Diskussion an der Leopoldina So verändert der Klimawandel das Leben in Mitteldeutschland
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10. November 2020, 08:55 Uhr
In Mitteldeutschland, vor allem in Sachsen-Anhalt waren sie stark zu spüren: Die drei Dürre-Sommer in Folge. Eine der großen Fragen, die sich viele gestellt haben: Ist das schon der Klimawandel? Spüren wir in Mitteldeutschland bereits die Folgen?
Antworten darauf liefert nun die Wissenschafts-Akademie Leopoldina mit Sitz in Halle. Sie hatte gemeinsam mit Fridays for Future (Halle) zu diesem Thema vier Expertinnen und Experten eingeladen, um zu diskutieren (bei einer virtuellen Podiumsdiskussion am 06.11.2020). Sachsen-Anhalt ist schon mittendrin in der Klimakrise, ist sich die Umweltministerin des Landes, Claudia Dalbert sicher:
Wir haben alleine in diesem Jahrtausend drei Jahrhundert-Hochwasser gehabt. Dann kam der Winter 2017/2018. Das war der Sturmwinter, wenn sich vielleicht alle zurückerinnern, mit Beginn 2018 der große Sturm Friederike, der hier in Sachsen-Anhalt zu mehr Schäden geführt hat als Kyrill. Ja, und dann? Was kam dann? Dann kam der Sommer 2018: Dürre und Hitze.
Was ist Wetter, was ist Klima?
2018 war das wärmste Jahr der Wetteraufzeichnung. 2019 das zweitwärmste. 2020 ist immer noch zu warm und zu trocken. Für die Umweltministerin ist die Sache klar: Die Klimaerwärmung ist auch in Mitteldeutschland zu spüren. Ob solche Extremwetter-Ereignisse in Mitteldeutschland schon Klimawandel sind, dafür spricht vieles, aber komplett beweisen kann man das nicht, sagt der Chef-Klimawissenschaftler der Rückversicherungsgesellschaft Munich RE, Ernst Rauch:
Dass der menschgemachte Klimawandel Fakt ist, ist also nicht die Frage für die Forscher, sondern: Was ist Wetter, was ist schon Klima? Wenn es zwei bis drei Jahre hintereinander trocken ist, sei es zwar erstmal nur Wetter, sagt Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung:
Aber langfristig gesehen ist es auch Witterung und von daher ist es ein klimatischer Faktor. Ich denke, dass wir da gute Anhaltspunkte dafür haben, dass hier das Klima einen entscheidenden Faktor darstellt. Anzunehmen, dass es keine Rolle spielt, ist sicher nicht naheliegend.
Wenn es wärmer wird, gibt es auch mehr Wetterextreme
Nicht naheliegend, denn es gibt klare Fakten. Zwar unterliegen regionale Extremwetter-Ereignisse starken Schwankungen. Wenn man aber die weltweiten Daten auswertet, sehe man, dass diese überall zunehmen, weiß Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Außerdem ist es messbar wärmer geworden. Der Grund ist eindeutig der Klimawandel:
Natürlich wissen wir, dass sich die mittlere Temperatur erhöht. In Deutschland haben sich die Jahresmitteltemperaturen schon um zwei Grad erhöht. Es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass die Erwärmung auf die CO2-Emmissionen und andere Treibhausgase zurückzuführen ist und dass man die genauso bei uns misst, wie überall auf der Welt.
Und wenn es wärmer ist, gibt es mehr Wetterextreme. Die nehmen auch in Deutschland zu. Für Rahmstorf ist das keine Überraschung:
Von daher ist diese Zunahme von extremer Hitze, von extremen Regen, von der Stärke von Tropenstürmen alles vorhergesagt und hat physikalische Gründe und wir sehen das inzwischen auch in den weltweiten Messdaten.
Wer Schäden verursacht, soll dafür auch bezahlen
Es wird also wärmer und extremer. Stellt sich also die große Frage Nummer zwei: Was kann man machen? Lösungen müssen her. Und die gibt’s, zahlreich. Zunächst muss CO2 reduziert werden, befindet Stefan Rahmstorf:
Eine entscheidende Maßnahme, ohne die es meines Erachtens nicht gelingen wird, ist ein realistischer CO2-Preis, der die Folgeschäden widerspiegelt. Das ist das Verursacher-Prinzip: Wer Schäden verursacht, kann nicht erwarten, dass die Allgemeinheit die dann insgesamt trägt. Das muss eingepreist werden.
Geringverdiener hätten dann unter Umständen sogar mehr Geld übrig, hatte das Institut für Klimafolgenforschung errechnet. Es ist aber noch viel mehr nötig, mahnt Ernst Rauch.
Wenn man nur etwas einspart, kommen wir niemals an die Null-Linie. Wir brauchen tatsächlich eine radikale Transformation auf der Technologie-Ebene.
Das wird anstrengend, sagt Rauch. Der Dimensionen sei man sich noch gar nicht bewusst. Und trotzdem: Das alleine reicht noch nicht. Denn das viele CO2 in der Luft wird uns noch lange beschäftigen. Heißt: Wir müssen uns auch anpassen an die neuen Extremwetterlagen. Und das zeige Wirkung, weiß Ernst Rauch:
Wir sehen als Risikoträger die Erfolge von Anpassungsmaßnahmen. Besonders übrigens im Hochwasserbereich: Da sind die Schäden regional zum Teil deutlich zurückgegangen und man kann es eindeutig auf die Maßnahmen zurückführen.
Je mehr Arten, desto stabiler ein System
Möglich sind solche Anpassungen fast überall: In Sachsen-Anhalt versucht man gerade, klimabeständige Wälder zu pflanzen. Oberstes Gebot: Diversität, also Mischwälder. Je mehr Arten, desto stabiler ein System, erklärt Umweltforscher Josef Settele:
Diversität ist grundsätzlich immer günstig. Das heißt, ich habe mehr Puffer. Die Frage ist nur, welche Diversität ich wähle. Und da ist die Frage, ob ich dann Arten nehme, die eben einheimisch sind oder machen die es vielleicht gar nicht mehr, dann nehme ich Arten von woanders her. Das muss man dann entsprechend im Einzelfall angucken, aber Diversität als Basis von ganz vielen Gegenmaßnahmen ist sicher nicht falsch.
So viel Diversität haben wir aber auf Feldern und in Wäldern nicht mehr zu bieten. Es muss also ordentlich was passieren. Jetzt kann man den Kopf in den Sand stecken und verzweifeln. Man kann aber auch die Chancen sehen. Sachsen-Anhalts Umweltministerin Claudia Dalbert hat sich für zweites entschieden:
Wir haben zum Beispiel alleine bei den erneuerbaren Energien über 21.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Sachsen-Anhalt. Und wenn wir jetzt den Kohleausstieg betrachten: Das ist ja auch eine Riesen-Chance mit modernen Arbeitsplätzen, die klimaneutral gestaltet sind und auch Gewinne hier im Land zu machen. Für das Land und für die Volkswirtschaft kann das eine Chance sein.
Chancen und Lösungen betonen wird immer wichtiger, sind sich die Klima-Experten einig. Denn ohne die Unterstützung der Bevölkerung geht gar nichts. Deswegen ist nicht mehr nur die Naturwissenschaft gefragt. In den Räten werden daher wohl künftig auch immer häufiger Sozialwissenschaftler und Politologinnen zu finden sein.
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