Emojis, Memes, Avatare Sprache der Zukunft
Hauptinhalt
10. Februar 2023, 01:00 Uhr
Lachen, Tränen, Herzchen: Die Kommunikation im Netz und in Messengern lebt vom Einsatz grafischer Symbole. Was mit ":-)", also zwei Punkten und einer Klammer, begann, entwickelte sich zu einer Vielzahl lustiger Bilder, Smileys oder personalisierten Avataren. Doch sind die Grafiken wirklich eine Vereinfachung der Kommunikation? Oder machen sie diese aufgrund ihrer Doppeldeutigkeit eher noch schwieriger?
Die Formen der nonverbalen Kommunikation sind im Alltag extrem wichtig. Oft können wir an Mimik und Gestik unseres Gegenübers erkennen, wie es bestimmte Aussagen meint oder wie es sich gerade fühlt. Im Internet ist das anders: Man kann nicht sehen, wie der Gesprächspartner reagiert oder was eine Aussage bei ihm auslöst. Was aber ist die Lösung?
Dass Bilder und Symbole zur Kommunikation dazugehören, ist nicht erst seit der Erfindung von ":-)" bekannt. Bereits die Hieroglyphen der alten Ägypter, als Vorläufer unserer heutigen Schriftzeichen, oder Höhlenmalereien wurden zur Verständigung genutzt. Auch Gefahrenzeichen und Piktogramme gehören seit vielen Jahrhunderten in unseren Alltag und erleichtern Verkehrsregeln, Waschanleitungen oder die Suche nach öffentlichen Toiletten – und zwar unabhängig von Herkunft oder Sprache.
1982: Scott Fahlman kennzeichnet Witze mit ":-)"
In den frühen 80er Jahren – sozusagen als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte – beschäftigte sich auch Scott Fahlman aus Pittsburgh mit der Online-Kommunikation. Dem Informatik-Professor gefiel es nicht, dass diese durch fehlende Mimik und Gestik erschwert wurde. Er führte daraufhin ":-)" ein, ein auf der Seite liegendes, lächelndes Gesicht. Mit diesem Symbol sollten in E-Mails und anderen digitalen Kommunikationsformen Witze gekennzeichnet werden, um eine Doppeldeutigkeit auszuschließen. Auch das Äquivalent ":-(" für Missfallen oder Traurigkeit geht auf Fahlman zurück.
Es dauerte nicht lange, bis in Japan erste Piktogramme die digitalen Gespräche ergänzten. Bereits in den 1990er Jahren kamen immer mehr Symbole dazu, die man mit normalen Tastaturen erstellen konnte. Diese nennt man ASCII-Codes. Heute werden sie selten verwendet. Mit der Erfindung des ersten iPhones von Apple im Jahr 2007 gab es – zumindest in Japan – dann das erste Emoji-Keyboard auf Smartphones.
Einen Meilenstein hatten die bunten Bildchen 2010 zu verzeichnen: die Aufnahme in den Unicode und damit die Zugehörigkeit zum weltweiten Standard für Symbole und Zeichen. Grafische Symbole eroberten so die Welt. Naja, zumindest die digitale Kommunikation.
Emoticon, Emoji, Meme oder Avatar?
Die Geschichte der Bilder und Zeichen in Netz-Gesprächen begann also bereits vor etwa 40 Jahren. Aber was ist nun eigentlich der Unterschied zwischen Emoticon, Emoji oder Meme? Und könnte man nicht auch noch Smileys mit in die Reihe aufnehmen? Wir geben etwas Orientierung im Begriffsdschungel.
":-)", also das erste grafische Symbol, was bewusst in der digitalen Kommunikation eingesetzt wurde, ist ein sogenanntes Emoticon. Der Begriff setzt sich zusammen aus Emotion und Icon, also Symbol, und steht für die erwähnten ASCII-Codes, die mit einer handelsüblichen Tastatur erstellt werden können. Emoticons sind also sozusagen kleine Bildchen, die aus Textzeichen bestehen, aber grafisch eine Emotion ausdrücken.
Emojis hingegen sind kleine Piktogramme, die in Texte eingefügt werden können, aber nicht aus klassischen Textzeichen bestehen. Das Wort stammt aus dem Japanischen, wobei "e" für Bild und "moji" für Zeichen steht.
Als eine der komplexesten Formen der digitalen, grafischen Kommunikation kann man wohl Memes ansehen. Diese sind Informationen, die man tauschen, teilen und kopieren kann. Sie kommen in sehr unterschiedlichen Darstellungsformen vor: als Bild, Geste, Spruch, Zeichen, Sound oder Symbol, um zumindest eine Auswahl zu nennen. Das besondere Merkmal der Memes ist, dass man diese ganz einfach mithilfe kostenfreier Apps oder Online-Tools selbst umsetzen kann. Somit lässt sich die Autorschaft kaum zurückverfolgen. Erfolgreich ist ein Meme, wenn es viral geht, also wenn es eine hohe Reichweite erzielt. Meist orientieren sie sich an aktuellen Ereignissen und enthalten eine gewisse Alltagsironie.
Eine besondere Mischform zwischen Emojis und Memes sind die sogenannten Avatare oder (im Apple-Universum) auch Memojis. Nutzende können meist direkt auf den Plattformen, wie WhatsApp oder Facebook, eigene Emojis kreieren und anhand von Körpermerkmalen und Frisuren ein eigenes Abbild erschaffen. Der entstandene Avatar kann wie ein Emoji im Chat eingesetzt werden, um verschiedene Stimmungen oder Situationen zu illustrieren. Diese besonders personalisierte Form gibt es bereits seit vielen Jahren im Gaming-Bereich, wo Spielende ihre Protagonisten nach ihren Vorstellungen anpassen können.
Die etwas älteren Lesenden werden sich nun fragen, wo denn der Begriff Smiley abgeblieben ist. Schließlich sind die bunten Bildchen in Messenger-Apps doch Smileys. Oder nicht? Der lachende Ur-Smiley, der einfach nur aus einem schwarzen Kreis, zwei Punkten und einem Halbkreis auf gelben Untergrund besteht, wurde schon weit vor dem Einzug grafischer Symbole in die digitale Kommunikation erfunden. Werbegrafiker Harvey Ball entwarf ihn 1963, um die Arbeitsmoral von Mitarbeitenden einer Versicherungsgesellschaft zu erhöhen – mit Erfolg. Mit den digitalen Piktogrammen hat diese Urform jedoch nichts zu tun.
Vereinfachung der Kommunikation oder Treiber von Missverständnissen?
Die Ursprungsidee hinter den Emoticons war die Vereinfachung von Gesprächen im Netz. Heute gehören die kleinen Grafiken für fast jeden Internetnutzenden zum Alltag.
"Ich glaube, das ist eine Art der Kommunikation, die witzig ist, aber sie verbreitet natürlich auch viele Emotionen, die ich in einfachem Text gar nicht so verbreiten kann. Wir kommunizieren ja wahnsinnig viel digital. Gerade über Messenger: Mit Familie, Freunden, aber auch in der Arbeit beispielsweise", sagt Ann-Cathrin Riedel, die Vorsitzende des LOAD e.V. im Interview mit MEDIEN360G.
Bereits 2013 fanden Forschende in Australien heraus, dass Smileys und Emoticons Mimik und Gestik in der digitalen Kommunikation nahezu vollständig ersetzen können. Generell ist es möglich, ganze Gespräche oder Sätze mit Emojis abzukürzen. Damit wird die Netz-Kommunikation nicht nur einfacher, sondern vor allem auch deutlich schneller.
Der Einsatz von Emojis und Memes ist dennoch nicht ganz so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Grafiken und Piktogramme können auch Treiber von Missverständnissen oder gar Desinformation sein. Während ein Zwinker-Emoji für einen Gesprächspartner bedeutet, dass seine Aussage mit einem Augenzwinkern zu verstehen ist, kann der andere Gesprächspartner diesen sogar als Provokation werten. Mit ihrer Doppeldeutigkeit sind manche Emojis teilweise nur im Kontext erkennbar. Meint die rausgestreckte Zunge nun, dass etwas besonders lecker ist oder eher dass man seinem Gegenüber neckisch die Zunge zeigt?
Aber nicht nur verschiedene Interpretationen können Fehldeutungen hervorrufen. Auch kulturelle Unterschiede bestimmter Gesten können zu Missverständnissen zwischen digitalen Gesprächspartnern führen oder gar Beschimpfungen bedeuten. Auch beim Einsatz von Ironie, Sarkasmus oder Humor sollte man aufpassen oder sein Gegenüber möglichst genau einschätzen können.
Vor allem Memes, die ein Kontextwissen voraussetzen, um sie eindeutig zu interpretieren, sind daher meist einer exklusiven Gruppe vorbehalten und werden nicht zwingend von der Allgemeinheit verstanden. "In der digitalen Sphäre sind Memes sowas wie Running Gags, mit denen man erklärt: Gehöre ich zu einer Gruppe oder gehöre ich nicht zu einer Gruppe?", sagt Journalist Dirk von Gehlen im MEDIEN360G-Videobeitrag.
Da verwundert es nicht, dass in einer aktuellen sprachwissenschaftlichen Studie der Universität Bremen herauskam, dass sich der Meme-Humor je nach Alter oder Generation unterscheidet.
Sprache der Zukunft?
"In einem politischen sowie sozialen und kulturellen Diskurs spielt visuelle Kommunikation eine ganz zentrale Rolle. Das ist bewusst so, weil es sehr direkt ist", sagt Maik Fielitz von der Bundesarbeitsgemeinschaft "Gegen Hass im Netz". Emojis und Memes sind demnach fester Bestandteil der Kommunikation, vor allem in sozialen Netzwerken.
Aktuell gibt es über 3.600 Emojis im Unicode-Standard. Dabei ist es seit einigen Jahren möglich, beispielsweise Hautfarben zu ändern und so kulturelle Persönlichkeitsmerkmale in die Kommunikation einzubeziehen. Somit wird zunehmend auch die Diversität unserer Gesellschaft im Unicode-Standard dargestellt. Die Datenbank wird stetig erweitert, indem Nutzende ihre gut begründeten Vorschläge auf der Webseite hochladen können. Ein Kriterienkatalog legt fest, welche Emojis eingereicht werden dürfen. Eine Jury entscheidet dann einmal jährlich, welche im Unicode etabliert werden und damit auf den Endgeräten der Nutzenden zur Verfügung stehen.
Durch das zunehmende Texten mit grafischen Elementen könnten sich zumindest digitale Lese- und Schreibgewohnheiten in Zukunft grundlegend ändern. In Finnland beispielsweise wird sogar diskutiert, ob handschriftliches Schreiben überhaupt noch zeitgemäß ist. In den dortigen Schulen werden bereits seit 2015 nur noch Druckschrift und Tippen auf einer Computertastatur gelernt.
Memes und Emojis können durch die Zunahme digitaler Technologien als Teilbereich der Kommunikation in nahezu allen Generationen, Gesellschaftsgruppen und Filterblasen angesehen werden. Vor allem durch die interpretative Nutzung und das Verständnis innerhalb bestimmter Communities können sie ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen.
Und wir wissen ja: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.