Weltraumgestützte Solarenergie Solaranlagen im Weltall sollen Europa Energie liefern
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30. August 2022, 11:07 Uhr
An der Solarenergie wird oft bemängelt, dass sie nachts keine Energie produzieren kann. Anders im Weltraum, hier "scheint" die Sonne 24 Stunden am Stück. Solarkraftwerke im Weltall könnten das ändern. Die Europäische Raumfahrtagentur Esa schlägt genau das mit dem Projekt Solaris ihren Mitgliedsländern vor. Und jetzt stellen auch Machbarkeitsstudien fest: Das ist zwar teuer, aber möglich. Andere Länder wie China, die USA oder Großbritannien sind sogar schon weiter.
Die Sonne sorgt für Unmengen von Energie. Doch unten auf der Erde kommt nur ein Bruchteil davon an. Außerdem können Solaranlagen auf dem Erdboden nur tagsüber Strom produzieren. Doch um die Energiewende zu schaffen und bis 2050 keine Treibhausgase mehr auszustoßen, bei ansteigendem Strombedarf, braucht es deutlich mehr Erneuerbare Energie. Und die soll laut Esa aus dem Weltall kommen. Deshalb will die Raumfahrtagentur ihren Mitgliedern das Programm Solaris vorschlagen – ein Programm für weltraumgestützte Solarenergie. Es soll diese Art der Energiegewinnung mit Forschung und neu entwickelter Technologie für Europa verfügbar machen.
Zwei Analysen belegen Machbarkeit
Die Idee klingt ein bisschen abwegig – eher nach Science-Fiction-Film als nach einer ernsthaften Lösung für das Energie-Problem. Doch die Esa hat zwei Beratungsunternehmen damit beauftragt, zu prüfen, ob die Weltall-Solaranlagen überhaupt machbar wären. Das Ergebnis: Die Technologie hätte großes Potential. Das Unternehmen Frazer-Nash etwa kommt zu dem Ergebnis, dass so ab 2050 jährlich 800 Terawattstunden saubere Energie gewonnen werden könnten. Das wäre in etwa ein Drittel der Stromerzeugung der Europäischen Union im Jahr 2020.
Die Idee hinter der Weltall-Solaranlage: Satelliten mit riesigen Solarpanelen werden im Orbit positioniert. Die erzeugen Strom, der anschließend etwa über hochfrequente Funkwellen kontaktlos auf die Erde übertragen wird, wo diese von großen Empfänger-Antennen aufgefangen und in Form von Strom ins Netz abgegeben werden. Damit stünde auch rund um die Uhr eine sogenannte Grundlastenergie zur Verfügung. In den vergangenen Jahren sind außerdem ultraleichte Solarzellen entwickelt worden, die als Schlüsseltechnologie für die drahtlose Energieübertragung aus dem All gelten. Und auch die Fortschritt in der Weltraumrobotik sorgen dafür, dass die Solaranlagen im Weltall von Fachleuten inzwischen als umsetzbar angesehen werden. In den aktuellen Studien heißt es ebenfalls, dass die grundlegenden technischen Fragen bereits geklärt seien. Aber dann sind da ja noch die Faktoren Aufwand, Kosten und Risiken.
Das Team hinter der Frazer-Nash-Analyse skizziert, dass die weltraumgestützte Solarenergie die fossilen Energieträger und teils auch die Kernenergie aus dem europäischen Energiemix verdrängen könnte. Mit 20 solcher Satelliten könne Europa seine Abhängigkeit vom Ausland komplett beenden. Die finanziellen Vorteile beziffert Frazer-Nash mit 601 Milliarden Euro bis 2070 gegen Kosten von 418 Milliarden Euro. Die Solaranlagen, die im Rahmen des Solaris-Projekts angedacht werden, sollen ein bis zwei Gigawatt Strom produzieren. Das entspricht in etwa der Leistung eines Kernkraftwerks auf der Erde. Doch dazu wären Solarpanele auf einer Fläche von 15 Quadratkilometern nötig. Das entspricht laut Esa der Größe von 200 Fußballfeldern. Allein die Ausmaße des Projekts sind also eine Herausforderung. Und dann gibt es ja auch noch Weltraumschrott, der die Solar-Riesen beschädigen könnte.
Wiederverwendbare Schwerlastrakete nötig
Die Solaris-Anlagen wären geradezu riesig – um Größenordnungen größer als die Internationale Raumstation ISS. Um sie ins All zu bringen, wo Roboter sie aus Einzelteilen zusammensetzen müssten, brauche es eine wiederverwendbare Schwerlastrakete – also eine Rakete, wie sie SpaceX aus den USA mit dem Starship entwickelt. Für den Aufbau der Solaranlagen müsste die mehr als einmal pro Woche starten. Die Esa verfügt derzeit aber noch über keine vollständig wiederverwendbaren Raketen.
Ein Problem sieht die Analyse dagegen in den Platzverhältnissen am Boden, passende Standorte dürften nicht leicht zu finden sein. Denn eine Bodenstation, zu der der Strom übertragen werden kann, müsse jeweils etwa 70 Quadratkilometer groß sein. Doch eine Doppelnutzung der Fläche etwa mit der Landwirtschaft sei möglich, so die Fachleute. Der Umsetzung stünden jedoch momentan die Skepsis der Entscheider sowie die hohen Kosten im Vorfeld entgegen, heißt es in der Machbarkeitsstudie aus dem Haus Roland Berger. Hier betonen die Fachleute, dass der Aufbau teuer und riskant sei – und frühestens 2035 beginnen könne. Die offene Frage ist jedoch, ob die Esa-Mitgliedsstaaten so ein teures Projekt mittragen wollen. Das soll im November auf einem Ministertreffen diskutiert werden.
Auch andere Länder wollen Solarkraftwerke im All
Die Idee, die Sonnenenergie direkt im All einzufangen und dann kabellos zum Erdboden zu übertragen, ist nicht neu, gewinnt aber mit der technischen Entwicklung an Relevanz. In anderen Ländern wird das Konzept schon seit Jahren erforscht, unter anderem etwa in den USA an der renommierten Caltech, in Großbritannien, China, Japan Australien oder Südkorea. Das US-Forschungsteam will sogar bald einen Prototypen eines entsprechenden Satelliten im Weltall testen und Forschenden ist es auch bereits gelungen, Strom über eine Entfernung von mehreren Kilometer drahtlos zu übertragen – aber bis ins Weltall reicht das natürlich noch längst nicht. Die britische Regierung hat erst im Frühjahr dieses Jahres angekündigt, 16 Milliarden britische Pfund, – umgerechnet knapp 19 Milliarden Euro – in eine Solarstation im Weltall investieren zu wollen.
Links
Die zwei Machbarkeitsanalysen finden sie hier auf der Website der ESA - auch als Zusammenfassungen in deutscher Sprache.
(kie)
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