Solarenergie Transparente Solarzellen: Wenn die Fenster Strom erzeugen
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21. August 2023, 11:42 Uhr
Es klingt wie Science Fiction, ist aber tatsächlich längst möglich: Mit Fenstern lässt sich Energie produzieren. Möglich machen das transparente Solarzellen. Und die sind keine Zukunftsmusik, sondern teilweise bereits marktreif. Die Fachleute sind sich allerdings uneinig darüber, ob Solar-Fenster tatsächlich einen bedeutsamen Beitrag zur Energiewende leisten können.
Ob riesige Glasfassaden an Bürogebäuden, futuristische öffentliche Gebäude oder Bahnhöfe: Die moderne Architektur liebt den Baustoff Glas. Und auch jedes ältere Gebäude hat natürlich Glasfenster. Da ist also viel Potential vorhanden: Diese Flächen könnten doch alle Solarenergie erzeugen, um beispielsweise komplette Hausfassaden zur Energiegewinnung nutzen zu können, so die Idee. Mit den herkömmlichen schwarzen oder blauen Solarmodulen geht das natürlich nicht. Es braucht also transparente Solarmodule – damit das Licht weiter ins Innere der Gebäude fällt und man durch die Fenster auch hinausschauen kann.
Solarzellen für unsichtbares Licht
Weltweit gibt es mehrere Technologien für die transparenten Solarzellen. Doch die Projekte, die mit am frühesten für Aufsehen gesorgt haben, waren die Entwicklungen der Michigan State University und der Universität Leipzig. Zwar gab es schon vorher Versuche, Solarpanels transparent zu bekommen, aber wirklich durchsichtig waren sie nicht.
An der Universität Leipzig hat die Forschungsgruppe von Physik-Professor Marius Grundmann im Jahr 2016 eine transparente Solarzelle vorgestellt. Die besteht nicht wie herkömmliche Solarzellen aus Silizium, sondern aus vergleichsweise preisgünstigen Nickel- und Zinkoxiden. Diese Metalloxide werden hauchdünn auf das transparente Trägermaterial aufgetragen. Damit sie Sonnenlicht in Energie umwandeln können, war es notwendig, die Metalloxide so einzustellen, dass sie leitfähig sind. Die Leipziger Forschenden waren die ersten, denen das gelungen ist.
Doch der größte Unterschied zur herkömmlichen Solarzelle ist bei der Leipziger Entwicklung – wie auch bei den meisten anderen komplett transparenten Solarzellen –, dass die Solarzellen nur einen Teil des Lichtspektrums auffangen: die ultraviolette Strahlung. Die Anteile, die klassische Solarpanels aufnehmen, lassen die Solar-Fenster ungenutzt durch. Tests zeigten, dass die Leipziger Solarzelle etwas mehr als vier Prozent des ultravioletten Lichts in Energie umwandeln kann. Diesen Wirkungsgrad wollte das Team eigentlich noch steigern, um die transparente Solarzelle attraktiv für größere Anwendungen zu machen. Daraus ist jedoch bisher nichts geworden, teilt Physik-Professor Grundmann auf Nachfrage mit: "In Deutschland hat sich niemand gefunden, der unser Konzept industriell umsetzen wollte." Grund sei die konstruktionsbedingte geringe Energieausbeute gewesen.
Aus der Uni auf den Markt
Die Konkurrenz aus den USA war da deutlich erfolgreicher. Aus dem Projekt der Michigan State University und des renommierten MIT ist mittlerweile das Silicon Valley-Startup ubiquitous Energy hervorgegangen, dass das Solar-Fenster tatsächlich auf den Massenmarkt bringen soll. Anfang vergangenen Jahres haben sie nach eigenen Angaben die erste größere Fensterfläche von 100 Quadratmetern installiert – an ihrem eigenen Firmengebäude. Die gewonnene Energie reiche aus für die Beleuchtung des Konferenzraums, heißt es in einer Mitteilung.
Auch die US-Amerikaner nutzen den für das menschliche Auge unsichtbaren Teil des Lichtspektrums. Aufgefangen wird der von einer Beschichtung aus organischen Salzmolekülen. "Wir können diese Materialien abstimmen, um nur die ultravioletten und die infrarotnahen Wellenlängen aufzunehmen", erläutert Richard Lunt, Professor für chemische Verfahren und Materialwissenschaften an der Michigan State University und Mitgründer des Start-Ups. Dieses Licht werde dann an den Rand der organischen Schicht geleitet und dort in schmalen Solarzellen-Streifen in Strom umgewandelt. Das Unternehmen verspricht einen Wirkungsgrad von bis zu 10 Prozent. Fachleute schätzen, dass das auch dem maximal Möglichen bei der Massenproduktion von Solar-Fenstern entsprechen dürfte.
An der Michigan State University wurde und wird indes weiter an transparenten Solarzellen auf Basis organischer Beschichtungen gearbeitet. Unter anderem ist es den Forschenden gelungen, geringe Farbstiche zu entfernen und die Effektivität der Technologie deutlich zu verbessern, heißt es etwa in einer Publikation aus dem September vergangenen Jahres.
Südkorea holt auf
Die jüngste Neuentwicklung in Sachen Solar-Fenster kommt aber nicht aus den USA, sondern aus Südkorea. Auch dort ist das Interesse daran groß, Solarenergie nicht nur mithilfe von Solarzellen auf Dächern und in abgelegenen Solarparks einzufangen, sondern transparente Solarzellen in Gebäude und Alltagsgegenstände zu integrieren.
Ein südkoreanisches Forschungsteam um Professor Joondong Kim vom Institut für Elektrotechnik der Incheon National University entwickelte nun eine neue Art transparente Solarzelle. Wie sie in ihrer Publikation schreiben, basiert diese Technologie auf Halbleitern – also ausgerechnet den Materialien, die die herkömmliche Solarzelle undurchsichtig machen. Deshalb waren sie auf der Suche nach Alternativen und sind fündig geworden: Sie nutzen Titanoxid und Nickeloxid.
Das Titanoxid ist bereits bekannt in der Herstellung von Solarzellen und ist ein umweltfreundliches und ungiftiges Material, schreiben die Forschenden. Es absorbiert UV-Licht und lässt den größten Teil des anderen Lichts passieren. Nickeloxid dagegen eigne sich besonders zur Herstellung umweltfreundlicher, transparenter Zellen. Für ihre Solarzelle haben die Forschenden ein Glassubstrat mit den beiden Halbleitern beschichtet. Das Ergebnis war der Publikation ein Wirkungsgrad von 2,1 Prozent. Das klingt weniger effektiv als bei anderen Ansätzen, aber die Solarzelle habe auch bei schlechten Lichtverhältnissen gut funktioniert. Deshalb arbeitet das Team daran, die Effizienz ihres Produkts nun zu verbessern.
Ein Forschungsteam vom Ulsan National Institute of Science and Technology in Südkorea ist da mit seinem Ansatz deutlich effizienter. Ihnen ist es gelungen, aus Silizium-Solarzellen transparente zu machen, ohne deren Wirkungsgrad abzuschwächen. Dazu haben sie zahlreiche Löcher mit einem Durchmesser von rund 100 Mikrometern in die Solarzellen gestanzt. Das sei vergleichbar mit dem Durchmesser eines menschlichen Haares. Ihre Entwicklung ist im Fachmagazin Joule publiziert worden. Der Trick ist hier: Die Löcher werden so angeordnet, dass das Muster für das menschliche Auge nicht zu sehen ist – eine optische Täuschung sozusagen. Damit lösen die Forschenden noch ein weiteres Problem, schreiben sie: Transparente Solarzellen hätten häufig einen rötlichen Farbstich. Die löchrigen Silizium-Zellen jedoch würden das Licht ohne jede Verfärbung durchlassen. Und auch der Wirkungsgrad ist erstaunlich hoch: Der liegt den Forschenden zufolge bei 12,2 Prozent.
Meine Teammitglieder kamen zu dem Schluss, dass kristallines Silizium das beste Material ist, um die glasartige, hocheffiziente, hochstabile und farblose Solarzelle zu entwickeln.
Die transparenten Solarzellen der Südkoreaner sind also im Prinzip zerstanzte herkömmliche Solar-Panels. Da die eigentlich nicht durchsichtig sind, sei einfach vor ihnen noch nie jemand auf die Idee gekommen, den Ansatz auszuprobieren, schlussfolgern sie. Ist das womöglich der Schlüssel zum effizienten Solar-Fenster? Das Forschungsteam hat jedenfalls Hoffnung: Auch der Herstellungsprozess sei ähnlich wie bei herkömmlichen Solarzellen in der Industrie. Deshalb wollen sie ihre transparente Zelle nun vergrößern und den Wirkungsgrad auf 15 Prozent steigern.
Die flexible Folie – einfach aufkleben
Am einfachsten wäre es natürlich, wenn man für das Solar-Fenster gar nicht das ganze Fenster austauschen müsste. Sind da womöglich Solar-Folien, die sich einfach aufkleben lassen, die Lösung? Ein Vorreiter in dieser Technologie ist das Dresdner Unternehmen Heliatek. Anfang dieses Jahres bringt das Unternehmen nach jahrelanger Entwicklungsarbeit seine ersten organischen Solarfolien auf den Markt. Die werden allerdings noch nicht transparent sein, erläutert Stephan Kube. Generell sei es aber möglich, die Folien auch transparent herzustellen.
Die "HeliaSol"-Folie solle jetzt allerdings möglichst effizient sein und ist deshalb noch nicht lichtdurchlässig, teilt das Unternehmen mit. Dabei handle es sich um eine gebrauchsfertige Solarfolie, mit einem integrierten Kleber und allen benötigten Anschlüssen. Diese Folie kann dann auf zahlreichen Untergründen angebracht werden – auch auf Glas, so Kube. Sie sei also erst einmal weniger für Fenster, aber durchaus für Glaselemente wie Verblendungen oder Vordächer geeignet.
In Zukunft plant das Unternehmen, auch transparente Produkte herauszubringen. Wann genau, ist aber noch unklar. Der Wirkungsgrad der Solarfolien liegt dem Unternehmen zufolge bei acht Prozent – soll aber in den kommenden Jahren noch weiter gesteigert werden. Der große Vorteil der Folien ist jedoch eher ihr sehr geringes Gewicht und die Flexibilität, sodass sie sich auch an Gebäuden einsetzen lassen, für die normale Solarpanels zu schwer sind oder auch vertikal an Fassaden.
Die Masse macht's
Aber sind Solar-Fenster wirklich sinnvoll, um damit die Herausforderungen der Energiewende zu meistern? Da sind die Fachleute eher geteilter Meinung.
Da wäre zum einen die Effizienz der transparenten Solarzellen: Die ist mit bis zu zehn Prozent deutlich unter der, der herkömmlichen Solarzelle mit einem Wirkungsgrad von etwa 20 Prozent. Und so schlussfolgert etwa Prof. Marius Grundmann von der Universität Leipzig in einem Podcast: "Insgesamt für die Energiewende ist es doch günstiger, die konventionelle Solarzelle zu nehmen." Für ihn ist es eher eine Spezialanwendung. Beispielsweise könnte es auf dem Glas einer Uhr für die benötigte Energie sorgen.
Forschende aus Michigan dürften ihm da widersprechen. Kein Wunder, immerhin hat man an der dortigen Universität auch an der Idee festgehalten. Hier setzt man jedenfalls auf Masse. Ob das klappen könnte, haben Forschende auch näher untersucht und ihre Ergebnisse im Fachmagazin Nature Energy publiziert. Sie sehen die transparenten Solarzellen als sinnvolle Ergänzung zu herkömmlichen. Der Analyse zufolge gibt es in den USA schätzungsweise bis zu sieben Milliarden Quadratmeter Glasoberflächen an Gebäuden. Wäre das alles Solar-Glas könnten damit 40 Prozent des Energiebedarfs der USA gedeckt werden, so die Berechnungen des Forschungsteams. Das entspräche etwa dem Potential der Solaranlagen auf dem Dach.
Der Einsatz beider Technologien könnte uns nahezu 100 Prozent unseres Bedarfs bringen, wenn wir auch die Energiespeicherung verbessern.
Allerdings weist Stepan Kube von Heliatek noch auf viel weniger hypothetische Probleme hin, die den wirtschaftlichen Erfolg des Solar-Fensters erschweren dürften. "Solange transparente Lösungen noch nicht leistungsfähig genug sind, machen sie in vielen Fällen ökonomisch noch wenig Sinn." Außerdem ist ein Fenster ein eigentlich eher mechanisches Produkt, erklärt Kube. Integriert man jetzt aber eine Solarlösung, hat es plötzlich eine zusätzliche elektrische Eigenschaft. "Das macht es nicht nur in der Entwicklung deutlich herausfordernder, sondern hat auch Auswirkungen auf die Zulassung und Anwendung von Produkten." Das schrecke derzeit noch viele Fensterhersteller davon ab, Solar-Fenster zu entwickeln und tatsächlich auf den Markt zu bringen.
(kie)
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