Luftansaugeeinrichtung der CO2 Abscheideanlage von Climeworks in Hinwil in der Schweiz.
Direct-Air-Capture der Firma Climeworks: Hier wird CO2 aus der Luft gesaugt und dann gespeichert. Bildrechte: Climeworks

Klimaschutz Notwendige CO2 Rückholung: Die Technik ist vorhanden, der politische Plan fehlt

27. April 2023, 14:16 Uhr

Um das Klima zu stabilisieren, muss die Menschheit einen Teil ihrer CO2-Emissionen wieder zurückholen. Ein neuer wissenschaftlicher Report stellt klar: Technologien dafür gibt es, es fehlt aber an politischen Plänen.

  • Aktuell holt die Menschheit jedes Jahr durch Aufforstung und neue Technologien rund 2 Milliarden Tonnen CO2 aus der Atmosphäre zurück, während sie 37 Milliarden Tonnen ausstößt.
  • Bis 2050 müssen technische Anlagen 1.300 Mal so viel CO2 zurückholen wie heute, wenn wir die Klimaerwärmung bremsen wollen. Experten sagen: Technisch ist das möglich, es fehlen aber die politischen Pläne.
  • Die Wissenschaftler hoffen auch auf eine neue öffentliche Debatte über Carbon-Capture-and-Storage (CCS).

Ergänzung: Die Rückholung von CO2 ist zwar aufwendig und teuer und verglichen damit, Emissionen gänzlich zu vermeiten, wirtschaftlich deutlich weniger effizient. Da der globale CO2-Ausstoß bislang nicht gestoppt werden konnte, sehen viele Wissenschaftler keine andere Alternative, als das bereits in der Atmosphäre befindliche CO2 wieder abzubauen.

Die Menschheit muss einen Teil des vielen CO2 aus der Atmosphäre zurückholen, wenn sie verhindern will, dass die globale Durchschnittstemperatur um mehr als 1,5 Grad steigt im Vergleich zu der Zeit vor der Industrialisierung. Diese Notwendigkeit negativer Emissionen ist inzwischen in allen Szenarien des Weltklimarats IPCC enthalten.

Ein neuer wissenschaftlicher Report mit dem Titel "The State of Carbon Dioxide Removal (CDR)" hat nun eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Die notwendigen Technologien für dieses Unternehmen sind vorhanden. Die schlechte: Es fehlt bislang weitgehend an politischen Plänen, wie das Projekt CDR aufgebaut und durchgeführt werden soll.

Biokohle kann ein Ansatz zur Speicherung sein

Die Autoren des Reports haben eine weltweite Bestandsaufnahme notwendiger Maßnahmen gemacht, wie CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre entzogen werden kann. Eine gut bekannte und etablierte Methode ist, neue Wälder zu pflanzen. Bäume holen den Kohlenstoff aus der Luft und speichern ihn in ihrer Biomasse. Wandelt man diese Biomasse später in Biokohle um, kann dieser Kohlenstoff leicht dauerhaft gespeichert, als Dünger oder auch als Baustoff verwendet werden.

Mehr Aufmerksamkeit bekommen derzeit aber technologische Ansätze wie das sogenannte "Direct Air Capture and Storage". Dabei saugen Anlagen, wie die der Firma Climeworks aus Island, das CO2 aus der Luft und speichern es anschließend in vulkanischem Gestein. Einige tausend Tonnen kann das Unternehmen so schon zurückholen. Bis 2050 soll der Megatonnen-Maßstab erreicht werden.

Technische CO2-Rückholung: Bislang nur 0,1 Prozent der Leistung von Wäldern

Der Effekt dieser Methoden ist zwar bereits messbar. Rund zwei Milliarden Tonnen CO2 holen Wälder und Technologien derzeit jedes Jahr aus der Atmosphäre zurück, kalkulieren die Wissenschaftler. Aber trotzdem ist die Menge viel zu klein, im Vergleich zu den 37 Milliarden Tonnen, die die Menschheit ausstößt.

Und: Den größten Beitrag leisten aktuell die Wälder, der Anteil neuer Technologien ist noch eher gering. Nur zwei Millionen Tonnen werden auf diese Weise jedes Jahr zurückgeholt, nur 0,1 Prozent. "Da stehen wir fast noch bei null", sagt Professor Jan Christoph Minx vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin, der zum Team der Autoren gehört.

Kommende zehn Jahre prägend für Technologie-Entwicklung

Trotzdem glaubt Minx nicht, dass das Problem fehlende Technologien sind. "Lösungen gibt es in allen Bereichen", sagt er. Stattdessen fehlen aus seiner Sicht politische Pläne. In den bislang vorgelegten politischen Zielen sind die angestrebten Mengen von jährlich zurückzuholendem CO2 nur geringfügig größer, als die derzeit erreichten zwei Milliarden Tonnen. "Für die CO2-Entnahmen haben wir im aktuellen Klimaschutz noch keinen Plan."

Der ist aber dringend notwendig. Denn um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssen bis 2050 zwar erst einmal so viele Emissionen wie möglich reduziert werden. Danach aber muss die Menschheit mehr CO2 zurückholen, als sie ausstößt, also negative Emissionen erreichen. Und das gehe nur, wenn die dafür notwendigen Technologien und Methoden bereits jetzt erforscht, aufgebaut und hochgezogen werden. Die kommenden zehn Jahren seien dafür prägend. Bis 2050 müsse die technische Rückholung 1.300-fach so viel CO2 zurückholen wie heute. "Innovation braucht Zeit, genau wie Aufskalierung. Wenn wir jetzt nicht anfangen, entsprechende Anlagen aufzubauen und Politikpläne zu entwickeln, werden wir da nicht ankommen", sagt Minx.

Netto-Null-Ziele: Ohne CO2-Rückholung nicht erreichbar

Das scheint bei den politischen Entscheidungsträgern aber noch nicht angekommen zu sein. "Wer ja zum Ziel sagt, die Emissionen auf Netto-Null zu reduzieren, der muss ja sagen zur CO2-Entnahme. Das ist kein Entweder-oder", sagt Oliver Geden vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit (SWP), der ebenfalls zum Team der Autoren gehört.

Die deutsche Bundesregierung müsse sich vor allem auf EU-Ebene für eine Klärung einsetzen, schließlich bestimme Europa einen Großteil der deutschen Klimapolitik, argumentiert Geden. Dazu gehörten Fragen der Innovationsförderung oder der Aufbau von Demonstrationsanlagen. Der IPCC Bericht, an dem Geden bereits beteiligt war, liste hier über ein Dutzend verschiedenen Möglichkeiten.

Carbon-Capture-and-Storage (CCS): Neubewertung notwendig

Die Wissenschaftler halten auch eine neue Debatte über das in Deutschland öffentlich eher kritisch betrachtete Carbon-Capture-and-Storage (CCS) für notwendig. Bei CCS werden CO2-Emissionen an ihrer Quelle abgeschieden und anschließend im Untergrund gespeichert. Hier habe sich technologisch viel getan, was hierzulande bislang aber noch kaum bekannt sei, sagt Christine Merk vom Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, die den Report begutachtet hat. In Norwegen, das sich dazu entschieden habe, CCS im großen Maßstab aufzubauen, sei das anders. "Die öffentliche Diskussion reflektiert hier nicht die Gefahren, wie sie wissenschaftlich diskutiert werden", sagt auch Jan Minx.

Die Politik müsse sich nun rasch darum kümmern, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit bis 2030 und 2050 die notwendigen Schritte unternommen werden können. "Die Regierungen müssen öffentlich sagen: Wie viel CO2 wollen sie entnehmen? Mit welchen Methoden? Wer ist dafür verantwortlich und wer zahlt dafür?", sagt Jan Minx. Wer auf diese Fragen keine Antwort habe, dessen Netto-Null-Ziele könne man nicht ernst nehmen.

Links/Studien

(ens/smc)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 17. Januar 2023 | 22:55 Uhr