Die Baltische Meerassel kann sich auch durch Bestäubung fortpflanzen.
Die Baltische Meerassel ist der Rotalge bei der Fortpflanzung behilflich. Bildrechte: Wilfried Thomas/Station Biologique de Roscoff (SRB)

Fortpflanzung unter Wasser per Bestäubung Krebstiere sind die Bienen des Meeres

30. Juli 2022, 05:00 Uhr

Eigentlich dachte man, dass sich nur Pflanzen an Land per Bestäubung fortpflanzen können. Doch die Baltische Meerassel hat nun das Gegenteil bewiesen: Sie fördert auf genau diese Art die Vermehrung von Rotalgen.

Bienen und viele andere Insekten sind am bekanntesten dafür, aber auch Kolibris, sogar Fledermäuse und Eidechsen tragen Pollen von einer männlichen zu einer weiblichen Pflanze. Alles an Land. Unter Wasser ist eine Bestäubung nicht möglich – dachte man bisher. Doch ein internationales Forschungsteam hat diese Annahme nun widerlegt. Denn tatsächlich hilft die Baltische Meerassel (Idotea balthica) bei der Bestäubung der Rotalge (Gracilaria gracilis).

Meerasseln revanchieren sich für Hilfe durch Rotalgen

Die kleinen Krebstiere nutzen dabei die dicht verzweigten, buschigen Rotalgen als Unterschlupf und ernähren sich von Mikroalgen, die auf der Oberfläche der Rotalgen wachsen. Die Forschenden konnten nun zeigen, dass im Gegenzug die Asseln das auf der Blattoberfläche der Algen wachsende Sperma mithilfe einer Substanz festkleben und mitnehmen. Sobald sie Kontakt mit einer weiblichen Alge haben, löst sich das Sperma wieder, heftet sich an die weiblichen Fortpflanzungsorgane und bestäubt so die Eier.

Für die Rotalgen ist dies sehr wichtig, da sich ihr Sperma nicht selbstständig bewegen kann. Ansonsten sind sie auf günstige Meeresströmungen und die örtliche Nähe von männlichen und weiblichen Algen angewiesen. In einem nächsten Schritt wollen die Forschenden nun herausfinden, ob auch andere Algenarten auf eine ähnliche Art bestäubt werden.

Bestäubung unter Wasser lange vor der an Land?

Dabei gestaltete sich der praktische Teil der Untersuchung als sehr kompliziert, wie Sébastien Colin vom Max-Planck-Institut für Biologie in Tübingen berichtet: "Eine der Herausforderungen bestand vor allem darin, die vielen kleinen, nur wenige Mikrometer großen Geschlechtszellen auf der ebenso mikroskopisch kleinen, aber 1000-mal größeren Körperoberfläche der Baltischen Meerassel zu lokalisieren und zu dokumentieren."

Die Erkenntnisse aus dieser Studie sind auch deshalb bedeutsam, weil man bis vor Kurzem davon ausging, dass die Befruchtung mithilfe von Tieren bei Pflanzen erst an Land und vor etwa 140 Millionen Jahren begann. Da Rotalgen rund sechs Mal so alt sind, vermuten die Forschenden, dass eine Bestäubung wie bei der Baltischen Meerassel in den Ozeanen bereits weit vor der Entstehung von pflanzlichem Leben an Land stattgefunden haben könnte.

cdi

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