Klimawandel Hitzewellen: Hat Sommer-Urlaub am Mittelmeer noch Zukunft?
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19. Januar 2023, 13:31 Uhr
Spanien, Italien, Griechenland und die Türkei ächzen derzeit unter extrem hohen Temperaturen. Dies wird laut Experten künftig noch häufiger vorkommen – die Region und der Tourismus müssen sich verändern.
Über 50 Grad auf Zypern, schwere Waldbrände in Griechenland und der Türkei, Ascheregen in Spanien – große Teile des Mittelmeerraums leiden derzeit unter extremer Hitze und deren Folgen. Der Grund für diese besondere Wetterlage liegt laut Dr. Peter Bissolli vom Deutschen Wetterdienst darin, dass die Wirkung des dort üblicherweise von Süden wehenden warmen Scirocco-Windes aktuell verstärkt wird durch eine vorangehende lange Trockenperiode. "So braucht es nicht mehr viel, um einen Waldbrand auszulösen. Eine weggeworfene Zigarette oder der Funkenflug von landwirtschaftlichen Geräten beispielsweise", erklärt der Experte auf Anfrage von MDR WISSEN. Dazu komme auch vorsätzliche Brandstiftung, etwa um Bauland zu schaffen.
Erhitzung an den Polen noch stärker als im Mittelmeerraum
Diese Hitzewellen würden in der Zukunft häufiger auftreten, betont Bissolli, wobei es besonders an den Polen relativ gesehen eher noch wärmer wird und in den Tropen und Subtropen etwas weniger. Wie stark die Wärme am Ende unseren Organismus belastet, das hänge sehr von der individuellen Konstitution und vom Feuchtehaushalt ab: "Am Meer ist die Hitze deutlich besser zu ertragen als in der Innenstadt."
Der Hitzestress belastet allerdings nicht nur die Menschen. Mojib Latif, Meteorologe, Klima- und Ozeanforscher vom Helmholtz-Zentrum in Kiel, sagt: "Das Mittelmeer hat sich auch schon deutlich erwärmt. Das sehen wir anhand der Messungen. Die ganze Meeres-Lebenswelt ist natürlich auch betroffen. Wir haben es mit Sauerstoffarmut zu tun. Und die Meere – auch das Mittelmeer – nehmen ja CO2 aus der Luft auf und dadurch versauern sie. Insofern steht zu befürchten, dass einige Teile des Mittelmeeres ökologisch kippen." Er fordert schon seit vielen Jahren, weniger Treibhausgase in die Atmosphäre zu entlassen und so die Erderwärmung zu stoppen. Sonst sind Hitzewellen von 50 Grad wie in Australien oder zuletzt in Kanada das neue Normal.
Urlaub am Mittelmeer eher in den Oster- oder Herbstferien
Meteorologe und Forscher Latif geht davon aus, dass das Mittelmeer im Sommer künftig nicht mehr die erste Wahl für Touristen sein wird. Das glaubt auch Professor Andreas Kagermeier. Er lehrt an der Universität Trier Freizeit- und Tourismusgeographie und ist auch Sprecher des Arbeitskreises Tourismusforschung – ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Vertretern aus Tourismusbranche. Wegen Corona verbringt er seinen Sommerurlaub in Deutschland, was vielleicht sogar ein Trend werden könnte. Mit Blick auf Südeuropa sagt er: "Die Monate Juli und August, die bislang die Spitzenzeiten waren, was auch Kapazitätsprobleme verursacht hat, die werden an Bedeutung verlieren. Wir gehen schon davon aus, dass sehr viel stärker ins Frühjahr und den Herbst ausgewichen wird – also in die jetzigen Schwachlastzeiten."
Würde bedeuten: im Herbst, über Ostern oder Pfingsten ist Mittelmeer möglich. Im Sommer könnten Nord- oder Ostsee mit Wassertemperaturen über 20 Grad den Urlaub an der Ägäis oder Riviera ersetzen. Also alles schick – oder!? Streuen wir uns nicht Sand in die Augen, meint Klima- und Ozeanforscher Mojib Latif. Mit Blick auf den Sommer im Süden sagt er: "Man muss natürlich auch sehen, dass einige Regionen der Erde fast unbewohnbar werden. Dann werden wir es nicht nur mit Touristenströmen zu tun haben, sondern auch mit Flüchtlingsströmen weiter nach Norden. Und insofern sollte die globale Erwärmung schon jeden von uns angehen."
Tourismusbranche ignoriert die Klimafolgen – bislang
Die Tourismusforschung beobachtet ebenfalls seit Jahren Klimaveränderungen in südlichen Ländern. Und zugleich eine Kopf-in-den-Sand-Strategie der Tourismusbranche. Zwar gäbe es meist Klimaanlagen in Unterkünften, doch die Architektur sei oft billig und verhindere thermische Sonneneinstrahlung nicht, sagt Andreas Kagermeier: "Ich will nicht sagen, dass man da als Rufer in der Wüste steht. Es gibt ja auch eine ganze Reihe nationaler Kollegen in diesen Ländern, die darauf drängen, zukunftsfähig mitzumachen in der Tourismuswirtschaft. So lange es noch halbwegs läuft, lässt man es eben mitlaufen. Aber da können wir uns ja beim Klimawandel an die eigene deutsche Nase fassen."
Denn auch das hat die Tourismusforschung beobachtet: zwischen Reden und Handeln klafft eine Schere. Die meisten Urlauber sind für Umweltschutz aber nur wenige Touristen zahlen für klimaunfreundliches Reisen eine CO2-Kompensation. Nach Ansicht von Tourismusforscher Kagermeier ist die Hoffnung auf den vernünftigen Reisenden hoffnungslos: "Ich will nicht defätistisch werden, aber der ist sehr an seinem eigenen Genuss orientiert, nicht an den Ländern und er vergisst sehr schnell. Das haben wir nach dem 11. September gesehen. Das haben wir nach anderen Terroranschlägen in Nordafrika gesehen. Das merken wir auch, wenn irgendwo ein großer Waldbrand war – im nächsten Jahr sind die Touristen doch wieder da."
Zehn bis 20 Jahre werde die Tourismusbranche noch zum Umdenken brauchen, glaubt Kagermeier. So viel Zeit bleibt der Umwelt nicht mehr. Klimaforscher Latif erinnert daran, dass die aktuellen Temperaturen eine Reaktion auf Umweltsünden vor rund 100 Jahren sind.
Waldbrände oft direkt von Menschen verursacht
DWD-Meteorologe Bissolli sagt, neben der Hitze spiele auch die Feuchtigkeit eine Rolle und die könnte am Mittelmeer zumindest temporär noch zunehmen, weil mehr Niederschläge erwartet werden. "Lange Hitzeperioden können die Situation natürlich schon erschweren", schränkt der Experte ein. Und gerade beim Thema Waldbrände gebe es immer noch den Faktor Mensch, der oftmals direkt dafür verantwortlich sei: "Vorsätzliche Brandstiftung lässt sich nur sehr schwer verhindern."
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