Laborunfall oder Tierhandel? Ist die Corona-Pandemie eine indirekte Folge der Schweinepest?

19. August 2021, 17:45 Uhr

Entstammt Sars-CoV-2 einem Laborunfall? In einem neuen Beitrag für Science weisen Wissenschaftler in eine andere Richtung. Demnach könnte die Schweinepest eine unglückliche Kettenreaktion ausgelöst haben.

Ist der Pandemie-Erreger Sars-CoV-2 durch einen Laborunfall in China in die Menschheit gelangt? Obwohl die WHO diese These ernsthaft prüft, weisen die Entwicklungen im Wildtier- und Fleischhandel jedoch in eine andere, sehr wahrscheinliche Richtung. Demnach könnte ausgerechnet eine andere Pandemie, die der afrikanischen Schweinepest, ein wichtiger Auslöser der Corona-Krise sein.

WHO prüft nun Laborunfall als mögliche Ursache

Woher kam das Sars-Coronavirus-2, als es im Herbst 2019 plötzlich Menschen in China infizierte, vor allem in der Hubei Provinz und im Dezember dann in der Megametropole Wuhan? Aktuell wird die These von einem Unfall im Institut für Virologie wieder stärker diskutiert, nachdem es nun Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation WHO für möglich halten, dass sich einer der Forscher des Instituts versehentlich angesteckt haben könnte, als er Proben in der Natur nahm.

Sollte es Beweise für diese These geben, wäre aber zugleich widerlegt, dass Sars-CoV-2 eine absichtlich entwickelte biologische Waffe ist, die dem Labor entkam. Sondern – und dafür argumentiert nun ein britisch-chinesisches Autorenteam im renommierten Journal Science – das Virus würde wie von vielen Forschern vermutet dem Tierreich entstammen. Nur der Weg in die Menschheit wäre ein anderer als der, den der deutsche Virologe Christian Drosten als Möglichkeit in einer im Juni veröffentlichten Folge des Podcasts Coronavirus Update skizziert hat. Aber von vorn.

Sars-CoV-2 entstammt mit hoher Sicherheit den Hufeisennasen

Schon früh, noch im ersten Winter, stand ein Pangolin als mögliche Quelle für die erste Übertragung des Virus auf einen Menschen im Verdacht. Die auch als Schuppentiere bekannten Säugetiere werden in China als seltene Delikatesse gehandelt, wohl auch auf dem Wildmarkt in Wuhan, der als Schauplatz des ersten Superspreading-Events der Pandemie gilt. Zugleich kamen aber auch Vermutungen auf, das Virus könnte aus dem nahen Labor des Instituts für Virologie entkommen und so auf den Wildtiermarkt gelangt sein.

Das Schuppentier gilt inzwischen nicht mehr als wahrscheinlicher Zwischenwirt. Die Laborhypothese hingegen konnte bislang weder abschließend bewiesen noch widerlegt werden. Sicher ist hingegen: Wie schon bei Sars-1 ist auch bei Sars-CoV-2 das am nächsten verwandte Virus wohl im Darm von chinesischen Hufeisennasen-Fledermäusen zu finden. Die Vermutung liegt also nahe, dass das Virus von dort in die Menschheit gelangt ist. Dass das durch einen Fehler eines Forschers oder Labormitarbeiters passiert ist, gilt nach wie vor unter vielen Wissenschaftlern als unwahrscheinlich.

Sars-CoV-2 kann zwischen Menschen und Mardern hin- und herspringen

Das Autorenteam um Spyros Lytras und Wei Xia zeichnet den anderen möglichen Weg nach, nämlich, dass Sars-CoV-2 durch ein anderes Tier, einen Zwischenwirt in die Menschheit gelangt ist. Heißester Kandidat dafür sind Marderhunde, zu denen auch Nerze gehören. Im Podcast hatte schon Christian Drosten diese These erklärt, für die einiges spricht. In der freien Wildbahn sind Nerze, Marder und andere verwandte Raubtiere oft auch in den Fledermaushöhlen auf der Jagd nach Beute. Nerze, Marder und Co. wiederum sind selbst bei Menschen begehrt wegen ihre Felle oder ihres Fleischs. Sie werden deshalb auch auf vielen chinesischen Wildtiermärkten angeboten, und waren auch eine Ware in Wuhan.

Im Herbst vergangenen Jahres zeigte unter anderem das Beispiel Dänemark, dass Sars-CoV-2 praktisch problemlos zwischen Menschen und Nerzen hin- und herspringen kann. In dem skandinavischen Land infizierten damals Mitarbeiter von Nerzfarmen die Tierbestände, die anschließend wiederum andere Mitarbeiter ansteckten. Tausende Tiere mussten daraufhin notgeschlachtet werden.

Mehr Möglichkeiten für Zoonose im Tierhandel als im Labor

In Science stellen die Autoren fest, dass sowohl Gefahr als auch Übertragungsweg seit vielen Jahren bekannt und etabliert sind und fragen sich, warum es dann in den vergangenen 20 Jahren nur zu den zwei Übersprüngen Sars und Sars-CoV-2 gekommen ist. Eine mögliche Besonderheit 2019 war dabei die zeitweilige Knappheit von Schweinefleisch in China, bedingt durch die afrikanische Schweinepest, in deren Folge rund 150 Millionen Zuchttiere in China gekeult wurden. Besonders in den südlichen Provinzen zogen daraufhin die Preise für Schweinefleisch spürbar an, erreichten teilweise mehr als das doppelte Niveau von 2018. Das habe zu einer verstärkten Nachfrage nach Alternativen geführt, unter anderem dem Fleisch geschlachteter Wildtiere, schreiben Lytras, Xia und Kollegen.

Hinzu kommen andere Entwicklungen wie die Etablierung gekühlter Fleischtransporte quer durch China, durch die immer mehr Handel mit Fleisch zahlreicher Tierarten stattfindet oder die beliebte Verwendung von Fledermauskot als Dünger. Insgesamt ergebe sich ein Bild, bei dem "der Ausbruch einer Virusprobe von Sarbecoviren, der Familie von Sars-CoV-2, aus dem Institut für Virologie in Wuhan zwar theoretisch möglich ist, ein solches Szenario im Verhältnis zum Ausmaß der Kontakte zwischen Menschen und übertragungsfähigen Tieren, die im Tierhandel routinemäßig stattfinden, äußerst unwahrscheinlich ist".

Zoonosen weiterhin gewaltige Gefahr für Weiterentwicklung des Virus

Besonders beunruhigend sei der Fund weiterer Verwandter von Sars-CoV-2, etwa in den eingangs erwähnten Schuppentieren, die ebenfalls in der Lage seien, humane Zellen zu infizieren und die teilweise sogar noch effektivere Spike-Proteine besäßen, als das jetzige Pandemie-Virus, schreiben die Autoren. Besonders groß sei die Gefahr, dass Sars-CoV-2 wie im Beispiel Dänemark auch an anderen Stellen der Welt den Sprung in andere Tierspezies schafft, also praktisch die umgekehrte Zoonose. Möglicherweise sei das bereits bei Weißwedelhirschen in den USA passiert. Auf diese Weise könnten rasch zahlreiche neue bedrohliche Virusvarianten entstehen. Für die weitere Entwicklung sei daher extrem wichtig, die Entwicklung von Sarbecoviren deutlich besser zu überwachen, fordern Lytras, Xia und Kollegen.

Quellen

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