NÄCHSTE GENERATION Mit ökologischen Brettspielen die Natur schützen: Gaiagames aus Könnern

14. März 2022, 15:58 Uhr

Spielend lernen, wie ein Ökosystem funktioniert oder der Klimawandel wirkt: Das Spielekollektiv Gaiagames aus Sachsen-Anhalt entwickelt seit ein paar Jahren ökologische Brett- und Kartenspiele rund um Natur und Umwelt. Auch in der Herstellung der Spiele setzen sie auf Nachhaltigkeit.

Alles darüber im Video erfahren:

Menschen sitzen im Garten um einen Spieltisch 8 min
Bildrechte: MDR/Jörn Rohrberg
8 min

Fr 18.06.2021 12:06Uhr 07:39 min

https://www.mdr.de/kultur/video-gaiagames-naechste-generation-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Über das Format NÄCHSTE GENERATION:

In unserem Format MDR KULTUR – NÄCHSTE GENERATION stellen wir junge Künstlerinnen und Künstler vor, die unsere Gesellschaft kritisch in den Blick nehmen, Debatten anregen und gleichzeitig Ideen für die Zukunft entwerfen wollen. Jeden zweiten Montag, stellen wir diese Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vor – die Themen reichen von der Frage, ob es okay ist, das Elternsein zu bereuen, ob die 40-Stunden-Woche noch angemessen ist, bishin zu Klimaschutzfragen oder Patriotismuskritik.

Ein kleines Biotop mitten in Könnern in Sachsen-Anhalt – fast unwirklich viele Vögel zwitschern hier durcheinander. Was aussieht wie ein kleiner Wald, ist der Garten eines Hausprojekts der globalisierungskritischen NGO attac. Hier entwickeln Micha Reimer und Kevin Luhn vom Spielekollektiv Gaiagames ökologische Brettspiele – nicht nur was das Material betrifft, sondern auch auf ihren Inhalt bezogen.

In ihrem ersten Spiel "Ecogon" beispielsweise geht es darum, gemeinsam ein funktionierendes Ökosystem zwischen Wald, Wiese und Gewässer zu erschaffen. Im Kartenspiel "Fish 'n' Flips" dreht sich alles rund um Meeresschutz. Aber auch Themen wie Klimawandel oder Wildbienen könnten demnächst bei Gaiagames zu Spielen werden – ihre "Herzensthemen" nennt Micha Reimer sie. Kevin Luhn erzählt, es solle dabei zwar darum gehen, die Menschen aufzuklären und vielleicht sogar motivieren, etwas zu verändern. An erster Stelle stehe aber immer der Spaß am Spiel.

Ich glaube, da sind Spiele ein richtig cooles Medium, weil die Offenheit da ist. Es ist nie so krass mit dem Zeigefinger. Der Spaß steht im Vordergrund und die Message schwingt mit.

Kevin Luhn, Spieleentwickler

Brettspiel Ecogon
Komplexe Inhalte wie das Funktionieren eines Ökosystems soll man bei Gaiagames ganz unbemerkt lernen, wie hier im Spiel "Ecogon". Bildrechte: MDR/Hanna Romanowsky

Spielend Natur kennenlernen

Wer die Spiele von Gaiagames spielt, kann gar nicht anders, als jede Menge über Artenvielfalt, Umweltschutz und das Funktionieren unserer Natur zu lernen. Komplexe Informationen, wie das Funktionieren eines Ökosystems schafft das Team von Gaiagames, spielend einfach zu vermitteln. Viel besser, als es ein Vortrag jemals könnte. Das Geheimnis, warum das so gut funktioniert, sind die Emotionen, die wir beim Spielen empfinden, erklärt Micha Reimer.

Wissen haben wir mittlerweile so viel. Was es benötigt, ist Emotion zu dem Wissen. Wenn du bei einem Spiel richtig Emotionen reinbutterst und dann gescheitert bist oder gewonnen hast, das brennt sich ins Gehirn ein.

Micha Reimer, Spieleentwickler

Das Team von Gaiagames ist mittlerweile zu viert. Für ihr aktuelles Projekt haben sie sich außerdem mit dem DJ und Ornithologen Dominik Eulberg zusammengetan: Es soll ein Spiel über die heimische Vogelwelt werden. In kleinen Minigames lernen die Spielenden mehr über verschiedene Eigenschaften der Vögel, wie Aussehen, Gesang, Ernährung oder Lebensraum.

Gaiagames Brettspielkollektiv aus Könnern
Micha Reimer und Kevin Luhn im Garten der attac Villa in Könnern auf der Suche nach Vögeln. Bildrechte: MDR/Hanna Romanowsky

Von der Idee zum fertigen Brettspiel

Am Anfang eines neuen Spiels steht bei Gaiagames zuerst das Thema, also beispielsweise Bienen oder Vögel. Davon ausgehend wird gebrainstormt, welche Spielmechanismen zu diesem Thema passen. Würde zuerst die Spielmechanik stehen, könnte das Thema aufgesetzt wirken, erklärt Micha Reimer. Indem das Spielthema zuerst gewählt wird, passt alles besser zusammen: "Uns ist wichtig, dass das Ganze irgendwie rund ist und Thema, Layout und Spielmechanismen alle ineinander greifen, dass es sich nach einem runden Gesamtpaket anfühlt."

Sind die Ideen gesammelt, wird ein Prototyp gebaut, mit dem man immer wieder spieltesten kann. "Je komplexer das Spiel wird, desto unberechenbarer wird es, zu simulieren, wie sich alles wirklich miteinander verhält", erklärt Micha Reimer und betont damit die Wichtigkeit eines Prototyps und das tatsächliche Ausprobieren am Spiel. "Nach jedem Spieltesten muss man gucken, was ist gut gelaufen, was nicht und dann wieder etwas am Prototypen ändern und dann wieder spieltesten." Möglichst viele verschiedene Zielgruppen sollten das Spiel immer wieder testen. Nur so findet man alle Baustellen und schließlich den besten Spielmechanismus.

Gaiagames Brettspielkollektiv aus Könnern
Wenn die Idee und Prototyp stehen, geht die Arbeit erst richtig los: Immer wieder wird das Spiel getestet und weiterentwickelt, wie hier zum Beispiel zusammen mit Gaiagames-Mitglied Nils und Micha Reimers Familie. Bildrechte: MDR/Hanna Romanowsky

Ökologisch und gemeinschaftlich: Das macht die Spiele so besonders

Normalerweise heißt es bei Spielen: Wer sich am besten schlägt, gewinnt. Bei den Spielen von Gaiagames ist das anders. Die Spiele sind kooperativ gestaltet, man spielt also zusammen gegen das Spiel und hat ein gemeinsames Ziel.

Natürlich sind schon die naturbezogenen Themen, mit denen sich die Gaiagames-Spiele auseinandersetzen etwas Besonderes. Aber auch in der Herstellung der Spiele legt das Team Wert auf ökologische Kriterien: Ihre Spiele sind plastikfrei, und CO2-neutral auf zertifiziertem Papier und mit umweltfreundlichen Farben gedruckt.

Gaiagames Brettspielkollektiv aus Könnern
Wie naturnah die Spielmaterialien sind, sieht man an diesen Bohnen: Mit ihnen werden bei "Ecogon" die Punkte gezählt. Abzählen und Verpacken übernehmen die Mitglieder von Gaiagames selbst vor Ort in Könnern. Bildrechte: MDR/Hanna Romanowsky

Das ganze Spiel kann man am Ende, wenn man nicht mehr spielen möchte, lieber weiterverschenken – aber wenn nicht, auf den Komposthaufen legen.

Micha Reimer, Spieleentwickler

Außerdem holen die Spieleentwickler so viele Herstellungsschritte wie möglich nach Könnern. Micha gestaltet beispielsweise einige Spielkarten selbst, dazu werden die Spielmaterialien hier auch abgezählt, gefaltet und verpackt. So viel Eigeninitiative braucht allerdings auch ihre Zeit. Bisher reicht der Gewinn der verkauften Spiele noch nicht, um davon leben zu können. Die Entwicklung neuer Spiele finanziert das Team von Gaiagames immer erst über Crowdfunding. Trotzdem sind sie für die Zukunft zuversichtlich: Brettspiele sind selbst in Zeiten von Corona oder Handyspielen ein wachsender Markt – jedes Jahr werden mehr gekauft.

Gaiagames Brettspielkollektiv aus Könnern
Einige Spielkarten für das neue Vogelspiel entwirft Micha Reimer selbst. Bildrechte: MDR/Hanna Romanowsky

Wir sind davon überzeugt, dass wir irgendwann auch davon leben können. Denn das Feedback ist super, die Leute mögen unsere Spiele, mögen unsere Message, mögen unseren Spirit.

Kevin Luhn, Spieleentwickler

Aus Liebe zu Brettspielen und zur Natur

Jede Menge Idealismus steckt hinter dieser Arbeit, von der sich noch kein Lebensunterhalt für die vier Spielentwickler von Gaiagames erwirtschaften lässt. Der tief verankerte Wunsch, die Menschen ebenso für die Natur zu begeistern, wie sie selbst es tun: "Ich habe schon von klein auf eine Begeisterung gespürt für die Welt da draußen, für Pflanzen, für Tiere und gleichzeitig einen Schmerz gespürt, je mehr davon zerstört wurde. Ich kann mich an Szenen erinnern, wo meine Lieblingszahl Kletterbäume als Kind abgeholzt wurden und ich einfach richtig eine Trauer gespürt habe", erzählt Micha Reimer mitten in dem kleinen Urwald-Garten rund um ihr Haus hier in Könnern.

Gaiagames Brettspielkollektiv aus Könnern
Drei Spiele sind von Gaiagames bisher erschienen. Bildrechte: MDR/Hanna Romanowsky

Sein Studium des Naturschutz verband er vor ein paar Jahren mit seiner Leidenschaft für Brettspiele und gründete Gaiagames. "Brettspiele haben den Vorteil, dass sie erst mal die Leute wieder zusammen an einen Tisch bringen", erzählt Micha Reimer. Dazu komme das Haptische durch Holzteilchen oder Karten, die einem digitalen Spiel fehlen. So werde auch die Kreativität angeregt, erklärt der Spieleentwickler.

Bei Brettspielen ist nicht alles komplett grafisch vorgegeben, sondern da kann auch im Gehirn bei den Spielenden selber was passieren.

Micha Reimer, Spieleentwickler

Viel Kreativität, durchdachte Spielmechanismen und ein Team, das mit Begeisterung hinter dem Thema steht – das Konzept geht auf: Fast unbemerkt mehr über die Natur vor unserer Haustür lernen und dabei jede Menge Spaß haben, das geht mit Gaiagames spielend leicht.

Mehr Informationen

Bisher bei Gaiagames erschienen sind:

"Ecogon"
Ein Spiel von Micha Reimer
Für 1 bis 6 Personen
Ab 8 Jahren
Spieldauer 30 – 90 Minuten
Preis: 30 Euro

"Ecogon – Stille Wasser"
Ein Spiel von Micha Reimer
Für 1 bis 6 Personen
Ab 8 Jahren
Spieldauer 30 – 90 Minuten
Preis: 30 Euro

"Fish 'n' Flips"
Ein Spiel von Kevin Luhn
Für 1 bis 6 Personen
Ab 8 Jahren
Spieldauer 15 – 30 Minuten
Preis: 20 Euro

Mehr Infos auf der Website von Gaiagames.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. Juni 2021 | 12:40 Uhr

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