Energiewende für Zuhause Vertikale Windturbine fürs Hausdach produziert angeblich 15.000 kWh pro Jahr
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06. Dezember 2022, 14:21 Uhr
Eine neue vertikale Windturbine soll 50 Prozent mehr Strom als Solarpanels erzeugen – bei gleichem Preis und auf weniger Fläche. Die Turbine ist noch in der Testphase, aber macht sich einen interessanten aerodynamischen Effekt zu Nutze. Technisch lässt die Anlage allerdings noch viele Fragen offen, sagt der Bundesverband Kleinwindanlagen.
Es klingt ein bisschen zu gut, um wahr zu sein und – das sei an dieser Stelle vorangestellt – die Windturbine von Aeromine ist aktuell noch in der Testphase. Laut Entwickler soll ein 5 kW-Modul der Turbinen jährlich 10.000 bis 15.000 Kilowattstunden Strom erzeugen – in manchen Fällen könne es sogar viel mehr sein. Das wären 50 Prozent mehr Strom als Solaranlagen bei gleichen Kosten und geringem Platzbedarf, so die selbstbewusste Aussage von Aeromine. Zum Vergleich: Ein 5-Personen-Haushalt verbrauchte 2021 in Deutschland zwischen 5.000 und 6.000 Kilowattstunden.
Bei 100 kW Systemkapazität könne eine Solaranlage in sonnenreicher Region 175.000 kWh pro Jahr erzeugen – ein Aeromine-System dagegen produziere in einer windigen Region mindestens 268.000 kWh. Ausgelegt sei das System auf eher moderate Windgeschwindigkeiten von 5 m/s, betonten die Entwickler.
Aeromine nutzt denselben Effekt wie Flugzeuge
Das klingt viel – vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass die Turbine in vergleichsweise geringer Höhe einfach auf dem Hausdach montiert wird. Aber das Design macht sich einen einfachen aerodynamischen Effekt zu Nutze, für den sich die Entwickler von Rennwagen und Flugzeugen inspirieren ließen: den "Bernoulli-Effekt".
Was ist der Bernoulli-Effekt?
Der Schweizer Mathematiker, Arzt und Physiker Daniel Bernoulli entdeckte das nach ihm benannte Prinzip schon im achtzehnten Jahrhundert. Es ist das Grundprinzip des Auftriebs, das Fliegen mit dem Flugzeug überhaupt erst möglich macht und folgt einer einfachen Idee: Wenn Luft über den Flügel eines Flugzeuges streicht und dieser Flügel an der Oberseite gewölbt ist, hat die Luft auf dieser Seite einen längeren Weg, sie bewegt sich dort demzufolge schneller.
Dadurch ist der Luftdruck über den Flügeln eines Flugzeuges geringer als unter ihnen. Es entsteht ein kleiner Unterdruck, der das Flugzeug nach oben zieht.
Den "Bernoulli-Effekt" nutzt die Aeromine-Turbine allerdings in der Vertikalen. Wenn der Wind auf die Vorderseite des Moduls trifft, wird er durch die beiden gebogenen "Flügel" an den Seiten beschleunigt. Weil diese außen gebogen sind, entsteht in der Mitte des Moduls ein Unterdruck, der den Wind quasi "beschleunigt" und dann zu einer Turbine im inneren des Moduls leitet. Dank diesem Effekt soll die Turbine schon bei deutlich geringeren Windstärken effizient arbeiten und Windstärken von 20 mph (Miles per hour, ca. 32 km/h) auf 50 mph, also 80 km/h verstärken.
Aeromine erzeugt Strom, indem es die Aerodynamik eines Gebäudes und den durch unser patentiertes Tragflächensystem erzeugten Druck nutzt, um unseren internen Propeller anzutreiben und Energie zu erzeugen.
Ein wichtiger Faktor für die Durchsetzung von Zukunftstechnologien ist ja traditionell der Preis, zu dem die entsprechende Technologie gekauft und montiert werden kann. Hierzu will Aeromine aber noch keine Aussage treffen: "Der Preis hängt von der Komplexität des Projektes ab." Auch zu den technischen Details macht das Unternehmen bislang noch wenig konkrete Angaben.
Technisch sind noch einige Fragen offen
Deshalb sei es schwer, die Anlage hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit zu bewerten, findet Joachim Sroka vom Bundesverband Kleinwindanlagen. Man müsse aber festhalten, dass der Wind nicht nur aus einer Richtung komme, wie es die Vorderfront des Aeromine-Moduls suggeriert. "Sobald der Wind auch nur ein wenig dreht, verringert sich bei dieser Anlage die Windanstromfläche", kritisiert Sroka. Diese Fläche sei aber neben der Windgeschwindigkeit die Grundvoraussetzung für den Ertrag. Komme der Wind von der Seite, sei womöglich gar keine Durchströmung zu erreichen – es sei denn, das gesamte Modul drehe sich gegen die Windrichtung ein.
Interessant sind außerdem die Windgeschwindigkeiten, bei denen die Aeromine-Turbine arbeiten soll. Nach Entwicklerangaben sind 5 m/s nötig – was im Vergleich zu "großen" Windrädern tatsächlich noch eher moderat erscheint. Joachim Sroka vom Bundesverband Kleinwindanlagen gibt allerdings zu bedenken, dass in den meisten Regionen Deutschlands eine derartige Jahreswindgeschwindigkeit erst ab 30 Metern Höhe erreicht werde. Wenn die Turbine tatsächlich wie beschrieben auf dem Hausdach montiert werden soll, würden diese 30 Meter womöglich nicht erreicht.
Aerodynamisches Prinzip zweifelhaft
Wie genau die Turbine von Aeromine es schaffen soll, ähnliche Kleinwindanlagen, die in Deutschland ja auch schon existieren, zu übertreffen, ist auch noch nicht ganz klar. Joachim Sroka rechnet: "Üblicherweise laufen Synchronwindturbinen bereits bei 2 - 2,5 m/s durchschnittlicher Windgeschwindigkeit an und liefern ab 3 m/s nennenswerten Strom. Eine technisch ausgereifte 5 kW-Turbine liefert bei 5 m/s durchschnittlicher Windgeschwindigkeit ca. 7.000 bis 7.500 kWh. Wie diese Turbine dann 10.000 bis 15.000 kWh/Jahr erzeugen soll, erschließt sich jedenfalls nicht." Auch die aerodynamischen Formen würden eine solche Ertragssteigerung nicht erklären – "das ist keine Neuerfindung und ging mehrfach als Flop in die Geschichte ein".
Vertikale Windräder sind allgemein selten
Vertikale Windräder wie die Turbine von Aeromine kreisen um eine senkrechte Achse und sind in Deutschland deutlich seltener zu sehen als die klassischen horizontalen Windräder in Höhen von 90 bis 130 Metern.
Bislang ging man davon aus, dass vertikale Rotoren – egal in welcher Höhe – grundsätzlich einen geringeren Wirkungsgrad erreichen als horizontale Rotoren. Während letztere 50 Prozent Ausnutzung erreichen, schaffen vertikale Rotoren nur 35 bis 40 Prozent. Es gibt zwar eine interessante Studie im Journal Renewable Energy, die Hinweise darauf gibt, dass dieser geringere Wirkungsgrad der vertikalen Rotoren in Windparks möglicherweise durch Synergieeffekte der eng zusammenstehenden Windräder ausgeglichen werden kann, aber insgesamt erschienen horizontale Rotoren zielführender und sind in der Praxis deutlich erprobter.
Kein Ersatz für große Offshore-Windparks
In den vergangenen Jahren wurden vertikale Windräder allerdings immer wieder zum Thema – und zwar vor allem, wenn es um sogenannte Kleinwindanlagen geht, also kleinere Rotoren in deutlich geringeren Höhen, die mitunter von Privatbesitzern betrieben werden und in der Regel unter 75 Kilowatt Strom erzeugen. Hinsichtlich der erzeugten Strommengen können sich diese Kleinwindanlagen nicht mit "großen" Windrädern vergleichen – denn diese erzeugen mittlerweile über fünf Megawatt.
Auch die vertikale Windturbine von Aeromine wäre kein Ersatz für große Offshore-Windparks, aber womöglich – wie andere Kleinwindanlagen – eines Tages eine Möglichkeit, Strom für den Eigenbedarf eines Gebäudes direkt auf dem Dach zu produzieren. Ob die Turbine dann tatsächlich die versprochenen, hohen Strommengen erzeugen kann, ist noch nicht klar. Es bleibt aber spannend, ob und wie das System weiterentwickelt wird. Immerhin benötigt die Turbine auf dem Dach nur zehn Prozent der Fläche, die Solarpanels benötigen – für den gleichen Energieoutput. An sich müssten sich die beiden Technologien aber ohnehin nicht im Wege stehen, sondern könnten sich theoretisch auf unseren Dächern gegenseitig ergänzen – je nach Wetterlage.
Links/Studien
Studie zum Wirkungsgrad horizotaler Rotoren in Windparks im Journal Renewable Energy.
Sehr spannend ist auch die Zubauanalyse Wind, veröffentlicht von der Fachagentur Windenergie.
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