Landsat-8-Bild, das die zerklüftete Front des Ferrigno-Eisstroms im Bellingshausen-Sektor in der Westantarktis und die windgetriebene Meereisproduktion vor der Küste zeigt.
In der Bellinghausen See hat sich die Schmelze des Eisschelfs beschleunigt. Bildrechte: NASA/USGS

Klimawandel Studie: Der Westantarktische Eisschild könnte noch nicht verloren sein

16. Januar 2023, 18:00 Uhr

Forscher haben auf Basis umfangreicher Satellitendaten beobachtet, dass die Gletscher in der Antarktis je nach Region unterschiedlich schnell schmelzen. Sie hoffen, dass ein Teil der Schmelze noch gestoppt werden kann.

  • In der Westantarktis könnte das Schicksal der Menschheit besiegelt werden: Schmilzt das Eis hier vollkommen ab, drohen die globalen Meeresspiegel um mehrere Meter zu steigen.
  • Durch den Klimawandel haben sich die Winde in der Region aber so verändert, dass Teile der Antarktis nun langsamer schmelzen während die sich die Entwicklung anderswo noch beschleunigt hat.
  • Ein Zusammenbruch des Eisschilds kann noch verhindert werden, glauben beteiligte Forscher.

Das Westantarktische Eisschild schmilzt in verschiedenen Regionen unterschiedlich schnell. Das könnte bedeuten, dass die Menschheit die Schmelze in einigen Regionen um den Südpol herum noch aufhalten kann, so eine neue Studie, die am 16. Januar im Magazin "Nature Communications" erschienen ist.

Veränderte Windmuster halten warmes Meerwasser vom Schelfeis fern

Ein Team von britischen und amerikanischen Forschenden um Frazer Christie von der University of Cambridge hat mit Hilfe von umfangreichen Satellitendaten eine neue Analyse erstellt, wie sich die Schmelze des westantarktischen Eisschilds zwischen 2003 und 2015 entwickelt hat. Demnach beschleunigte sich die Gletscher-Drift entlang der sogenannten Bellinghausen-See, wohingegen die Gletscher entlang der Amundsen-See langsamer ins Meer glitten.

Grund für diese Entwicklung sind Winde, die die Meeresströmungen beeinflussen. Warmes Wasser schmilzt das antarktische Schelfeis, also die Eisflächen über dem Meer, von unten ab. Zugleich wachsen die Eismassen durch nachlassende Schneefälle nicht mehr in gleichem Tempo nach. In der Region an der Amundsen-See haben sich die Windmuster jedoch so verändert, dass weniger warmes Wasser unter das Schelfeis strömte, während mehr warmes Wasser unter das Eis an der Bellinghausen-See floss.

Eisschmelze in der Westantarktis

Satellitenaufnahme des zebröclenden Crosson-Eisschelfgebiets in der Westantarktis.
Satellitenaufnahme des zebröclenden Crosson-Eisschelfgebiets in der Westantarktis. Bildrechte: NASA/USGS
Satellitenaufnahme des zebröclenden Crosson-Eisschelfgebiets in der Westantarktis.
Satellitenaufnahme des zebröclenden Crosson-Eisschelfgebiets in der Westantarktis. Bildrechte: NASA/USGS
Das Landsat-8-Bild zeigt das zerklüftete Ende des schnell fließenden Pine-Island-Gletschers im Amundsen-Sektor, vor dessen Küste Meereis und Eisberge liegen.
Das Landsat-8-Bild zeigt das zerklüftete Ende des schnell fließenden Pine-Island-Gletschers im Amundsen-Sektor, vor dessen Küste Meereis und Eisberge liegen. Bildrechte: NASA/USGS
Satellitenaufnahme des Getz-Eisschelfgebiets in der Westantarktis. Am unteren Bildrand ist die weiße Eisfläche am Festland zu sehen, auf der oberen Bildhälfte bedecken nur noch einzelne Splitter aus Eis die ansonsten dunkle Fläche des arktischen Ozeans.
Landsat 9-Bild, das das Getz-Schelfeis im Amundsen-Sektor der Westantarktis und das vorgelagerte Meereis zeigt. Bildrechte: NASA/USGS
Landsat-8-Bild, das die zerklüftete Front des Ferrigno-Eisstroms im Bellingshausen-Sektor in der Westantarktis und die windgetriebene Meereisproduktion vor der Küste zeigt.
Landsat-8-Bild, das die zerklüftete Front des Ferrigno-Eisstroms im Bellingshausen-Sektor in der Westantarktis und die windgetriebene Meereisproduktion vor der Küste zeigt. Bildrechte: NASA/USGS
Kombiniertes Bild aus optischen und Radardaten von Sentinel-1. Zu sehen ider der Landgletscher und seine vom Meereis umschlossene Eiszunge in der Westantarktis.
Kombiniertes Bild aus optischen und Radardaten von Sentinel-1. Zu sehen ist der Landgletscher und seine vom Meereis umschlossene Eiszunge in der Westantarktis. Bildrechte: NASA/USGSNASA/USGS
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Verlust des Eisschilds noch vermeidbar

Eigentlich herrschen in der Region Westwinde vor. "Aber zwischen 2003 und 2015 nahm die Intensität der vorherrschenden Westwinde vor dem Amundsenmeer-Sektor ab", sagt Christie. "Das bedeutete, dass das tiefere, wärmere Wasser nicht eindringen konnte und wir sahen eine bemerkenswerte Veränderung im Verhalten der Gletscher in der Region: eine deutliche Verringerung der Schmelzrate und des Eismassenverlusts."

Die Studie gibt einen Hinweis auf das komplexe Wechselspiel zwischen Ozean, Atmosphäre und Eismassen an Land. "Das bedeutet, dass der Zusammenbruch des Eisschildes nicht unvermeidlich ist. Es hängt davon ab, wie sich das Klima in den nächsten Jahrzehnten verändert, was wir durch eine Verringerung der Treibhausgasemissionen positiv beeinflussen könnten", sagt Eric Steig von der University of Washington in Seattle, der zum Team der Autoren gehört.

Ungebremste Schmelze könnte Meeresspiegel um bis zu drei Meter steigen lassen

In der Westantarktis gibt es Regionen, wo sich 2.500 Meter unter dem Meeresspiegel Landmassen befinden und sich seit mehreren Dekaden warmes Wasser zwischen Eis und Landmasse schiebt. Dadurch gilt unter anderem der riesige Thwaites-Gletscher als gefährdet. Schmilzt er, könnte das eine Kettenreaktion auslösen, die sich auch dann nicht mehr aufhalten lässt, wenn es gelingt, die Klimaemissionen zu stoppen. Der Thwaites funktioniert wie ein Korken. Bricht der Gletscher ab, fließen die dahinter festgehaltenen Eismassen mit noch größerem Tempo ins Meer ab. Die Folge könnte ein Anstieg der Meeresspiegel um bis zu drei Meter in den kommenden Jahrhunderten sein.

"Es besteht eine enge Verbindung zwischen dem Klima und dem Verhalten des Eises", sagt Christie. "Wir haben die Möglichkeit, die Eisverluste in der Westantarktis zu mildern, wenn wir die Kohlenstoffemissionen einschränken."

(ens)

Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 21. September 2022 | 17:45 Uhr