Korallenbeere
In den Blättern der Pflanze steckt der begehrte Wirkstoff. Bildrechte: imago/blickwinkel

Wirkstoff aus der Korallenbeere Bakterium produziert natürliche Allzweckwaffe gegen Asthma und Krebs

12. Januar 2021, 17:03 Uhr

Die Korallenbeere oder auch Gekerbte Spitzblume ist vor allem im Winter eine beliebte Zierpflanze: Ihre roten Beeren bringen ein wenig Farbe ins triste Grau. Doch die Pflanze sieht nicht nur gut aus, in ihren Blättern steckt auch ein Wirkstoff, den Pharmazeuten für eine Allzweckwaffe gegen Asthma und einige Krebsarten halten. Der ist aus der Pflanze aber nur schwer in größeren Mengen zu gewinnen. Doch Forschende der Universität Bonn haben dieses Problem jetzt offenbar gelöst.

Für viele Menschen ist die Korallenbeere einfach nur schön anzusehen. Die Pflanze ziert vor allem in der Winterzeit viele Wohnzimmer. Doch die Pharmazeuten der Universität Bonn interessieren sich aus ganz anderen Gründen für die Strauchpflanze. Denn in ihren Blättern steckt ein Wirkstoff, der seit einigen Jahren als Vorreiter einer neuen Gruppe hochwirksamer Medikamente gehandelt wird. Diese Substanz trägt den kryptischen Namen FR900359 – oder kurz einfach FR. Das Problem: Bisher ist es sehr aufwändig, dieses FR in größeren Mengen aus der Pflanze zu gewinnen. Es dauert einige Wochen, bis die Pflanze im Gewächshaus gezüchtet werden kann. Sie stammt eigentlich aus Ost- bzw. Südostasien. In Teilen der Tropen und Subtropen ist sie auch verwildert zu finden. Und dann schwankt die Ausbeute auch noch enorm von Exemplar zu Exemplar.

Bakterium statt Pflanzenblatt

Die Forschenden der Universität Bonn haben nun offenbar eine Lösung für dieses Problem gefunden: Sie haben ein Bakterium gefunden, das ebenfalls die Substanz FR produzieren kann und sich außerdem im Labor züchten lässt. Die Untersuchung ist im Fachmagazin Nature Communications erschienen.

Aber wie kann ein Bakterium einen Wirkstoff aus dem Blatt einer Pflanze herstellen? Dazu muss man wissen, dass die Korallenbeeren das FR gar nicht selbst herstellen. Sie beherbergen in ihren Blättern aber die Bakterien, die das für sie übernehmen.

Diese Bakterien wachsen aber nur in der Korallenbeere und lassen sich ohne sie nicht kultivieren.

Dr. Max Crüsemann, Universität Bonn
Dr. René Richarz mit einer Agarplatte mit dem Bakterium, Cornelia Hermes mit einem aus dem Bakterium gewonnenen Extrakt und Arbeitsgruppenleiter Dr. Max Crüsemann. Zwischen den Forschern steht eine Korallenbeere.
Dr. René Richarz mit einer Petrischale mit dem Bakterium, Cornelia Hermes mit einem aus dem Bakterium gewonnenen Extrakt und Arbeitsgruppenleiter Dr. Max Crüsemann (v.l.n.r.) Bildrechte: AG Crüsemann / Universität Bonn

Diese FR-produzierenden Bakterien sind nämlich hoch komplex: Sie verfügen über eine regelrechte Produktionsstraße, um den Wirkstoff herzustellen. Dort arbeitet eine ganze Reihe Enzyme Hand in Hand. Wie genau diese Produktion ablaufen muss, ist in der bakteriellen Erbanlage festgeschrieben. Nach genau diesen Genen für die FR-Synthese haben die Forschenden nun gefahndet, so Crüsemann. "Wir haben nun in riesigen Datenbanken nach anderen Mikroorganismen gesucht." Und sie sind tatsächlich fündig geworden – sozusagen ein Bakterium aus der Verwandtschaft der Korallenbeeren:

Im Gegensatz zu seinem Verwandten aus der Korallenbeere wächst es nicht in Pflanzen, sondern lässt sich leicht in Kulturmedien vermehren.

Dr. Max Crüsemann, Universität Bonn

Wirkstoff hemmt Signalmoleküle der Zelle

Mithilfe der neuen Bakterien wollen die Forschenden den Wirkstoff FR künftig leichter und effizienter herstellen. Denn die Pharmazeutinnen und Pahrmazeuten setzen große Hoffnung in ihn. "Wir wissen seit einigen Jahren, dass FR in den Zellen eine wichtige Gruppe von Signalmolekülen hemmt, die Gq-Proteine", erklärt Cornelia Hermes. Dabei sei es äußerst effektiv: Bis heute sei es die einzige Substanz, die Gq-Proteine so wirkungsvoll ausschaltet.

Korallenbeere im Topf
Die Korallenbeere sieht als Zierpflanze vor allem gut aus. Bildrechte: imago/blickwinkel

Diese Gq-Proteine sind gewissermaßen die Notruf-Zentrale der Zelle: Verschiedene Signale der Zelle laufen hier zusammen und werden so aktiviert. Sie schalten dann ihrerseits bestimmte Stoffwechselprozesse an oder aus. Will man die Signalwege also hemmen, dann reicht es, dieses Schaltstellen-Protein auszubremsen, statt jeden einzelnen Signalweg für sich. So kann der therapeutischer Effekt erzielt werden, glauben die Forschenden. In ihrer Untersuchung haben sie auch herausgefunden, warum die Substanz so gut wirksam ist. Grund dafür ist offenbar ein besonderer chemischer Aufbau.

Allerdings gibt es da noch ein weiteres Problem: FR ist zwar äußerst wirksam, allerdings auch sehr giftig, wenn man es einfach so nehmen würde. "Ziel ist es deshalb, FR nur Zellen mit einem krankhaft veränderten Verhalten zu verabreichen", erklärt Crüsemann. Das sei heute möglich, weil sich die Gene von Bakterien einfach und gezielt verändern ließen. So könnten FR-Varianten mit bestimmten Eigenschaften erzeugt werden, sagt der pharmazeutische Biologe. "Also etwa solche, die zielgenau zu bestimmten Zellen im Körper transportiert werden und nur dort ihre Arbeit verrichten."

(kie)

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