Frau mit längeren dunklen Haaren und bund bedrucktem T-Shirt hält Hände zusammen mit schwarzem Pulver, das in Bottich rieselt. Von schräg unten fotografiert, Frau sehr zentral, weitwinklig 7 min
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Kohle und Klima – das passt zusammen. Und zwar bei Pflanzenkohle. Die ist gerade ziemlich angesagt in Sachen Klimaschutzt. Aber warum? Und was kann sie noch? Karoline Knappe im Gespräch mit Florian Zinner

MDR KULTUR - Das Radio Fr 21.06.2024 13:12Uhr 07:23 min

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Gut gegen Restemissionen, gut für die Böden Warum Klimaschützende jetzt also doch auf Kohle stehen

24. Juni 2024, 15:16 Uhr

Das Klima ausgerechnet mit Kohle zu retten, ist verdammt angesagt. Und zwar mit Pflanzenkohle! Was langweilig klingt, ist eine der spannendsten Klimahoffnungen, die es gerade gibt. Und vielseitig talentiert. Schlichtweg: Everybody's Klima-Darling.

Junger Mann mit Bart, runder schwarzer Brille, schwarzem Basecap vor Roll-Up-Plane mit Logo von MDR WISSEN
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Das klingt so, als wolle man die Balkonpflanzen "trockengießen". Oder mit dem Besen die Wohnung eindrecken. Ausgerechnet Kohle, die Unvokabel des Klimaschutzes. Natürlich könnte die Einladung zur Verwunderung deutlicher nicht sein. Aber im neulich erschienenen zweiten Sachstandsbericht zur CO2-Entnahme wird zumindest eine ganz bestimmte Sorte Kohle gepriesen: Pflanzenkohle ist der stille Hype in Sachen Restemissionen. "Vielleicht der einzige Bereich, in dem eventuell eine Industrie entstehen könnte, wo wir tatsächlich Dynamik sehen, ist wirklich die Pflanzenkohle", das sagt der Nachhaltigkeitsforscher Jan Christoph Minx, der an dem Bericht mitgearbeitet hat.

Restemissionen? Genau, wie der letzte Rest im Joghurtbecher, der da hängen bleibt, wie sehr man auch kratzt: Bis 2050 möchte Europa klimaneutral sein, und die anderen Kontinente möchten das früher oder später auch. Gerade wenn wir über das 1,5-Grad-Ziel hinausschießen, werden wir die überschüssigen Emissionen irgendwann wieder loswerden müssen. Und Netto-Null schließt auch Emissionen aus, für deren Beseitigung wir derzeit noch gar keine kluge Antwort haben. Solche Emissionen entstehen zum Beispiel bei Industrieprozessen in der Stahl- und Zementindustrie. Und auch Lachgas und Methan aus der Landwirtschaft sind Treibhausgase.

Icon: Symbolische Erdkugel mit Afrika und Europa im Zentrum, daran oben links das Grad-Zeichen. Text:  MDR Klima-Update. Kostenfrei, wöchentlich. Foto: Weiß gekleidete Frau mit Rücken zur Kamera kippt aus Eimer grüne Farbe auf Leinwand in trockener Gegend.
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Grafik zeigt, dass von den derzeit 2,2 Gigatonnen CO2 jährlich nur ein winzig kleiner Anteil auf neue Techniken wie Pflanzenkohle oder Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung fällt
Bildrechte: The State of Carbon Dioxide Removal, MDR WISSEN

Fünf Prozent der Treibhausgase in Deutschland können nicht vermieden werden, davon geht die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag aus. Das sind 62 Millionen Tonnen. Die alte Idee ist, zumindest das CO2 unter den Restemissionen durch Aufforstung zu kompensieren. Inzwischen gibt es aber auch allerhand neue Ansätze. So manche zeigen sich fasziniert von technischen Lösungen wie Direct Air Capture, dem Prinzip Staubsauger, bei dem das CO2 aus der Luft gefiltert und der Staubsaugerbeutel schlussendlich verbuddelt wird. Im Gegensatz dazu klingt die Sache mit der Pflanzenkohle fast schon wie eine fade Randnotiz, mit der Ausnahme, dass sie in besagtem Bericht als Technologie hervorsticht und bereits jetzt weltweit Anwendung findet. Anders gesagt: Pflanzenkohle steht mittlerweile im Baumarktregal.

Mann mit verschränkten Armen und Sakko mit geschlossenem Mund freundlich schauend, im Hintergrund Labor-Gerätschaften
Prof. Dr. Bruno Glaser Bildrechte: Uni Halle/Markus Scholz

Einer der Gründungsväter der Idee lehrt an der Uni Halle-Wittenberg, heißt Bruno Glaser und ist Professor für Boden-Biogeochemie. Er hat sich den Begriff ausgedacht und das System maßgeblich geprägt. Offenbar hatte er den richtigen Riecher: Glaser hat es jüngst in die Liste der meistzitierten Forschenden der Welt geschafft. "Der Benefit ist ja, dass wir zusätzliche Ökosystemeffekte haben, die positiv wirken, wie zum Beispiel Wasser- oder Nährstoffspeicherung oder verminderte Emissionen von anderen Treibhausgasen."

Pflanzenkohle: Wie Holzkohle, nur ein bisschen anders

Im Grunde ist Pflanzenkohle sowas wie Holzkohle (und so hieß sie auch, bis Bruno Glaser eine bessere Idee kam). Nur eben, dass kein Holz, sondern Pflanzenreste wie Grünschnitt verkohlt werden. Diese Pflanzenreste enthalten Kohlenstoff, den die Pflanzen im Laufe des Jahres aufnehmen. Wenn Bäume sich im Herbst ihrer Blätter entledigen, wird der dort enthaltene Kohlenstoff wieder freigesetzt. (Im Holz bleibt er gespeichert, solange der Baum am Leben ist.) Der Trick muss also sein, sämtlichen Kohlenstoff festzuhalten.

Grafik zeigt mit Bildern einen halben Kreislauf von CO2, das Pflanzen aufnehmen und in Pflanzenresten steckt, schließlich verkohlt wird wodurch auch Wärme- und Elektroenergie entstehen, als schwarzes Kohlegranulat auf Anbauflächen aufgetragen wird, wo es das Wachstum fördert und CO2 dauerhaft im Boden speichert.
Bildrechte: MDR WISSEN

Und genau dabei hilft der Prozess der Kohleherstellung. Kurz gesagt: Das ist ein thermochemischer Prozess unter hohen Temperaturen und – durch Luftabschluss – sauerstoffarmen Bedingungen. Pyrolyse heißt das und funktioniert unter industriellen Bedingungen mit einem überschaubaren Energieeinsatz. Die Abwärme lässt sich dabei zum Heizen oder zur Elektrizitätsgewinnung einsetzen. "Also insgesamt ist der Prozess der Pflanzenkohle-Herstellung exotherm, das heißt, es wird mehr Energie frei als man reinstecken muss", so Glaser.

Der Kohlenstoff ist dann also in der Pflanzenkohle gespeichert und kann nicht mehr so leicht raus. Außer, man zündet sie an, im Rahmen einer zünftigen Grillparty. Bruno Glaser spricht jetzt von einem stabilen Kohlenstoff. "Stabil heißt mehr als hundert Jahre und deswegen entstehen da negative Emissionen." Die Pflanzenkohle lässt sich jetzt vortrefflich in den Boden einarbeiten und lässt auch dort den Kohlenstoff nicht so schnell wieder in die Atmosphäre.

Warum ist Pflanzenkohle Everybody's Darling im Klimaschutz?

Das ist so der Zielpunkt, den wir mit Technologien wie Direct Air Capture und CO2-Einlagerung irgendwann einmal erreichen wollen. Bei Pflanzenkohle geht es sogar noch weiter: "Ich scheide jetzt nicht nur den Kohlenstoff ab und mache den stabil, sondern ich habe die wissenschaftlich eindeutig belegten weiteren positiven Effekte auf Ökosystemfunktionen." Die verraten, dass das eigentlich alles ein alter Hut ist. Sogenannte Terra Preta, schwarze Erde, funktioniert ähnlich und wird in kleinem Maßstab von Völkern im Amazonasbecken seit jeher eingesetzt.

Ich scheide nicht nur Kohlenstoff ab, ich habe die wissenschaftlich belegten positiven Effekte auf Ökosystemfunktionen

Prof.Dr. Bruno Glaser Uni Halle-Wittenberg

Zum Beispiel können mit Pflanzenkohle angereicherte Böden besser Wasser aufnehmen, was im Zuge von klimawandelbedingtem Extremwetter wie Starkregen und Dürre ein praktischer Umstand ist. "Die Nährstoffe werden vermehrt gespeichert, es wird weniger Nitrat ausgewaschen, es werden weniger weitere Treibhausgase emittiert aus dem Boden, wie Methan oder Lachgas." Wie erwähnt: Auch die zählen zu den Restemissionen. Das alles geht mit höheren Pflanzenerträgen einher. Inzwischen lässt sich Pflanzenkohle aber auch in der Betonherstellung einsetzen, wo weniger Zement eingesetzt werden muss – was, so ein Zufall, wiederum ebenfalls bei der Bewältigung von Restemissionen helfen kann.

CO2-Speicherung – bei Pflanzenkohle fast schon Nebensache

Weitere Einsatzbereiche sind die Wasserreinigung (Stichwort Aktivkohlefilter) oder in der Tiernahrung. Bruno Glaser kehrt den Spieß einfach um und bezeichnet angesichts der mannigfaltigen Möglichkeiten die CO2-Speicherung schlichtweg als Zusatzbenefit. Was für ein Understatement. 😏

Und klingt alles zu schön, um wahr zu sein. Also, wo ist der Haken? Bruno Glaser hat ihn selbst ausgerechnet, den Haken: "Wenn wir die zehn Milliarden Tonnen Kohlenstoff, die wir jedes Jahr emittieren, mit Pflanzenkohle kompensieren wollen, dann bräuchte es ungefähr 20.000 Cheops-Pyramiden, die aus Pflanzenkohle bestehen." Und nicht nur das: Die Biomasse – also der Grünschnitt, wenn man es so mag – muss auch irgendwo herkommen. Immer wieder betont Glaser, dass auch Pflanzenkohle – so faszinierend sie auch sein mag – nur ein Baustein von vielen sein kann und sämtliche Hebel zur CO2-Reduktion umgelegt werden müssen.

Pflanzenkohle: Sie kostet. Und sie reicht nicht.

Und dann ist das Ganze natürlich auch nicht ganz billig. Landwirtinnen und Landwirte bekommen Pflanzenkohle nicht säckchenweise und unentgeltlich vor die Hoftüre gestellt. 500 bis 800 Euro pro Tonne sind es, die auch erwirtschaftet werden wollen – am besten nicht durch Ertragmaximierung. Denn ausgerechnet im Land der Pflanzenkohlenidee, Deutschland, vermisst Glaser echte Anreize, damit Pflanzenkohle nicht nur ein Hype, sondern Mainstream wird und sich in der Fläche entfalten kann.

Dabei geht es um eine ganz grundsätzliche Frage. Ein hübsches Pflanzenwachstum und gesunde Tiere mögen zwar nette Benefits sein, aber die Ökosystemdienstleistungen der Pflanzenkohle gehören ebenfalls vergütet, in welcher Form auch immer, findet Glaser. "Gesunde Nahrungsmittel oder sauberes Wasser sind ja in der Regel auch nicht gratis zu haben."

Dennoch: Die Idee funktioniert schlichtweg, das kann man schon mal sagen, eben bisher auf freiwilliger Basis. Für Bruno Glaser gehört hinter das Wort Pflanzenkohle deshalb ein grüner Haken. Für eine Klimaschutzidee ja auch mal ganz schön.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Mittag | 21. Juni 2024 | 13:10 Uhr

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