Alternsforschung Kalt wird alt: Warum eine niedrigere Körpertemperatur für eine höhere Lebenserwartung sorgt
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04. April 2023, 13:34 Uhr
Eine Kölner Forschungsgruppe hat herausgefunden, dass Kälte die Verklumpung von Proteinen und damit auch typische neurodegenerative Alterskrankheiten wie ALS und die Huntington-Krankheit verhindert.
Dass eine niedrigere Körpertemperatur für ein längeres Leben sorgen kann, weiß man schon seit einiger Zeit. Man darf die Absenkung der Temperatur natürlich nicht übertreiben, aber eine moderate Senkung kann sehr positive Auswirkungen auf die Lebenszeit haben. Das wurde sowohl bei wechselwarmen Tieren wie Würmern, Fliegen oder Fischen festgestellt, als auch bei gleichwarmen wie den Säugetieren.
Der Fadenwurm beispielsweise lebt deutlich länger, wenn er statt der normalen 20 Grad Celsius eine Körpertemperatur von 15 Grad Celsius hat. Und bei Mäusen verlängert eine leichte Abnahme der Körpertemperatur um gerade einmal 0,5 Grad Celsius die Lebensdauer erheblich.
Immer kühler, immer älter
Auch beim Menschen wird in Studien von einer Korrelation zwischen Körpertemperatur und Lebensdauer berichtet. Die normale menschliche Körpertemperatur liegt zwischen 36,5 und 37 Grad Celsius. Ein starkes Absinken der Körpertemperatur unter 35 Grad Celsius führt zu Unterkühlung, wäre also nicht hilfreich. Aber ohnehin schwankt die Körpertemperatur des Menschen tagsüber leicht und erreicht im Schlaf sogar kühle 36 Grad Celsius.
Und eine frühere Studie zeigt sogar auf, dass die menschliche Körpertemperatur seit der industriellen Revolution kontinuierlich um 0,03 Grad Celsius pro Jahrzehnt gesunken ist, was auf einen möglichen Zusammenhang mit der fortschreitenden Zunahme der menschlichen Lebenserwartung in den letzten 160 Jahren hindeutet.
Angriff auf verklumpende Proteine
Wodurch aber könnte dieser Zusammenhang zustande kommen? Bei der Beantwortung dieser Frage ist nun eine Forschungsgruppe vom Alternsforschungs-Exzellenzcluster CECAD der Universität zu Köln einen großen Schritt weitergekommen. Das Team hat einen Mechanismus entschlüsselt, der eine mögliche Erklärung liefert.
Die Forschenden um Prof. Dr. David Vilchez untersuchten dafür den Fadenwurm Caenorhabditis elegans und auch kultivierte menschliche Zellen. Beide trugen die Gene für zwei neurodegenerative Erkrankungen in sich, die typischerweise im Alter auftreten: die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und die Huntington-Krankheit. Die Krankheiten zeichnen sich durch Ansammlungen von schädlichen Eiweißablagerungen aus, sogenannte pathologische Proteinaggregationen. Kälte führte in beiden Modellorganismen dazu, dass die zur Verklumpung neigenden Proteine aktiv entfernt wurden und die pathologische Proteinaggregation verhindert wurde.
Wir glauben, dass sich diese Ergebnisse auch auf weitere alterstypische neurodegenerative Erkrankungen übertragen lassen.
Das Altern ist ein Hauptrisikofaktor für verschiedene neurodegenerative Erkrankungen, die mit der Proteinaggregation verbunden sind, einschließlich Alzheimer, Parkinson und eben Huntington und ALS. David Vilchez sagt: "Wir glauben, dass sich diese Ergebnisse auch auf weitere alterstypische neurodegenerative Erkrankungen übertragen lassen, wie auch auf andere Tierarten."
Eine weitere zentrale Erkenntnis der Forschungsarbeit ist, dass sich die Aktivität des sogenannten Proteasomaktivators auch durch genetische Überexpression erhöhen lasst. So können krankheitsverursachende Proteine selbst bei normaler Temperatur von 37 Grad Celsius eliminiert werden. Daraus ergeben sich mögliche Ansatzpunkte für therapeutische Eingriffe beim Altern und bei altersbedingten Erkrankungen.
Wie so oft muss dazu noch viel mehr geforscht werden, aber ein Anfang ist gemacht.
Links/Studien
Die Studie "Cold temperature extends longevity and prevents disease-related protein aggregation through PA28γ-induced proteasomes" ist im Journal Science Aging erschienen
(rr)
Dieses Thema im Programm: Das Erste | BRISANT | 27. März 2023 | 17:15 Uhr