Eine aeltere Person bekommt eine Impfung gegen Corona im Impfzentrum in Schoenefeld,
Senioren könnten von einer dritten Impfung profitieren. Bei anderen Gruppen ist das noch unklar. (Archivbild) Bildrechte: imago images/photothek

Covid-19 Forscher empfehlen: Corona-Auffrischungsimpfung für Risikogruppen

05. August 2021, 12:03 Uhr

Noch immer ist nicht ganz klar, wie lange eine Impfung vor einer schweren Covid-19 schützt. Forscherinnen und Forscher halten es daher für sinnvoll, Hochrisikogruppen mit einer dritten Impfung zu schützen.

  • Trotz Deltavariante bieten Impfungen immer noch einen hohen Schutz gegen schwere Verläufe.
  • Immer noch gesucht: Wie viel Antikörper braucht man, um noch geschützt zu sein?
  • Dritte Impfung nach sechs Monaten voraussichtlich nur für Hochrisikogruppen wie Immunsupprimierte und Hochbetagte
  • Geimpfte können die Deltavariante kurzzeitig verbreiten, Masken bleiben daher sinnvoll.

Das Immunsystem ist komplex und Antikörper sind nur ein Teil, der gegen gefährliche Viren wie Sars-CoV-2 schützt. Allerdings sind sie im Vergleich zu T- oder B-Zellen relativ leicht zu bestimmen. Und da zeigen Untersuchungen immer wieder: Etwa sechs Monate nach der Impfung sinken die Antikörperspiegel langsam ab. Doch was bedeutet das genau und sind die Folgen für alle Geimpften gleich? Wird irgendwann eine dritte Impfdosis notwendig und falls ja, für wen? Darüber debattieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit Monaten.

Nach wie vor gesucht: Wie viele Antikörper braucht man, um geschützt zu sein?

Gesucht wird ein Korrelat, also ein Schwellenwert, unterhalb dem jemand zu wenig Antikörper hat und wieder an Covid-19 erkranken kann. Leif Erik Sander ist allerdings nicht sicher, ob ein solcher Wert jemals genau bestimmt werden kann. Zu komplex ist das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Teilen des Immunsystems, zu unterschiedlich könnten solche Werte daher zwischen verschiedenen Patienten ausfallen, sagt der Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung der Berliner Charité bei einem Pressebriefing des deutschen Sciencemediacenters.

Für andere Teile der Immunantwort, etwa T-Zellen, die von Viren befallene Zellen direkt zerstören, oder für B-Zellen, die auch lange nach einer Infektion oder Impfung noch neue Antikörper bilden können, ist zwar bekannt, dass sie länger bestehen bleiben. So entsteht ein immunologisches Gedächtnis, wie Maike Hofmann, Arbeitsgruppenleiterin an der Klinik für Innere Medizin II am Universitätsklinikum Freiburg auf Basis ihrer Forschung feststellt. "Wir können sehen, dass sich Zellen ausbilden, die klassische Gedächtniszellcharakteristika haben, also neue Abwehrzellen bilden, wenn neue Antigene kommen." Doch die entsprechenden Analyseverfahren sind zu kompliziert, als dass jeder Geimpfte einzeln darauf untersucht werden könnte, wie gut der Schutz noch ist.

Booster Impfung nach sechs Monaten für Hochrisikogruppen

Zwar stecken sich Geimpfte durch die Deltavariante des Coronavirus wieder häufiger mit Sars-CoV-2 an, schwere Erkrankungen sind in dieser Gruppe aber nach wie vor extrem selten. Die wichtige Frage sei hier vor allem, welche Gruppen von solchen Durchbruchsinfektionen stark gefährdet würden. Schon jetzt sei klar, bestimmte Gruppen – etwa Menschen mit Spenderorganen, die Medikamente gegen die eigene Immunantwort nehmen, aber auch viele Hochbetagte – hatten schon bei den Impfstofftests schlechtere Immunantworten.

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Nun könne man in Israel beobachten, wie solche Menschen sechs Monate nach ihrer zweiten Impfdosis auf eine Infektion mit der Deltavariante reagierten. "Da wurde immer von 95 Prozent Schutz gegen schwere Erkrankung gesprochen. Aber ist das auch bei dieser Gruppe mit hohem Risiko so?", fragt Sander. Es selbst glaubt, dass abzuwarten bis Daten vorliegen, hier nicht unbedingt sinnvoll ist. "Wir können schon sagen, wir boostern jetzt in dieser Population, bevor wir da einen nachlassenden Immunschutz sehen." Eine dritte Impfung nach sechs Monaten für Angehörige solcher hoch gefährdeten Gruppen halten er und andere Forscher, wie die Hamburger Infektiologin Christine Dahlke für sinnvoll.

Masken tragen bleibt sinnvoll

Dahlke selbst hat mit ihrer Forschungsgruppe schon an einem Impfstoff gegen das MERS-Coronavirus geforscht und daher Erfahrungen mit der Entwicklung der Immunität. So sei etwa bei T-Zellen klar, dass die bislang gegen alle Varianten des Sars-Coronavirus-2 aktiv seien, also von den Mutationen am Spikeprotein weniger betroffen sind als Antikörper. Insofern stelle sich die Frage, ob die laufenden Anpassungen der Impfstoffe an die neuen Virusvarianten wirklich notwendig seien. "Vielleicht reichen einfach weitere Impfdosen mit den Impfstoffen, die wir bereits haben", schlägt sie vor.

Dass nun auch Menschen, die bislang nur eine Impfung mit einem Vektorimpfstoff wie Astrazeneca erhalten haben, eine dritte Impfdosis bekommen sollen, sei insofern sinnvoll, als dass Studien gezeigt haben, dass sich dadurch die Antikörperspiegel noch einmal deutlich verbessern.

Klar ist aber auch: Die Deltavariante hat ihre Ansteckungsfähigkeit deutlich verbessert, kann deshalb wohl schneller in die Zellen der oberen Atemwege eindringen und sich dort vermehren. "Wir müssen uns davon verabschieden, dass ein vollständig geimpfter Mensch kein Virus übertragen kann", glaubt daher Leif Erik Sander. Allerdings zeigen die Daten bereits jetzt: Steckt sich ein Geimpfter mit dem Virus an, wird er es auch deutlich schneller wieder los. Es kommt meist nicht zu schweren Infektion und auch die Virusweitergabe werde abgekürzt. Angesichts dieser Situation blieben bestimmte Maßnahmen aber sinnvoll, etwa das Tragen von Masken in Innenräumen oder im öffentlichen Nahverkehr.

Eventuell sorgt das Virus selbst für den Boost

Ob auch für alle anderen Gruppen von Menschen irgendwann eine weitere Impfung notwendig wird, können die drei Forscherinnen und Forscher mit den bislang vorliegenden Daten nicht beantworten. Möglich sei allerdings, dass ein heimisch werdendes, saisonal auftretendes Coronavirus durch gelegentliche Neuansteckungen von selbst für die nötige Erneuerung des Immunsystems sorge, kann sich Christine Dahlke vorstellen. Auch hier werden erst längere und standardisierte Datenreihen für mehr Antworten sorgen.

(ens/smc)

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