Artenschutz Ausgehamstert: Dem Feldhamster droht das Aussterben
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28. April 2021, 20:10 Uhr
Er ist klein und kommt nur abends aus seinem Bau. Kein Wunder, dass wir ihn kaum sehen. Aber in drei Jahrzehnten sehen wir ihn gar nicht mehr, warnen Naturschützer, denn der Mensch gräbt dem Hamster den Lebensraum ab. Citizen Science-Projekte versuchen herauszufinden, wo überhaupt noch Hamster hausen.
Wann haben Sie zuletzt einen Hamster in freier Wildbahn gesehen? Oder man könnte auch gleich fragen: Wo leben Hamster überhaupt, außer im Kinderzimmer? Wobei man da fein unterscheiden muss: Der Goldhamster Mesocricetus auratus, der in vielen Kinderzimmern "heimisch" ist, stammt ursprünglich aus Syrien und hat nichts zu tun mit dem Feldhamster Cricetus cricetus, der sich auf unseren Feldern herumtreiben sollte.
Ursprünglich war er mal vom Elsass bis nach Sibirien auf den Feldern heimisch. Was aber immer seltener der Fall ist, so dass er jetzt auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere steht, wie die Weltnaturschutzunion IUCN mitteilte. Wird er nicht besser geschützt, stirbt er in den nächsten dreißig Jahren aus, warnt die Organisation jetzt. Die Deutsche Wildtierstiftung sieht bedenklichen Zustand noch krasser – in Deutschland könnte der Feldhamster schon in in zehn bis 15 Jahren Geschichte sein.
Menschen, die sich beruflich direkt mit Naturschutz beschäftigen, vermuten allerlei als Grund für das Hamstersterben: Monokulturen in der Landwirtschaft, Einsatz von Pestiziden, künstliche Lichtquellen und frühere Mähzeiten dank des Klimawandels. Das stört die innere Uhr der Hamstern und führt zu veränderten Reproduktionsmustern. 1954 waren es noch neun Junge pro Wurf, seit 2015 nur noch 3,4.
Was macht dem Feldhamster das Leben so madig?
Sein Lebensraum hat sich in den vergangenen sechzig Jahren stark verändert, wenn man sich den Wandel in der Landwirtschaft mit ihren gewaltigen Monokultur-Feldern anschaut: in Thüringen zum Beispiel gibt es intensiv beackerte Monokultur-Landwirtschaftsflächen, so groß wie 140 Fußballfelder. Dadurch finden die kleinen Nager kaum noch Nahrung und schützende Pflanzen fehlen ihnen auch. Dabei braucht der Hamster nach wie vor Flächen mit Lehm und Lössauflagerungen: Die sind einerseits sehr nahrungsreich, und andererseits für den kleinen Nager leicht zu "beackern".
Sprich, hier kann er leicht Höhlen und Gänge bauen: Höhlen für den Winter und Höhlen für den Sommer. Die für den Winter können bis 1,20 Meter tief sein, so ist der Hamster vor Bodenfrost geschützt, nachdem er im Herbst seine Vorratskammern gut gefüllt und den Bau mit Erde abgedichtet hat. So ist er einerseits vor Bodenfrost, andererseits vor Eindringlingen geschützt. Nicht umsonst heißt der Feldhamster auch "Architekt der Landwirtschaft". Er gräbt – zum Leidwesen der Bauern – gewaltige Tunnelsysteme, wobei er durch sein Graben den Boden lüftet und die Erdschichten mischt. Beliebt ist er dagegen bei Eulen, Wieseln und Greifvögeln und damit ein wichtiges Teil anderer natürlicher Nahrungsketten. Er selbst ist fast ein Vegetarier und frisst Samen, Pflanzen, Wurzeln, aber auch Insekten.
Allerdings gibt es auch Projekte, die den Hamstern Lebensraum schaffen. Blühflächen, die kaum gemäht werden, bieten den Hamstern Lebensraum. Allein das nützt nicht viel, wenn die Siedlungsgebiete wie Inseln angelegt sind und nicht miteinander verbunden sind. So vereinzeln Populationen und der genetische Austausch fehlt. Die Folge sind Populationen, die durch Inzucht immer schwächer werden. Aber dazu muss man erst auch einmal wissen, wo sie denn noch da sind.
Betreutes hamstern dank Citizen Science
Ein Citizen Science-Projekt erstellt einen Feldhamster-Atlas in Deutschland und lädt in verschiedenen Regionen zur Feldhamster-Suche ein. Allein 2019 hatten 200 Freiwillige Felder nach Hamsterbauten abgesucht. Und melden kann man Funde immer noch – und zwar hier. Und wer in Sachsen-Anhalt oder in Thüringen Lust hat, betreut "hamstern" zu gehen, meldet sich direkt bei der Regionalkoordinatorin der Wildtierstiftung in Sachsen-Anhalt oder beim Landschaftspflegeverband Mittelthüringen.
Wie erkennt man eigentlich einen Hamsterbau? An einem kreisrunden Loch, mit einer steilen Fallröhre, etwa fünf bis acht Zentimeter im Durchmesser. Nach der Winterruhe öffnen die Hamster nämlich ihre Bauten und knabbern ringsherum den Bereich um den Bau wieder frei.
Weiß man erst mal, wo der Hamster noch lebt, kann man ihn gezielter schützen. Wer jetzt sagt, Donnerwetter, das kann ja keiner ahnen, dass es den kleinen Dingern so schlecht geht, der kann sich mit einem ganz simplen Grund trösten: Die Feldbewohner sind wie ihre "Kinderzimmer-Kollegen" nachtaktiv, verbringen den Tag in ihren Höhlensystemen und kommen erst zur Dämmerung aus ihren Löchern.