Energiewende Neue Studie aus Jena: Das Potenzial und die Grenzen der Windkraft
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01. August 2023, 11:50 Uhr
Wie viel Energie kann weltweit durch Windkraft erzeugt werden? Laut einer neuen Studie des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena weitaus mehr, als die Menschheit bis zur Jahrhundertmitte verbrauchen kann. Doch es gibt Grenzen – die der Physik und die der Realität. Warum diese Ergebnisse für die Zukunft von Windparks und die Energiewende trotzdem wichtig sind, erfahren Sie hier.
Der Klimawandel ist die größte Existenzbedrohung unserer Zeit und für nachfolgende Generationen. Wird der Prozess nicht verlangsamt oder gar aufgehalten, hat das verheerende Auswirkungen und zwar nicht nur für die Menschheit, sondern für alle Lebewesen auf diesem Planeten. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, ist die Umstellung der Energieversorgung der Menschheit auf erneuerbare Energien, also Energien aus Erdwärme, Biomasse, Wasserkraft, Solarenergie und Windkraft, unerlässlich. Und natürlich ist sie auch nötig, weil fossile Energieträger nicht nur klimaschädlich, sondern eben auch endlich sind. Die Umstellung auf erneuerbare Energien hat bereits begonnen. Doch stellt sich immer wieder die Frage, ob dadurch genug Energie produziert werden kann, um die stetig wachsende Weltbevölkerung sicher zu versorgen.
Die Stromausbeute aus Wind hat physikalische Grenzen
In einer neuen Studie hat Dr. Axel Kleidon vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena untersucht, wie viel Windenergie sich theoretisch weltweit gewinnen lässt. Dafür hat er einen Ansatz des Mathematikers und Meteorologen Edward N. Lorenz aus den 1950er- und 1960er-Jahren aufgegriffen. Dieser hatte erstmals die Effektivität der "Wärmekraftmaschine" Atmosphäre berechnet. Die Erdatmosphäre besitzt die Fähigkeit aus den Temperaturunterschieden durch unterschiedliche Sonneneinstrahlung Bewegungsenergie, sprich Wind zu erzeugen. Mit Hilfe dieses Modells und Satellitendaten kommt Kleidon zu dem Ergebnis, dass in der Atmosphäre theoretisch zwei Watt Energie pro Quadratmeter erzeugt werden. Doch diese zwei Watt Windenergie sind nicht das, was bei uns ankommt. Kleidon hat anschließend errechnet, wie viel kinetische Energie theoretisch global durch Windkraftanlagen aus der Luft entzogen werden kann. Das Ergebnis: 0,5 Watt pro Quadratmeter. Das klingt wenig. Bezogen auf die Gesamtfläche ist es aber eine ganze Menge Energie, nämlich 250 Terawatt.
Das ist ein Mehrfaches der ungefähr 30 Terawatt, die für Mitte des Jahrhunderts an totalem Energiebedarf – also nicht nur Strom – der Menschheit prognostiziert werden. Zum Vergleich: Die derzeit weltweit installierte Windkraftleistung liegt bei gut 0,7 Terrawatt. Das heißt, da ist noch sehr viel Luft nach oben.
Diese Zahl gilt aber nur, wenn die gesamte Erdoberfläche mit Windparks bedeckt wäre. Das ist natürlich nicht möglich, doch genug Platz für einen Ausbau der Windparks gibt es trotzdem und das könnte ziemlich viel Energie liefern.
Auf die Größe kommt es eben doch an
Aber wie das mit Theorien eben so ist, in der Praxis stoßen sie an Grenzen. So zum Beispiel stellt Kleidon fest, dass die Größe der Windparks eine wesentliche Rolle spielt. Eine Kantenlänge von 100 Kilometern sollten diese nicht überschreiten. Windparks in diesem Ausmaß können nämlich tatsächlich nicht mehr als 0,5 Watt elektrische Energie pro Quadratmeter erzeugen. Kleinere Anlagen dagegen können eine höhere Ausbeute pro Fläche erzielen. Grund dafür: Sie klauen sich nicht gegenseitig den Wind, sondern sind in der Lage, die dem Wind entzogene Energie durch die aus höheren Luftschichten zu ersetzen. Hier gilt also durchaus das Motto: Mut zur Lücke. Deshalb sagt Kleidon, dass es bei der Planung von Windparks sehr wichtig ist, die physikalischen Grenzen einzuhalten. Leider komme es immer wieder vor, dass regionale Potenzialanalysen diese Prozesse ignorieren und dann eine Ausbeute von elektrischer Energie pro Fläche ermitteln, die sogar über der theoretisch möglichen Energie pro Fläche liege.
Nun könnte man davon ausgehen, dass im kleinen Deutschland nicht mehr so viel Platz für effektive Windkraftanlagen ist. Dem ist aber nicht so, sagt der Experte für Ökosystem-Atmosphäre-Prozesse Prof. Dr. Stefan Emeis in Bezug auf die Studie.
Damit ist in Deutschland physikalisch gesehen noch genügend Potenzial für den Ausbau der Windenergie vorhanden. Auch Offshore lässt sich das politisch vorgegebene Ziel der Bundesregierung von 40 Gigawatt bis 2040 leicht erreichen, wenn man zwischen den Windparkclustern ausreichend Lücken lässt und die einzelnen Windparks nicht zu groß anlegt.
Das klingt doch vielversprechend und macht Mut für die Energiewende. Doch es gibt natürlich auch kritischere Stimmen.
Theoretisch möglich, heißt nicht praktisch möglich
Dr. Jan Wohland von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ist in Hinblick auf Kleidons Studie etwas skeptisch, denn seiner Ansicht nach sind die Annahmen sehr vereinfacht und lässt reale Bedingungen außen vor. "Beispielsweise wird in dem einfachen Modell davon ausgegangen, dass überall nördlich beziehungsweise südlich der 30. Breitengrade die gleichen Temperaturen vorherrschen. In anderen Worten: Das Modell nimmt an, dass die Temperatur in Tunesien und Island identisch ist. Darüber hinaus werden in dem Modell sowohl der Wärmetransport durch den Ozean als auch die Effekte, die durch die Rotation der Erde entstehen, vernachlässigt, obwohl beide elementar sind."
Auch wird keine Unterscheidung nach Jahreszeiten getroffen, obwohl die Windenergie in unseren Breiten eine starke Saisonalität aufweist.
Solche Vereinfachungen sind in der Physik durchaus gerechtfertigt und hilfreich. In der Realität seien sie aber selten anwendbar, auch wenn Kleidon damit argumentiere, dass das Modell in etwa mit den komplexeren Simulationen des Klimasystems übereinstimmt. Laut Wohland wird der Effekt von Windparks behelfsmäßig durch Parametrisierungen in solche Modelle einfügt und auch die Validierung mit Beobachtungen ist bisher noch nicht möglich. Deshalb eigneten sich solche Modellergebnisse nur begrenzt als Grundwahrheit. Er sieht die Ergebnisse der Studie deshalb unter Vorbehalt. Doch er stimmt auch Kleidons Aussage zu, dass für den Umstieg auf erneuerbare Energien systematischer gedacht werden sollte und dass insbesondere Erkenntnisse aus der Klimawissenschaft in die Planung von zukünftigen Stromsystemen einfließen müsse.
JeS/CMS
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