Musterväter im Tierreich Schneeregenpfeifermännchen ziehen Junge auf
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14. März 2021, 05:00 Uhr
In der Tierwelt kümmert sich meist die Mutter um den Nachwuchs, der Vater sucht das Weite. Doch es gibt eine Vogelart, da ist es genau umgekehrt: Bei den Schneeregenpfeifern verlässt die Mutter die Familie und der Vater zieht die Küken allein groß. Warum tauschen die Eltern die Rollen? Und welche Tierarten haben außerdem noch Musterväter vorzuweisen? Angela Fischer hat nachgefragt.
Weder mangelnde Mutterliebe noch die wohlmeinende Entlastung des Weibchens sind Gründe für die außergewöhnliche Rollenverteilung bei diesen Vogeleltern. Clemens Küpper vom Max-Planck-Institut für Ornithologie hat sieben Jahre lang Schneeregenpfeiferfamilien (Charadrius nivosus) beobachtet und herausgefunden, warum die Küken ihre Mütter nicht unbedingt brauchen: Sie sind schon recht selbstständig und finden selbst ihre Nahrung. Die Eltern werden vor allem dazu benötigt, sie zu wärmen oder sie vor Raubtieren zu warnen. Das kann der Vater genauso gut wie die Mutter. Er verlässt die Küken so gut wie nie. Nur ein einziges Mal in all den Jahren seiner Forschung haben Küpper und sein Team das beobachtet.
Bruterfolg vor Mutterliebe
Es gibt verschiedene Gründe, warum die Schneeregenpfeifermutter ihre Familie verlässt: Entweder die Aufzucht läuft so reibungslos, dass der Vater auch allein gut klar kommt. Oder es läuft so schlecht, dass die Küken keine Überlebenschance haben, selbst wenn die Mutter bliebe. Die größte Gefahr für den Nachwuchs dieser Art ist, zu verhungern oder zu verdursten. Schneeregenpfeifer brüten an brackigen Binnenseen und in der Gezeitenzone, oft sitzen sie daher wortwörtlich auf dem Trockenen.
Wenn klar ist, dass die Küken sowieso sterben, verlässt die Mutter die Brut, paart sich neu und fängt noch mal von vorn an.
Warum die Männchen im Nest hocken bleiben
Doch warum ist es nicht umgekehrt? Schließlich könnte ja auch das Männchen nochmal losziehen und sich mit einem anderen Weibchen paaren. Aber genau da liegt der Haken. Das würde vermutlich gar nicht funktionieren, denn: Bei den Schneeregenpfeifern gibt es einen Männchen-Überschuss. Obwohl eben so viele männliche wie weibliche Küken schlüpfen, überleben die kleinen Hähne die unwirtlichen Lebensumstände eher. Ein Weibchen wird also in jedem Falle wieder einen Partner zur Paarung finden, ein Hahn hingegen würde wahrscheinlich leer ausgehen. Deshalb harrt er stattdessen bei den Jungen aus, denn sie sind wahrscheinlich seine einzige Chance, in dieser Saison seine Gene weiterzugeben.
Er denkt: Okay, ich habe jetzt ein paar Küken und vielleicht überleben von denen noch ein paar. Dann habe ich wenigstens noch einen Erfolg, einen Fortpflanzungserfolg, einen Bruterfolg für mich.
Die Schneeregenvogeleltern tauschen die Rollen also im Dienste der Art-Erhaltung. Das hört sich einfach und plausibel an, doch das im Detail zu erforschen, hat viel Zeit und Geduld gekostet. Seit 2006 beobachten Clemens Küpper und sein Team die Vögel in Mexiko, teilweise unter extremen Bedingungen. Zehn bis zwölf Stunden täglich harren die Wissenschaftler dafür bei 40 Grad aus. Aber die Einsichten in das Familienleben der Schneeregenpfeifer und die gewonnenen Erkenntnisse seien es wert, so Küpper. Als nächstes wollen Clemens Küpper und sein Team untersuchen, welche Auswirkungen das Paarungsverhalten der Schneeregenpfeifer auf die genetische Vielfalt hat.
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