neu ausgelotet, davon sind Wissenschaftler aus Frankreich überzeugt.

Es ist an der Zeit, auch im Tierreich mit tradierten Rollenbildern aufzuräumen. Dieser Ansicht sind Evolutionsbiologin Elise Huchard und ihre Kollegen vom Institut für Evolutionswissenschaften in Montpellier/Frankreich. Die bisherigen Beobachtungen zum männlichen und weiblichen Dominanzverhalten bei Säugetieren seien beeinflusst von Stereotypen, die die Forscher in sich trügen und unbewusst auf die von ihnen beobachteten Tiere übertragen würden, so Huchard. Ob ein Clan oder eine Herde im Patriarchat oder im Matriarchat lebt, sei keine feste Eigenschaft einer Art, sondern hänge von vielen Faktoren ab und Veränderungen seien durchaus möglich, so ihre These. Um all das genauer erforschen zu können, haben die Wissenschaftler bisherige Erkenntnisse zusammengetragen und ein System entwickelt, mit dem sie das Machtverhalten zwischen den Geschlechtern künftig bewerten wollen.

Am Ende geht es immer um Sex

Wer die Kontrolle darüber hat, mit wem er Sex hat und Nachkommen zeugt, hat am Ende auch die Macht, so die These der Evolutionsbiologen. Die Trickkiste der einzelnen Arten und Geschlechter dafür ist groß: Bei den Pavianen obliegt es den Männchen, wer sich welchem Weibchen nähern darf. Sie leben also in einem Patriarchat, das sie jedoch je nach Unterart unterschiedlich ausleben. Hamadryas-Pavianmänner (Papio hamadryas) zum Beispiel sind nicht zimperlich, wenn es darum geht, ihre Gene möglichst großzügig weiterzugeben. Sie pflegen einen Harem, der nur Ihnen exklusiv gehört. Begehren die Weibchen auf, werden sie gewaltsam von vertrauten Artgenossinnen getrennt, damit sie keine Unterstützung mehr bekommen. Übernimmt ein Pavianmann einen fremden Harem, tötet er alle Jungtiere, um das Erbgut seiner Konkurrenten auszuschalten und die Weibchen schnell wieder gefügig zu machen.

Pavian ist nicht gleich Pavian

Guinea-Pavianmänner sind anders. Sie brauchen kein Imponiergehabe, sie gehen nicht rabiat auf Konkurrenten los. Im Gegenteil: Sie pflegen Männerfreundschaften, wie Verhaltensbiologen des Deutschen Primatenzentrums Göttingen (DPZ) in einer Studie nachweisen konnten. Man(n) pflegt sich gegenseitig das Fell, auch Grußrituale konnten die Forscher beobachten. Den Weibchen gegenüber sind sie ebenfalls "freundlicher" und weniger aggressiv, wenn es um ihren Paarungswillen geht. Sie haben keinen Harem, sondern bleiben ein bis zwei Weibchen treu – sowohl sexuell als auch sozial. Den Nachwuchs anderer tolerieren Guinea-Paviane offenbar, Kindstötungen wurden nicht beobachtet. Es gibt auch Paviane, zumindest nahe Verwandte, die sogar in einem Matriarchat leben: Bei den Blutbrustpavianen führen die Weibchen die Gruppe an und sie wählen auch selbst ihre Männchen aus. Unerwünschte Freier werden einfach vertrieben.

Mit Stärke, List und Tücke

Das offensichtlichste Machtmittel der Säugetiermännchen ist die körperliche Überlegenheit. Hamadryas-Pavian- und See-Elefantenmänner (Mirounga angustirostris) sind doppelt so groß und viermal so schwer wie die Weibchen. So aufgestellt, ist es ihnen ein leichtes, Konkurrenten einzuschüchtern und zu vertreiben, Sex zu erzwingen oder fremden Nachwuchs zu töten. Wenn es schwierig wird, hilft es manchmal auch, sich zusammenzurotten. Auf diese Weise halten zum Beispiel Tümmler (Tursiops aduncus) gemeinsam ihre Weibchen in Schach, was ihnen allein im Wasser nicht gelingen würde. Bei den Arten, bei denen Größe und Stärke allein nicht ausreichen, muss eine List her: Einige Nagetiermännchen legen im Fortpflanzungstrakt ihrer Partnerin einen Kopulationspfropfen ab, um anderen im wahrsten Sinne des Wortes den Zugang zu verwehren. Auch das Spiel mit der Angst scheint ein probates Mittel: So täuschen Huftiere mitunter die Anwesenheit eines Raubtiers vor, um das Weibchen davon abzuhalten, das geschützte Territorium zu verlassen.

Die Damen im Tierreich setzen auf dem Weg zur Macht auf soziale Verbindungen und auf die Kontrolle darüber, wer sich mit Ihnen fortpflanzen darf. Entweder entziehen sie sich dem potentiellen Interessenten und verweigern sich, oder sie lassen sich mit mehreren Partnern ein, so dass am Ende keiner mehr weiß, wer wessen Nachwuchs ist.

Hyänenweibchen – per se die Furien im Tierreich?

Tüpfelhyänen werden oft als Paradebeispiel für eine aggressive Form des Matriarchats ins Feld geführt. Das stärkste Männchen rangiert im Hinblick auf seinen Status in der Gemeinschaft immer noch hinter dem schwächsten Weibchen. Körperlich sind Hyänendamen ihren männlichen Artgenossen überlegen: sie sind größer und kräftiger, aber das allein macht sie nicht überlegen. Überhaupt ist das Matriarchat auch nicht immer gleich stark ausgeprägt wie eine Studie des Ngorngoro-Hyänenprojektes in Zusammenarbeit mit dem Institut für Evolutionswissenschaften in Montpellier zeigt: Es ist vielmehr der starke soziale Zusammenhalt, der bestimmt, wer im Clan das Sagen hat. Da die Weibchen meist zusammenbleiben und die Männchen aus dem Rudel vertrieben und durch neue "ersetzt" werden, sind die Männchen diesbezügliche im Nachteil. Gibt es jedoch viele einheimische Männchen, gewinnen sie statistisch ebenso häufig Auseinandersetzungen wie Weibchen und die Geschlechter sind gleichermaßen dominant.

Tüpfelhyäne unterwegs im Wasser
Auch Hyänenweibchen haben einen Penis, zumindest zum Schein. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Ein (Schein-)Penis zum Schutz?

Ihren Ruf als männlich-aggressive "Domina" verdankt die weibliche Hyäne auch ihrem Pseudopenis. Klitoris und Schamlippen sind so gewachsen, dass sie täuschend echt aussehen wie Penis und Hoden. Verantwortlich dafür sind maskulinisierende Sexualhormone, die in den Eierstöcken gebildet werden und dann auch auf die weibliche Embryonen wirken, so dass sie als Jungtiere viel Testosteron im Blut haben. Aber was hat sich die Natur dabei gedacht? Der Pseudopenis selbst ist in vielerlei Hinsicht eher hinderlich: Eine Geburt ist schmerzhaft und gefährlich für Mutter und Kind. Aber er erschwert auch den Zugang für den männlichen "echten" Penis. Damit hat das Weibchen die vollständige Kontrolle darüber, mit wem sie sich paaren will und mit wem nicht. Ob das der Grund für die Ausbildung eines Scheinpenis ist oder ob er ein "Beiprodukt" der Androgenisierung bei Tüpfelhyänen ist, bleibt umstritten. Sicher ist jedoch, dass er für das Begrüßungszeremoniell der Weibchen eine wichtige Rolle spielt. Das niederrangige Clanmitglied beginnt, das höherrangige am erigierten Pseudopenis zu beschnuppern. Damit zeigt es offenbar seine Unterwürfigkeit und vermeidet aggressive Auseinandersetzungen. Wer im Zoo dieses kleine Wunder bestaunen will, muss das Glück haben, solch einen Moment der Begegnung zu erwischen. Denn selbst für geübte Augen sind Penis und Scheinpenis bei Tüpfelhyänen kaum zu unterscheiden. Um wirklich sicher zu sein, bestimmen Wildtierforscher das Geschlecht der Tiere meist per Blutuntersuchung.

Intersexueller Machtkampf hat viele Gesichter

Zu diesem Ergebnis kommen die Evolutionsforscherin Elise Huchard und ihr Team. Dabei spielen offenbar nicht nur die Spezies und Geschlecht eine Rolle. Jüngere Studien lassen darauf schließen, dass auch die Bedingungen, unter denen die beobachteten Tiere leben, Einfluss auf die Machtverhältnisse haben. Wie groß ist ihre Territorium? Wie groß ist die Gemeinschaft? Wie viele Männchen, wie viele Weibchen leben in ihr und gibt es genügend Nahrung für alle? Und was bedeutete das für das Miteinander? Diesen Fragen wollen die Wissenschaftler in Montpellier künftig widmen – ohne traditionelle Stereotype im Kopf.

krm

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