Drei Emoji-Gesichter, ohne Mund, lächelnd und traurig mit sich schälender Oberfläche. Bei lächelnd kommt Emoji mit X-Augen zum Vorschein, bei traurig ein kleines Herz. 5 min
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Fast 3800 gibt es – und jährlich neue! Sie werden überall auf der Welt verstanden. Könnten sie also sowas wie eine neue Weltsprache werden? Und warum sehen Emojis eigentlich genau so aus? Informationen von Florian Zinner

MDR KULTUR - Das Radio Di 05.03.2024 12:10Uhr 04:40 min

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Digitale Kommunikation Emojisierung: Haben die bunten Bildchen das Zeug zum neuen Esperanto?

04. März 2024, 14:38 Uhr

Ein Phoenix. Ein nickender Kopf. Ein Pilz. Dieser Tage ist es dann wieder soweit, für alle iOS-Nutzenden gibt’s per Update frische Emojis aufs Mobiltelefon, Android wird ebenfalls bald nachziehen. Damit wächst die Anzahl verfügbarer Bildzeichen auf fast 3.800. Wenn man bedenkt, dass Emojis überall auf der Welt verstanden werden, könnte man zu dem Schluss kommen: Die bunten Bildchen sind auf dem besten Weg zur Weltsprache. In der Wissenschaft gibt es sogar schon den Begriff der Emojisierung.

Junger Mann mit Bart, runder schwarzer Brille, schwarzem Basecap vor Roll-Up-Plane mit Logo von MDR WISSEN
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Bei den gelben Fratzen sind so grundsätzlich mittlerweile kaum noch Grenzen gesetzt: 😂 ("Gesicht mit Freudentränen") Ein echter Klassiker! Bei Skepsis aber lieber: 🫤 ("Gesicht mit diagonalem Mund") Und wenn dann alle Stricke reißen: 😵‍💫 ("Gesicht mit spiralförmigen Augen"). Jeden Tag, weltweit millionenfach verschickt. Vielleicht etwas zu oft, findet Deborah Enzmann: "Gerade die, die eine Emotion darstellen, die werden ja auch sehr inflationär verwendet."

Porträt vonj Junger Frau mit langen Haaren und runder, drahtiger Brille, von leicht unten fotografiert, lächelnd
Dr. Deborah Enzmann Bildrechte: D. Enzmann (M), MDR WISSEN

Die Grafikerin und Medienwissenschaftlerin greift am liebsten auf das Herz-Emoji zurück, nicht nur aufgrund der Symbolik, sondern auch der Ästhetik wegen. Stimmt, wenn man es sich recht überlegt, hat es schon irgendwie was Elegantes: ❤️ Außerdem ist das Herz ein Symbol, das überall auf der Welt zumindest ähnlich verstanden wird. Deborah Enzmann ist eine der wenigen, die sich bisher wissenschaftlich umfassend mit der Emoji-Kultur auseinandergesetzt haben. Und durch ihre Studie zum Thema auch den Begriff Emojisierung geprägt hat.

Emojis: Älter als man denkt

Smiley nach Harvey Ball von 1963 und das schlichte Smiley-ähnliche Emoji "leicht lächelndes Gesicht" aus dem Set von Apple
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Am Anfang stand die durchaus berechtigte Frage: Wie haben wir Menschen es überhaupt so die letzten paar Millionen Jahre ausgehalten, so ganz ohne die bunten Bildzeichen? "Meine Recherchen zeigen, dass Ideen oder Zeichensätze für emojiähnliche Zeichen schon weitaus vor der Computer-Kommunikation entwickelt wurden. Und diese entwickelten Zeichen oder Zeichensätze kommen den Emojis bereits erstaunlich nahe." Abgesehen von Bildschriftzeichen wie Hieroglyphen ist der Wunsch, durch Zeichen mehr als das in Lettern gegossene Wort auszudrücken, ein seit dem Buchdruck wiederkehrender. Und so gab es auch die Idee, aus lateinischen Textzeichen Bilder zu generieren, bereits im 19. Jahrhundert. Ascii-Art in Achtzehnhundertund – echt jetzt! <:-O Das gelbe Original-Smiley des Grafikdesigners Harvey Ball, das in den Sechzigern das Betriebsklima einer Versicherungsgesellschaft verbessern sollte, kann zudem als Grund angesehen werden, warum viele Emojis auch heute noch gelb sind.

Egal, ob behelfsmäßig mit dem Standardzeichensatz oder als bunte Bildchen: Smileys, Emoticons und Emojis gehören seit dessen frühen Kindertagen zur Kommunikationskultur im World Wide Web (und dessen Vorgänger Arpanet!) und zieren ebenso lange Internet- und Mobilfunkunterhaltungen – eben mehr oder weniger geschmackvoll und abhängig von den Ambitionen der Plattformbetreiber. Instantmessenger wie ICQ und AIM, Diskussionsforen aller Couleur und webbasierte E-Mail-Dienste boten stets mannigfaltige Möglichkeiten, sich nonverbal zu äußern.

Emoji-Kugel mit lachendem Gesicht, aufgeschnitten, verschiedene andere Kugeln Matroschka-ähnlich verschachtelt, in der Mitte Emoji mit Atompilz aus dem Kopf
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Die durchaus naheliegende Vermutung, das Wort Emoji komme von "Emotion" ist im Übrigen falsch. Das Kunstwort setzt sich vielmehr aus dem japanischen "E" für Bild und "moji" für Schriftzeichen zusammen. Und zeigt gleich, von wo die (damals noch monochrome) Emojisierung des Mobilfunks ihren Lauf nahm. Zum Durchbruch verholfen hat schließlich die weltweite Standardisierung ab dem Jahr 2010, die dazu geführt hat, dass Emojis – genauso wie die 26 Buchstaben unseres Alphabets – von allen Geräten verstanden werden. Das sei aber auch unserer durch die Entwicklung des Internets ordentlich aufgeblähte Kommunikation nach außen zu verdanken – also dem mittlerweile immensen Output, sagt Deborah Enzmann: "Eine rein textliche Kommunikation wäre äußerst anstrengend."

Was heißt 😥 jetzt wirklich? Und ist 🍆 ein Gemüse?

Enzmann, die auch an der Hochschule Mannheim als Dozentin arbeitet, hat auch dazu geforscht, wie wir die halbwegs neue Bildsprache einsetzen – kein unwesentlicher Punkt, um zu erörtern, ob Emojis nun als Weltsprache taugen: "Ich persönlich finde die hohe Kontextsensitivität und auch die Polyfunktionalität der Zeichen interessant." Das bedeutet: gleiches Bildchen, unterschiedliche Bedeutung. Deborah Enzmann hat mit Ihren Studierenden in einer Fallstudie die Mehrdeutigkeit der Zeichen untersucht. So kann das Emoji 🙏 ("zusammengepresste Hände") nicht nur für Dankeschön oder Beten stehen, sondern auch für High Five. Und 😢 ("weinendes Gesicht") werde im Subtext plötzlich zu "Du Arsch, haste mich vergessen": "Sie werden halt unterschiedlich verwendet und erfüllen da halt ganz verschiedene Funktionen. Zum Beispiel auch das Augen-Emoji oder auch gerade die, die gewisse Körperteile darstellen."

Oder dann eben die Darstellung der Körperteile durch Lebensmittel – die Aubergine 🍆 kann hier mittlerweile als Klassiker bezeichnet werden. Und so auch der Pfirsich 🍑, wie der Emoji-Historiker Jeremy Burge vor ein paar Jahren bei einem Vortrag illustrierte: "Wir haben eine schnelle Analyse aller Tweets durchgeführt, die ein Pfirsich-Emoji verwenden und als Obst wird es hier nicht oft benutzt. […] Sieben Prozent stehen damit im Zusammenhang."

… und ist 🍑 ein Obst?

Fast Dreiviertel der Pfirsich-Einsätze standen im körperlichen oder sexuellen Kontext. Das ist derart etabliert, dass der Technik-Gigant Apple 2016 eine korrigierte Interpretation zurückgezogen und es bei der Gesäß-ähnlichen Darstellung des Pfirsichs belassen hat. Ob ein Obst als Hintern taugt, entscheidet schlussendlich das Unternehmen, welches die Software herstellt, die das Emoji darstellt. Wie die Bildchen aussehen und interpretiert werden, bestimmt also nicht nur das Unicode-Konsortium. Das hat Emojis im Jahr 2010 zum weltweiten Zeichenstandard gemacht und in den Rang echter Schriftzeichen erhoben. Bedeutend sind neben Unicode und den Technikkonzernen vor allem auch die Kommunikationskreise, in denen sie eingesetzt werden. Ein 👍 (Daumen hoch) steht bei uns schlichtweg für Zustimmung, im arabischen Raum kann er aber als Beleidigung aufgefasst werden. Und der 💩 (Kothaufen) ist in Japan, dem Land der modernen Emojis, eher ein Glückssymbol.

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Wie wütend ein Emoji ist, entscheiden die Hersteller. Tatsächlich sind die Unterschiede aber nicht mehr so groß wie noch vor ein paar Jahren. Bildrechte: MDR WISSEN

Die gelben Smileys hingegen sind ein westlicher Einfluss, hat Deborah Enzmann festgestellt: "Die früheren Emojis, die in Japan entwickelt wurden, zeigten teilweise auch keine lächelnden Münder. Dies liegt daran, dass in der japanischen Kultur Mimik traditionell eher zurückhaltend eingesetzt wird." Der hohe Stellenwert, den die Darstellung von Niedlichkeit in Japan hat, sei auch dafür verantwortlich, dass Emojis so aussehen, wie sie eben aussehen. Kawaii, so heißt diese Form der Ästhetik, die sich auch vielfältig in der japanischen Popkultur zeigt. Hinzu kommt der Cartoon-Effekt. Durch die Comic-hafte Darstellung fällt es Menschen leichter, sich mit den Figuren zu identifizieren als bei einer realistischen Darstellung.

Sind Emojis eine Sprache?

Aber reicht das nun für eine Weltsprache? Dazu müssten Emojis überhaupt erstmal eine Sprache sein — was nicht der Fall ist, sagt Deborah Enzmann. "Sie sind eher als Ergänzung zu sehen, die in den meisten Fällen die verbale oder auch die geschriebene Sprache nicht ersetzen kann. Ein wichtiges Merkmal der Emoji-Nutzung ist ihre individuelle und subjektive Anwendung, die auch dann im Gebrauch sehr stark variieren kann." Hat auch sein Gutes: Emojis könnten uns darauf trainieren, bewusster mit unserer verbalen Sprache umzugehen. "Ich glaube, Sie könnten uns sensibilisieren, dass nicht nur der Inhalt, sondern auch die Nuancen der Vermittlung eine wichtige Rolle bei Kommunikationsprozessen spielen." Also die Art und Weise, wie wir sprechen, vielleicht auch, welche Gestik wir einsetzen.

Emojis sind eher als Ergänzung zu sehen, die in den meisten Fällen die verbale oder auch die geschriebene Sprache nicht ersetzen kann

Dr. Deborah Enzmann

Auf der anderen Seite ist diese Sprachassistenz auch eine klare Disqualifikation für ein zeitgenössisches Esperanto. Da hilft auch kein jährliches Update mit noch mehr bunten Zeichen: "Die steigende Anzahl in Emojis könnte paradoxerweise ihren ursprünglichen Zweck, also die Kommunikation zu erleichtern, beeinträchtigen", sagt Deborah Enzmann. "Wünschenswert wäre ein verbessertes Ordnungssystem und auch klare Richtlinien für die Auswahl neuer Emojis."

Emojis spiegeln Gesellschaft – auch optisch

Die Auswahl, was neu hinzukommt, war zuletzt auch ein Spiegelbild des gesellschaftlichen Diskurses. Gleichberechtigung und kulturelle Vielfalt standen und stehen bei neuen Bildzeichen im Vordergrund. Zum Beispiel die Möglichkeit, mehr Hautfarben einzusetzen, Menschen mit Behinderung darstellen zu können oder die Berücksichtigung, dass es nicht nur zwei Geschlechter gibt. Und auch die eine oder andere moralische Entwicklung lässt sich nachzeichnen: Obwohl Microsoft das Pistolen-Emoji bis 2015 als Spielzeugpistole dargestellt hat, entschied man sich schließlich, wie andere Hersteller auch, für einen Revolver. Ein Jahr später machte Apple daraus in seinem Zeichensatz eine Wasserpistole, die anderen großen Hersteller zogen in den darauffolgenden Jahren wiederum nach.

Mitteleuropäische Emoji-Sehnsüchte scheinen hingegen offenbar etwas weniger anzulanden: Das Wurst-Emoji wurde 2021 vom Unicode-Konsortium abgewählt.

Weiterführende Lektüre zum Thema Enzmann, Deborah: Emojisierung, 248 Seiten, 700 Abbildungen, erschienen 2023 bei Niggli, 39 Euro.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 05. März 2024 | 12:10 Uhr

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