1925: Leipzig fährt elektrisch!
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22. April 2020, 14:51 Uhr
Der Dieselskandal in Deutschland hat das Ende des Verbrennungsmotors eingeläutet. Die Zukunft des Autos wird elektrisch. Alles auf Anfang also, denn elektrisch hatte das Automobilzeitalter vor mehr als 130 Jahren auch begonnen.
Schon 1881 bringt der Franzose M. Gustave Trouvé ein Elektroauto auf den Markt. Erst fünf Jahre später knattert der erste spritbetriebene Wagen von Karl Benz über die Straßen. Und während die Benziner noch Angst und Schrecken verbreiten, ist der leise surrende Elektrowagen längst serienreif.
Ein kurzer Boom
Einige Jahre boomt das Geschäft mit elektrisch angetriebenen Automobilen. Allein in Deutschland produzieren rund 30 Firmen Elektroautos. Doch Wagen mit Verbrennungsmotoren machen das Rennen. Schon damals, meint Historiker Ulf Morgenstern, hätten die Leute so getickt wie wir heute. Dieser eine Vorteil, fahren zu können, wann man will, habe die Menschen offenbar seinerzeit schon dazu bewogen, dem Verbrennungsmotor den Vorrang zu geben. Und auch die damals sehr bescheidene Geschwindigkeit der Elektromobile erweist sich ziemlich schnell als handfester Nachteil.
Leipzig fährt elektrisch
Im Stadtverkehr kann sich der Stromwagen allerdings noch eine ganze Weile behaupten. In Leipzig bringt die Firma Bleichert, ein Hersteller von Seilbahnen von Weltrang, Anfang der 1920er Jahre ihr erstes Elektromobil auf die Straße: die Bleichert-Eidechse. Der kleine, wendige Transporter wird in engen Werkshallen eingesetzt und transportiert Gepäck auf dem Leipziger Hauptbahnhof.
Bleichert-Stromwagen erobern Deutschlands Innenstädte
Der Erfolg ihrer Eidechse lässt die Leipziger Firma den nächsten Schritt wagen. Sie entwickelt Lastkraftwagen für den Lieferdienst im Stadtverkehr. Seit 1925 fahren Bleichert-Stromwagen in ganz Deutschland. Tagsüber bringen sie Brot in die Läden, liefern Getränke oder holen den Müll von den Straßen ab. Nachts tanken die Akkus der Lastwagen an betriebseigenen Ladestationen preiswerten Nachtstrom.
Staatlich gefördert
Da der Strom damals billiger ist als Benzin und Diesel, ist der Betrieb der Bleichertfahrzeuge ausgesprochen preiswert. Und schon damals fördert der Staat elektrisch betriebene Autos. 1930 zahlen Stromwagenfahrer weniger Steuern für ihre Fahrzeuge. Auch die Versicherungsbeiträge sind niedriger.
Ein letzter Versuch
Obwohl in den 1930er Jahren längst klar ist, dass die Zukunft den schnellen Autos mit Verbrennungsmotoren gehört, entwickelt Bleichert 1935 ein schickes E-Cabrio. Ein wahres Prachtstück. Doch mit 30 km/h Spitzengeschwindigkeit und 70 Kilometern Reichweite hat der Luxuszweisitzer keine Chance gegen die Konkurrenz von Opel, Audi und Benz.
Die Eidechse zuckelt bis zum Ende der DDR
Die Firma Bleichert und mit ihr die Elektroautoproduktion überstehen den Zweiten Weltkrieg. Auch die mittlerweile schon legendäre "Bleichert-Eidechse" läuft bald wieder vom Band und feiert neue Erfolge auf der Leipziger Messe. Bis 1961 liefert der Betrieb, inzwischen VEB Schwermaschinenbau Verlade- und Transportanlagen, Stromfahrzeuge an Reichsbahn und Deutsche Post. Viele der elektrischen Lastesel halten bis zum Ende der DDR durch.
Über dieses Thema berichtet der MDR auch im: TV | 08.08.2017 | 21:15 Uhr