Studie Fett und Scham gehen Hand in Hand: bei Frauen
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31. Dezember 2021, 05:00 Uhr
Auf die Gans zu Weihnachten und Keks-Exzesse zwischen den Jahren folgen zum Neujahr Scham und gute Vorsätze. Eine Studie, die Scham über Fett, Aussehen und Gewicht untersucht hat, sagt: Lasst uns anders drüber reden!
Zwischen den Jahren, wenn es draußen stürmt oder schneit, die Weihnachtskekse alle sind, von der Gans noch das Schmalz im Kühlschrank, schauen wir ja gern zurück, in den Sommer.
Und erinnern uns an Sonne, Strand, Meer. Da, wo Männer im fortgeschrittenen Alter und Badehose unbeschwert schwappende Bäuche und hängende Brüste am Strand spazieren führen. Da wo Frauen Bauch und Brüste in Badeanzüge pressen. Mein Bauch ist auch käseweiß und weich, Bauchnabelabwärts abgerundet von einer, wie ich von der Gynäkologin weiß, "Fettschürze". Blödes Wort, kein Wunder, dass ich das Teil nicht mag und ihm die Sonne nicht gönne. Die "Schürze" ist Souvenir und Andenken zugleich an mehrere Schwangerschaften: ein leeres Baby-Nest, gedehnte Haut, das junge Leben umhüllte und schützte. Eigentlich ein famoses Teil. Aber irgendwie auch nur ein gebeutelter Bauch, der über der Bikinihose wippen würde, ließe ich ihm denn die Freiheit. Als Mann würde ich das Zeugnis der heldenhaft gewonnenen Kämpfe um mein Leben und das meiner Kinder vermutlich stolz von der Sonne wärmen lassen. Als Frau stecke ich den vom Leben gezeichneten Bauch in einen atemraubenden Badeanzug, schütze ihn vor Sonne, vor Blicken, meiner gelernten Scham: olle Fettschürze. Die mir regelmäßig über den Bauch rollende Blicke bescherte und regelmäßig die Fragen aller Fragen, na, ist wohl wieder was unterwegs, haha.
Was Fettscham mit uns anstellt
Ein Phänomen, das offenbar einen Namen hat, und sogar wissenschaftich untersucht wurde. Fettscham. Eine US-Studie hat sie jetzt belegt und beleuchtet und festgetellt: Frauen sind anfälliger für die Verinnerlichung negativer Botschaften über ihr Gewicht als Männer. Studienleiterin Natalie Keirns von der Oklahoma State University sagt: "Manche Leute, die mit ihrem Gewicht kämpfen, werten sich aufgrund fremder Kommentare zu ihrem Gewicht ab, zum Beispiel, dass sie unattraktiv, zügellos oder willensschwach seien. Hat man diese Botschaften und die Scham darüber verinnerlicht, geht der Frust weiter, kann das anfällig für Gewichtszunahmen machen." Je stärker das Gewichtsstigma verinnerlicht ist, desto höher der Bauchfettanteil. Und zwar nur bei Frauen, zeigt die Forschungsarbeit. Obwohl die teilnehmenden Männer in der Studie mehr Bauchfett hatten als Frauen, ließ sich der Effekt bei Männern nicht nachweisen.
Man kann streng an sich runter gucken – muss es aber nicht
Und es kommt noch dicker: Frauen, die Gewichtsvorurteile stark verinnerlicht haben, bei denen ist es wahrscheinlicher, dass sie noch mehr viszerales Fett in der Bauchregion ansammeln. Studienleiterin Keirns sagt: "Obwohl Männer im Durchschnitt mehr von diesem schädlichen Fett haben als Frauen, konnten wir nicht denselben Zusammenhang mit der psychologischen, sozialen Stigmatisierung feststellen. Auf Frauen scheint sich die Art und Weise, wie wir unseren Körper sehen und wie andere unseren Körper beurteilen, negativ auszuwirken."
Eine Frage der Bauchbetrachtung
Das negative Selbstbild wirkt sich bei Frauen also offenbar stärker auf ihre Gesundheit aus als bei Männern, sagt die Forscherin und fordert: Die Kommunikation von Medizinpersonal und Patienten muss sich ändern. Statt über Gewichtsverlust sollten wir über Gesundheitsgewinn reden. Vielleicht so: Fühlt sich gut an, mit ein, zwei, drei Kilo weniger, wenn man Treppen steigt, oder im Sommer am Strand nach einem Frisbee hechtet. Oder wie angenehm die Sonne auf dem Bauch zu spüren, und sich dabei stolz an die siegreichen Schlachten im Kreiß- oder OP-Saal zu erinnern, statt das weiche Schwangerschaftssouvenir schamhaft zu verstecken.
Dann kann man auch im Winter nach Gans und Keks entspannt auf der Waage zu stehen, ohne reflexartig den Bauch einzuziehen. Und einfach mal daran denken, dass das Fett in der Bauchhöhle nützlich ist. Darauf weist zum Beispiel die Krankenkasse BARMER auf ihrer Homepage hin. Dort heißt es: "Viszerales Fett schützt und stützt die Organe. In Notzeiten verwandelt der Körper es sofort in Zucker – und stellt es den Zellen als Kraftstoff zur Verfügung." Und was wir auch nicht vergessen sollten: Den flachen Bauch verhindern manchmal auch die genetischen Anlagen. Allergien, die für einen Blähbauch sorgen, hormonelle Veränderungen oder Schilddrüsenerkrankungen.
Link zur Studie
Die Untersuchung wurde erstmals im November 2021 auf der "American Heart Association Scientific Sessions 2021" präsentiert. Hier können Sie die wichtigsten Aussagen nachlesen.