Technik gegen Klimakrise Oberleitungen für Lkw: Ein klimafreundlicher Güterverkehr ist möglich
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03. Oktober 2022, 10:00 Uhr
Bislang gibt es nur kurze Teststrecken, doch bald könnten Oberleitungen für Lkw auf den meisten Autobahnen normal sein. Die lang erprobte und bekannte Technologie wäre eine nahtlose Ergänzung für Batterieantriebe.
Eine Wirtschaft ohne Lkw scheint kaum denkbar: Lastkraftwagen wickeln heute drei Viertel des Güterverkehrs in Deutschland ab. Und fast alle dieser Fahrzeuge sind Verbrenner. Von den rund 3,55 Millionen zugelassenen Lkw fahren 3,3 Millionen mit Diesel, etwas über 150.000 mit Benzin, und weitere 35.000 mit Erd- oder Flüssiggas. Nur etwa 45.000 dieser Fahrzeuge haben einen Elektro- oder Elektro-Hybrid-Motor. Könnte es vielleicht trotzdem vergleichsweise einfach sein, diese Verkehre klimafreundlich zu machen? Und zwar ohne sie auf die Schiene zu verlagern, wie das von vielen Umweltschützern ebenso lange gefordert wird, wie es die Wirtschaft vehement ablehnt? Einige paar Experten glauben: Ja!
Zwei Drittel des Lkw-Verkehrs in Deutschland konzentriert auf einem Drittel der Autobahnen
Dass Speditionen vor allem auf Lkw setzen, hat einfache und nachvollziehbare Gründe: Praktisch alle möglichen Ziele sind an das Straßennetz angeschlossen. Lkw können beinahe jede Art von Fracht flexibel abholen und in relativ kurzer Zeit an nahezu jeden anderen Ort in Europa bringen.
Allerdings: Die wenigsten dieser Ziele sind entlegen, im Gegenteil. Die meisten Gewerbegebiete befinden sich an oder in der Nähe von Autobahnen. Zwei Drittel des Lkw-Verkehrs in Deutschland konzentriert sich auf nur ein Drittel der Autobahnen. Würde man diese Autobahnen mit Oberleitungen und die Lkw mit Stromabnehmern ausstatten, sie könnten wie Züge rein elektrisch fahren, während der Fahrt ihre Batterien aufladen und dann damit auch den Rest der Strecke CO2-frei zurücklegen.
4.000 Kilometer Oberleitungen für Autobahnen: Eine überschaubare Herausforderung
4.000 Kilometer Oberleitung auf deutschen Autobahnen würden ausreichen, damit zwei Drittel der Lkw in Deutschland komplett elektrisch fahren könnten. Das zeigt eine gemeinsame Studie des Öko-Instituts mit der Hochschule Heilbronn und dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation aus dem Februar 2020. Aber auch viele andere Studien, darunter solche von wirtschaftsnahen Vereinigungen wie dem Verband der deutschen Industrie (VDI) kommen zu dem Ergebnis, dass Oberleitungen für Lkw viele Vorteile gegenüber anderen Strategien hätten.
"Technologisch ist der Aufbau eines solchen Oberleitungsnetzes eine Herausforderung, die überschaubar ist", sagt Katharina Göckeler, leitende Forscherin im Bereich Ressourcen und Mobilität beim Öko-Institut. "Es gibt Firmen, die das bereits für das Schienennetz machen, die können das mit etwas Anpassung auch für die Straßen machen."
Immer mehr EU Länder sehen Oberleitungen für Autobahnen als echte Möglichkeit
Doch es gilt, die Oberleitung vom etwas staubigen Image der Eisenbahn zu befreien. Außerdem könnte der Aufbau eines ausreichend großen Netzes von 4.000 Kilometern praktisch nur durch den Staat bewältigt werden. Der könnte seine Investition wahrscheinlich erst in einigen Jahren über Gebühren refinanzieren. Denn das Netz müsste schnell ausgebaut werden, während die Lkw-Flotten erst nach und nach erneuert würden, schätzt Göckeler.
"Natürlich wäre auch gleich eine europäische Lösung sinnvoll. Da stellen wir fest, dass es immer mehr positive Signale von anderen Mitgliedsstaaten gibt", sagt sie mit Blick auf den Vorreiter Schweden, aber auch auf Länder wie die Niederlande, Italien und Dänemark, die Studien beauftragt haben, deren Fazit im Großen und Ganzen lautet: Eine solche Infrastruktur könnte den Verkehr tatsächlich wesentlich klimafreundlicher machen.
Oberleitung oder bodennahes System? Frankreich will Fahrdrähte auch für Autos
Allerdings wird jetzt über die technischen Standards verhandelt. "Frankreich hat eine Studie vorgelegt, wo die Stromversorgung nicht über eine Oberleitung, sondern über ein bodengebundenes System passieren soll. So könnte man auch gleich Autos und Kleintransporter mit Strom versorgen", sagt Göckeler. Mit diesem Vorschlag seien allerdings gleich mehrere Probleme verbunden.
Zunächst habe das Land noch keine Teststrecken auf Autobahnen für sein System, zudem wäre eine Elektrifizierung des Autoverkehrs durch Fahrdrähte wesentlich schwieriger. Denn die Autos verteilen sich auf wesentlich mehr Straßen. Ein Netz müsste also zugleich deutlich größer werden, um wirklich attraktiv zu sein. "Es gibt auch Konzepte, die Stromversorgung über Induktionsspulen in der Fahrbahn zu machen, aber das ist technologisch noch nicht ausgereift. Aktuell reicht die Übertragung da nicht aus, um einen Lkw in der Fahrt mit ausreichend Strom zu versorgen."
Oberleitungen und Autonomes Fahren: Der Lkw im 24-Stunden Dauereinsatz
Andere Kombinationen mit neuen Technologien erscheinen vielversprechender, etwa Autopiloten für Lkw. Wenn die Laster an Oberleitungen gebunden sind, könnten sie auch weitgehend autonom fahren. Dann bräuchten die Fahrer weniger bis gar keine Pausen mehr und der Traum manch eines Spediteurs, sein Fahrzeug 24 Stunden im Einsatz zu haben, könnte wahr werden. Auch eine Verbindung mit Platooning erscheint möglich, bei dem mehrerer Lkw mit Hilfe autonomer Steuerungen zu dicht fahrenden Kolonnen zusammengefasst werden, um Vorteile bei der Reduktion des Luftwiderstands zu erreichen.
Bis wann eine solche Elektrifizierung Realität ist, sei laut Katharina Göckeler vor allem eine politische Frage. Von der EU gebe es erste Hinweise auf anlaufende Standardisierungsprozesse, einen ersten Schritt in Richtung einer europäischen Lösung. Aber: "Deutschland hat sich bislang noch nicht abschließend festgelegt, welche alternative Technologie für den Schwerlastverkehr vollständig aufgebaut werden soll."
Wasserstoff: Tankstellennetz wäre technologisch extrem anspruchsvoll
Die Bundesrepublik verfolgt aktuelle drei technologische Pfade: Einen reinen batterieelektrischen Lkw-Verkehr, den Verkehr mit Oberleitungen und den mit Brennstoffzellen und Wasserstoff. Auch Kombinationen aus mehreren dieser Technologien werden betrachtet. "Bis Mitte 2024 soll entschieden werden, ob der Batteriepfad verfolgt wird, bis 2025 soll über die Oberleitung entschieden werden, noch etwas später über Brennstoffzellen."
Vor allem, was den Wasserstoff angeht, dessen Einsatz die Bundesregierung jetzt mit weiteren 80 Millionen Euro für die Brennstoffzellen-Produktion fördert, ist Göckeler ziemlich skeptisch. "Die technischen Herausforderungen beim Wasserstoff – etwa der Produktion, seinem sicheren und sauberen Transport, der Versorgung von Tankstellen und so weiter – sind gigantisch." Doch einige der Fahrzeughersteller werben offen für die Brennstoffzelle. Göckeler vermutet, dass manche Entwickler den Wasserstoff als einfachen Ersatz von fossilen Brennstoffen sehen, mit dem das aktuelle System weitgehend beibehalten werden kann. "Man tankt einen stofflichen Energieträger und danach kann man sich mit dem Fahrzeug relativ frei bewegen. Das wäre aber nur mit enormem Aufwand zu machen, weil die Brennstoffzellen sehr reinen Wasserstoff benötigen, dieser beim Transport aber leicht verunreinigt wird."
Eine Versorgung der Lkw über Stromabnehmer hingegen wäre wesentlich einfacher, schon alleine deshalb, weil der Strom dafür nicht hin- und hergewandelt werden muss, sondern direkt als Strom verbraucht werden kann.
Links/Studien
- Hacker et.al.: StratON Bewertung und Einführungsstrategien für oberleitungsgebundene schwere Nutzfahrzeuge, Öko-Institut 2020
- Jöhrens, Helms: Roadmap für die Einführung eines Oberleitungs-Lkw-Systems in Deutschland, Ifeu, 2020
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