Hydrierung Zwei Liter Wasser? Oder liefern Milch und O-Saft mehr Flüssigkeit?
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01. Juli 2023, 06:52 Uhr
Eine Studie sagt: Milch sorgt dafür, dass unser Körper länger mit Flüssigkeit versorgt ist. Und selbst O-Saft soll den Körper ein ganz kleines bisschen besser befeuchten und damit vor Dehydrierung schützen. Milch statt Wasser, mal ein Säftchen – wirklich jetzt? Schauen wir uns das mal an.
- Handelsübliche Getränke enthalten zum großen Teil Wasser – das ist auch bei Milch so
- Wie lange die Flüssigkeit im Körper vor dem Ausscheiden vorgehalten wird, kann gemessen und mit dem BHI angegeben werden
- Bei der Interpretation des BHI ist aber Vorsicht geboten
Wasser zu trinken, ist in diesen wärmegeprägten Wochen wieder schwer in Mode. Also, hoffentlich. Zumindest ist es eine gute Idee, für das vom Körper ausgesonderte Kühlwasser unentwegt Nachschub zu liefern. Und die Deutschen lieben ihr Flaschenwasser, mehr als die meisten anderen Nationen in Europa. Mit fast 168 Litern machen Flaschenwasserhersteller zwischen Westerland und Berchtesgaden ein zünftiges Geschäft, pro Kopf sind es fast eine halbe Literflasche am Tag.
Kohlensäure im Wasser: Andere Länder, andere Vorlieben
In Skandinavien möchte man hingegen keinen Mineralbrunnen betreiben. Schweden kommt auf gerade mal zehn Flaschen – übers ganze Jahr verteilt. Nur die Italienerinnen und Italiener, die stehen noch mehr auf die vorportionierte Hydrierung. Was Deutschland und Italien in dieser Hinsicht unterscheidet, sind die Blubberbläschen. Während drei Viertel des hiesigen Flaschenwassers karbonisiert wurden, sind es bei unseren südlichen Nachbarn nur ein Drittel.
(Auch Sie lieben den Wasserkitzel, garantiert! Jetzt denken Sie sich einfach mal diesen heißen Tag unter gleißender Sonne in der Lieberoser Wüste, es ist die größte Deutschlands. Nachdem Sie sich über Stunden durch die brandenburgische Wildnis gekämpft haben, zischt auf der trockene Kehle nichts erlösender als ein Mineralwasser, mindestens Gehaltsklasse Medium. Das liegt daran, dass die Reizung der Geschmacksknospen auf der Zunge dazu führen kann, den Geschmack des Getränks stärker wahrzunehmen und das Prickeln beim Platzen der Kohlensäurebläschen an der Luft von vielen Menschen als erfrischend wahrgenommen wird. Kommt eben drauf an, ob man in Deutschland oder Italien aufgewachsen ist.)
Welches Getränk versogt uns am besten mit Wasser ohne sofort Harndrang auszulösen?
Diese Statistik, die zufälligerweise vom Europäischen Dachverband für Mineralquellen stammt, sagt natürlich nichts über die Hydrierungsbestrebungen der Deutschen an sich aus. Und auch nichts darüber, welche Flüssigkeiten noch so aufgenommen werden. Und schon gar nicht: Ob Wasser immer die erste Wahl sein sollte. Zugegeben, daran gibt es wenig Zweifel, nicht mal Coca-Cola behauptet etwas Gegenteiliges. Aber möglicherweise Forschende aus Schottland, in einer 2016 veröffentlichten Studie, die mal hier und da aufploppt. Zumindest wenn am Anfang diese Frage steht: Welche Flüssigkeit versorgt unseren Köper am längsten mit Flüssigkeit, ohne sofort durchzurauschen?
Diese Frage könnte zum Beispiel dann praktisch sein, wenn Sie in der Lieberoser Wüste kein WC finden und sich damit schwertun, neben einen Kiefernbusch zu pinkeln. Oder bei einer launigen Busfahrt an die Mosel, sofern Ihnen Reisebustoiletten nicht geheuer sind. Die Forschenden hatten dazu einer Testgruppe verschiedene handelsübliche Getränke verabreicht, neben Wasser etwa Bier, Cola, Kaffee, Orangensaft. Insgesamt wurden 13 häufig konsumierte Getränke auf die Urinausscheidung und Flüssigkeitsbilanz hin untersucht. Das Ergebnis haben die Forschenden im Getränkehydrationsindex ausgedrückt (Beverage Hydration Index, kurz BHI), der das Verhältnis der zurückgehaltenen Wassermenge zu einfachem stillen Wasser beschreibt.
Wasser aus Milch bleibt länger im Körper
Die Forschenden fanden heraus, dass sowohl Voll- als auch Magermilch den Körper länger mit Flüssigkeit versorgen und selbst Orangensaft noch etwas besser als Wasser, wenn auch in vernachlässigungswürdigem Umfang, wenn man den tatsächlichen Wassergehalt berücksichtigt.
Aber Milch als Durstlöscher?
Nun gut, dröseln wir das auf und fragen nach bei Natalie Bäcker, Ernährungswissenschaftlerin an der IU Internationalen Hochschule mit Hauptsitz in Erfurt. "Grund für die bessere Hydratation der Milch kann die in Milch enthaltene Laktose (Milchzucker), sowie das Eiweiß und das Fett sein. Diese Inhaltsstoffe bewirken, dass die Flüssigkeit langsamer aus dem Verdauungstrakt in den Körper transportiert wird", so Bäcker. "Zusätzlich enthält Milch Natrium (Kochsalz), was dazu führt, dass die Flüssigkeit länger im Körper zurückgehalten wird."
Trinken: Elektrolyte machen den Unterschied
Sprich: Die Elektrolyte sind’s. Das erklärt auch, warum neben Milch ORS oben in der Hydrationshitliste steht. ORS steht für orale Rehydrationslösung, auch als WHO-Trinklösung bekannt. Sie enthält nach Rezeptur der Weltgesundheitsorganisation verschiedene Elektrolyte und wird weltweit zur Behandlung von Durchfallerkrankungen eingesetzt.
Milch ist kein Getränk! Milch ist ein Grundnahrungsmittel.
"Daraus kann geschlossen werden, dass Milch als Getränk in Situationen, in denen ein längeres Einhalten gefordert wird, hilfreich sein könnte, da sie länger im Körper verweilt, nachdem sie konsumiert wurde", so Bäcker.
Also am besten eine Pulle H-Milch mitnehmen, beim nächsten Marsch durch die Wüste? Wohl eher nicht. Bäcker verweist auf den Kaloriengehalt, der Magdeburger Ernährungsmediziner Carl Meißner pflichtet ihr bei: "Milch ist kein Getränk! Milch ist ein Grundnahrungsmittel und so zählt Milch aufgrund des hohen Nährstoffgehaltes zu den Nahrungsmitteln und nicht zu Getränken. Wir sollten nicht Essen mit Trinken vergleichen, auch wenn dies hier gemacht wurde." Vielleicht ist das schon die erste Einschränkung mit der die Studie leben muss.
Aber auch der Saft scheint keine Lösung für die Busfahrt an die Mosel: "Eine generelle Empfehlung zu Saft und Milch aus Durstlöscher kann aufgrund des Nährstoff- und Fruchtzuckergehaltes nicht gegeben werden", so Meißner.
Beverage Hydration Index: Verschiedene Getränke liefern unterschiedliche Mengen Flüssigkeit
Die Studie wirkt auch nach Jahren noch solide, da sind sich Natalie Bäcker und Carl Meißner einig – und der BHI ist eine geeignete Maßeinheit, um die Hydrierungsleistung von Flüssigkeiten vergleichbar anzugeben. Das zu zeigen, darum ging es den Forschenden aus Schottland auch in erster Linie. Und nicht darum, Schlüsse auf das allgemeine Trinkverhalten zu ziehen.
Denn die Untersuchung kommt noch mit einer weiteren, sehr entschiedenen Einschränkung einher, darauf verweisen sowohl Bäcker als auch Meißner: Sie basiert nur auf Daten junger, gesunder Männer zwischen 20 und 30. Damit sind keine allgemeinen Aussagen für alle Bevölkerungsgruppen möglich.
Durst löschen: Und welchen Nutzen bringt jetzt Sprudel?
Und dann ist Pipi ja nicht die einzige Variante, Flüssigkeit auszuscheiden. Natalie Bäcker kann entsprechende Messfehler nicht ausschließen: "In der Studie wird nicht diskutiert, wie viel Flüssigkeit durch andere Ausscheidungswege wie das Schwitzen verloren gegangen ist. Da die Studie zwischen Februar und August durchgeführt wurde, kann dies durchaus der Fall sein."
Bleibt nur noch die für Deutsche nicht ganz unentbehrliche Frage: Stillt Sprudel nicht nur vom Gefühl her besser den Durst, sondern hydriert womöglich auch besser? Nein, keinesfalls. Tatsächlich liegt der BHI sogar noch unter dem von stillem Wasser. Aber so minimal, dass das zu vernachlässigen ist. Ach ja, gilt auch für Flaschenwasser.
Links/Studien
Die Studie A randomized trial to assess the potential of different beverages to affect hydration status: development of a beverage hydration index erschien im März 2016 in The American Journal of Clinical Nutrition.
DOI: 10.3945/ajcn.115.114769
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