Vor über 1.500 Jahren Dürre im heutigen Ungarn trieb Attilas Hunnen zum Angriff auf Rom
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19. Dezember 2022, 16:45 Uhr
Weniger die Gier nach Gold als die Suche nach Nahrung und Viehweiden trieb die Hunnen unter ihrem Herrscher Attila im 5. Jahrhundert zum Angriff auf das Römische Reich. Grund dafür war eine schwere Dürre im heutigen Ungarn. Das zumindest ist die These einer neuen Studie auf der Basis rekonstruierter Klimadaten.
Im Jahr 375 fallen zentralasiatische Reitervölker in den Steppen Osteuropas ein. Die als Hunnen bekannten Reiternomaden vernichten das Reich der germanischen Ostgoten auf der Krim und vertreiben die Westgoten über die Donau ins Römische Reich. Damit beginnt jene fast 200 Jahre andauernde europäische Migrationsbewegung, die heute als "Große Völkerwanderung" bekannt ist.
Machtzentrum im heutigen Ungarn
Die Hunnen selbst lassen sich Anfang des 5. Jahrhunderts in der fruchtbaren Ebene der Theiß, dem Hauptnebenfluss der Donau, im heutigen Ungarn nieder. Sie schaffen dort ein Machtzentrum und pflegen Verbindungen zum Ost- und Weströmischen Reich. Abgesehen von gelegentlichen Raubzügen kleinerer Hunnen-Verbände sind die Beziehungen zu den Nachfolgestaaten des Römischen Reiches (seit 395 geteilt) über mehrere Jahre relativ gut. Doch dann kippt die Situation. Unter ihrem neuen Herrscher Attila fallen die Hunnen im Jahr 442 in den oströmischen Provinzen Mösien und Thrakien ein. 447 greifen sie die weströmische Provinz Illyricum an, wobei die Stadt Singidunum (Belgrad) verwüstet wird.
Dürreperioden als Grund für Angriffe
Beutemachen und das Erpressen von Tributzahlungen gilt in der historischen Forschung bis heute als der Haupantrieb für die hunnischen Raubzüge unter Attila. Doch eine neue im Journal of Roman Archaeology erschienene Peer-review-Studie von Wissenschaftlern der University of Cambridge in Großbritannien geht davon aus, dass auch extreme Dürreperioden zwischen 430 und 450 n. Chr. im heutigen Ungarn eine wesentliche Ursache für die Hunnen-Angriffe auf die römischen Teilreiche gewesen sind. Demnach hätte eine schwere Dürre die Lebensweise der hunnischen Bevölkerung in den Donau-Grenzgebieten nachhaltig gestört und zu neuen Überlebensstrategien gezwungen.
Klimadaten anhand von Baumringen
Ein Team um den Studien-Autor und Geografie-Professor Ulf Büntgen von der Uni Cambridge hat die entsprechenden Klimadaten anhand von Baumringen rekonstruiert. Die Daten zeigen, dass Ungarn im 4. und 5. Jahrhundert Episoden mit ungewöhnlich trockenen Sommern erlebte. Nach Ansicht von Büntgen könnten insbesondere die Dürreperioden zwischen 420 und 450 n. Chr. die Ernteerträge und das Weideland jenseits der Überschwemmungsgebiete von Donau und Theiß stark beeinträchtigt haben. "Wir haben festgestellt, dass Dürreperioden, die sich in biochemischen Signalen in den Jahresringen widerspiegeln, mit einer Intensivierung der Raubzüge in der Region zusammenfielen", betont Büntgen.
Isotopenanalysen von Skeletten
Die These wird durch jüngste Isotopenanalysen von Skeletten aus der Region gestützt, an denen auch die Studien-Co-Autorin Dr. Susanne Hakenbeck beteiligt war. Nach Angaben der Archäologin deuten die Analysen darauf hin, dass die hunnischen Völker auf den Klimastress mit Wanderungsbewegungen und einer Mischung aus landwirtschaftlicher und pastoraler Ernährung reagierten. "Wenn die Ressourcenknappheit zu extrem wurde, waren die sesshaften Bevölkerungsgruppen möglicherweise gezwungen, umzuziehen, ihre Subsistenzpraktiken zu diversifizieren und zwischen Ackerbau und mobiler Viehzucht zu wechseln", erklärt Hakenbeck.
Beschaffung von Nahrungsmitteln
Die Studie von Hakenbeck und Büntgen legt nahe, dass die Hunnen-Einfälle von 442 und 447 n. Chr. in den römischen Grenzprovinzen eher in der Beschaffung von Nahrungsmitteln und Vieh als von Gold lagen. Die Autoren vermuten zudem, dass Attila einen - wie aus römischen Quellen hervorgeht - Streifen Land "in der Breite von fünf Tagesreisen" entlang der Donau nur deshalb forderte, weil dieser in Dürrezeiten bessere Weidegründe bot. Dass einige hunnische Völker ihre soziale und politische Organisation damals drastisch änderten und zu gewalttätigen Räubern wurden, bestreitet aber auch die neue Cambridge-Studie nicht. Zudem räumen Hakenbeck und Büntgen ein, dass es noch weiterer konkreter Beweise bedürfe, um ihre Thesen zu bestätigen.
Gallien, Italien und das Ende der Hunnen
Die weiteren Kriegszüge Attilas und seines Hunnen-Heeres - in dem übrigens auch andere Völkerschaften mitmarschierten - sind mit der Suche nach neuen Weidegründen und Ackerland allein nicht zu erklären. 451 fällt der Hunnen-Herrscher im weströmischen Gallien ein, wo er in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern im heutigen Nordosten Frankreichs geschlagen wird. 452 zieht Attila nach Italien und verwüstet mehrere Städte, bevor er sich danach endgültig in die Ungarische Tiefebene zurückzieht. Ein Jahr später stirbt er hier in seiner Hochzeitsnacht an einem Blutsturz. Nach dem Tod ihres großen Anführers verschwinden die Hunnen wieder im Dunkel der Geschichte.
Einige Hunnen sollen später nach Zentralasien zurückgekehrt sein, von wo sich ihre Vorfahren irgendwann ab 360 n. Chr. auf den Weg nach Westen gemacht haben sollen. Einer These zufolge war eine "Megadürre" in den nördlichen Hochebenen Mittelchinas der Grund für den Exodus der Reiternomaden. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.
(dn)
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