Ein Glasfrosch im Bergregenwald Ecuadors. Mit 1.155 verschiedenen Arten beherbergen die Tropischen Anden die bei weitem größte Amphibiendiversität der Welt. 1.088 Arten davon sind Frösche.
Glasfrösche sind Meister der Tarnung. Wenn sie schlafen, werden sie nahezu durchsichtig und verschmelzen dadurch optisch mit dem Hintergrund. Bildrechte: MDR/WDR/Light & Shadow GmbH

Biologie Die Leber als Tarnkappe – so machen sich Glasfrösche "unsichtbar"

28. Dezember 2022, 10:41 Uhr

Erstmals wurde bildlich festgehalten, wie genau sich Glasfrösche nahezu unsichtbar machen. Diese Fähigkeit könnte auch dem Menschen zugutekommen, nicht zur Tarnung, aber bei der Forschung zu Blutgerinnseln.

"Leber an Blutkreislauf, Leber an Blutkreislauf: Alles, was rot ist, zu mir!"
So würde es sich wohl anhören, wenn die Organe eines Glasfroschs sprechen könnten.

Vier Glasfrösche schlafen, gut getarnt, auf einem Blatt.
Ganze vier Glasfrösche schlafen auf der Unterseite dieses Blattes und sind für Fressfeinde optisch kaum als Tiere zu erkennen. Bildrechte: Jesse Delia

Wenn Glasfrösche schlafen, passiert nämlich genau das: fast alle roten Blutkörperchen wandern zur Leber und "verstecken" sich dort. Das ist wie eine Tarnkappe für den Frosch, er wird dann von Fressfeinden normalerweise übersehen. Wie das genau funktioniert, hat nun ein multidisziplinäres Team von Biologen und Biomedizintechnikern in einer Studie gezeigt.

Das "Problem" an den roten Blutkörperchen ist, dass sie grünes Licht absorbieren, also genau die Farbe des Lichts, das normalerweise von Pflanzen und anderen Gewächsen reflektiert wird. Im Gegenzug reflektieren die sauerstoffreichen Zellen rotes Licht, wodurch das Blut und damit auch das gesamte Kreislaufsystem gut sichtbar werden, ganz besonders vor einem hellgrünen Blatt. Und das ist ungünstig für Tiere wie den Glasfrosch. Er ist nachtaktiv, und tagsüber schläft er dann genau auf solchen hellgrünen Blättern.

"Glasfrösche meistern diese Herausforderung, indem sie die roten Blutkörperchen im Wesentlichen vor dem Blick verbergen", sagt Carlos Taboada, Mitautor der Studie von der Duke University. "Sie halten ihr Atmungssystem tagsüber fast ganz still, selbst bei hohen Temperaturen."

"Glücklicher" Schlaf

Ein männlicher Glasfrosch. fotografiert mit Blitzlicht von unten, damit die Transparenz des Körpers besser zu sehen ist
Ein schlafender Glasfrosch, fotografiert mit Blitzlicht von unten, damit die Transparenz des Körpers besser zu sehen ist Bildrechte: Jesse Delia

Die Forscher konzentrierten sich auf eine bestimmte Glasfroschart, Hyalinobatrachium fleischmanni. Sie fanden heraus, dass ruhende Glasfrösche ihre Transparenz um das Zwei- bis Dreifache erhöhen, indem sie fast 90 Prozent ihrer roten Blutkörperchen aus dem Blutkreislauf entfernen und sie in ihre Leber packen, die wiederum reflektierende Guaninkristalle enthält, wodurch kein rotes "Licht" aus der Leber nach außen dringt.
Wenn die Frösche dann aber wieder aktiv werden, bringen sie die roten Blutkörperchen in den Blutkreislauf zurück, was ihnen die Möglichkeit gibt, sich fortzubewegen.

Anfängliches Hauptproblem bei der Erforschung dieses Ablaufs war, dass Glasfrösche keine besonders guten Labortiere sind. "Wenn diese Frösche wach, gestresst oder betäubt sind, ist ihr Blutkreislauf voller roter Blutkörperchen und sie sind dann nicht durchsichtig", erklärt Studienautor Jesse Delia. "Die einzige Möglichkeit, die Transparenz zu untersuchen, besteht darin, die Tiere in einen glücklichen Schlaf zu versetzen, was in einem Forschungslabor schwer zu erreichen ist. Wir haben buchstäblich mit dem 'Kopf gegen die Wand geschlagen', um eine Lösung zu finden."

Photoakustische Mikroskopie

Die Lösung war ein Bildgebungsverfahren, bei dem ein Laserlichtstrahl in das Gewebe geschossen wird, der dann von Molekülen absorbiert und in Ultraschallwellen umgewandelt wird. Diese Schallwellen werden dann verwendet, um detaillierte biomedizinische Bilder der Moleküle zu erstellen. Das Verfahren nennt sich Photoakustische Mikroskopie (kurz PAM), ist leise und nicht invasiv, also perfekt geeignet für die Glasfrösche.

"PAM ist das ideale Werkzeug für die nicht-invasive Bildgebung roter Blutkörperchen, weil man keine Kontrastmittel injizieren muss, was für diese Frösche sehr schwierig wäre", erklärt Junjie Yao, Assistenzprofessor für Biomedizintechnik in Duke. "Die roten Blutkörperchen selbst liefern den Kontrast, da verschiedene Zelltypen unterschiedliche Wellenlängen des Lichts absorbieren und reflektieren. Wir konnten unsere Bildgebungssysteme so optimieren, dass sie speziell nach roten Blutkörperchen suchen und verfolgen, wie viel Sauerstoff im Körper des Frosches zirkuliert."

Die Ergebnisse waren verblüffend eindeutig: Wenn die Frösche schliefen, entfernten sie fast 90 Prozent ihrer zirkulierenden roten Blutkörperchen und lagerten sie in ihrer Leber ein. In weiteren Tests stellte das Team fest, dass rote Blutkörperchen aus der Leber ausflossen und zirkulierten, wenn die Frösche aktiv waren, und sich dann wieder in der Leber ansammelten, während sich die Frösche erholten. Mit Narkose-Schlaf hätte man das Ganze aber nicht beobachten können, es musste schon der oben erwähnte "glückliche" Schlaf sein.

Markierte rote Blutkörperchen in einem Glasfrosch, während er schläft (links) und unter Narkose steht (rechts). Unter Narkose kann der Frosch das Hämoglobin nicht gezielt zur Leber bringen, und es befindet sich im gesamten Blutkreislauf.
Markierte rote Blutkörperchen in einem Glasfrosch, während er natürlich schläft (links) und unter Narkose steht (rechts). Unter Narkose kann der Frosch das Hämoglobin nicht gezielt zur Leber bringen, und es befindet sich im gesamten Blutkreislauf. Bildrechte: Junjie Yao, Duke University

(Keine) Blutgerinnselgefahr

Die Erkenntnisse der Studie könnten nun wiederum neue Forschungsarbeiten in Gang bringen. Denn bislang ist unerklärlich, wie es die Glasfrösche schaffen, so viele rote Blutkörperchen auf einmal in die Leber und wieder heraus zu bringen, ohne dass sich Blutgerinnsel bilden oder Gewebe beschädigt wird.

Ein mögliches nächstes Forschungsziel könnte deshalb sein, diesen Mechanismus zu untersuchen und herauszufinden, wie er vielleicht eines Tages bei der Behandlung von menschlichen Gefäßerkrankungen helfen könnte.

(rr)

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