Covid-19 Sars-CoV-2 kann wahrscheinlich menschliche DNA mutieren
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10. Mai 2021, 16:17 Uhr
Das Sars-Coronavirus-2 kann möglicherweise in seltenen Fällen winzige Teile seines Erbguts ins menschliche Genom integrieren. Schuld daran könnte ein Enzym sein namens "Reverse Transkriptase".
Als die neuen mRNA-Impfstoffe gegen Corona auf den Markt kamen, wurden Befürchtungen laut: Können die Wirkstoffe, in deren Zentrum ein kleines Stück Erbinformation steht, unabsichtlich das menschliche Genom verändern, also unsere eigenen Erbinformationen, und so vielleicht Autoimmunerkrankungen auslösen? Diese Ängste konnten Wissenschaftler rasch entkräften. Nun zeigt sich allerdings: Möglicherweise kann das Virus selbst einen Teil seiner Erbinformation in die menschlichen Gene einschreiben. Darauf deutet eine neue Studie, die jetzt im Fachblatt PNAS erschienen ist.
Veränderung der Genoms könnte merkwürdige PCR-Testergebnisse erklären
Der Stammzellbiologe Rudolf Jaenisch und Richard Young, Experte für Genregulation, hatten Zellen von Menschen kultiviert, die eine Infektion mit Sars-CoV-2 durchgemacht hatten. Jaenisch und Young sequenzierten DNA aus diesen Zellen und fanden dabei Abschnitte, die offenbar aus Teilen der viralen RNA in DNA übersetzt und in das Genom eingebaut waren. An den Enden dieser Genabschnitte fanden sie Hinweise auf LINE-1, Sequenzen, die reverse Transkriptase Aktivität ausüben können, also RNA in DNA übersetzen und in den Zellkern einbauen. Schätzungsweise bestehen rund 17 Prozent des menschlichen Erbguts aus Gensequenzen, die von Retroviren stammen, und die im Lauf der Evolution in unser Genom eingebaut wurden.
Sars-CoV-2 gehört nicht zu den Retroviren, kann sein Erbgut eigentlich nicht in die DNA einbauen, wie es beispielsweise das HI-Virus kann, das AIDS verursacht. Wie es in den vorliegenden Fällen zum Einbau der Viren-RNA kam, können die Forscher nicht vollständig erklären.
Die gefundenen Gensequenzen – sogenannte Chimären – reichen laut den Autoren auch nicht aus, um mit ihrer Hilfe neue Viren herzustellen. Ihr Vorhandensein im Genom könnte aber rätselhafte Ergebnisse von PCR-Tests erklären, bei denen Genesene positive Testergebnisse erhielten, obwohl bei der Analyse von Proben keinerlei Virenpartikel gefunden werden konnten. Der Test hätte in diesem Fall in den eingebrauten Sequenzen Viruserbgut erkannt.
Wissenschaftler streiten über die Ergebnisse
Andere Forscher äußerten sich allerdings zuvor skeptisch über die vorab als Preprint veröffentlichten Daten. Sie hielten die Faktenlage für zu schwach. "Ich hätte das an diesem Punkt nicht publiziert", sagte etwa Cedric Feschotte, der Experte für alte Viren-Erbgut-Sequenzen ist, dem Science Magazin. Weitere Kollegen vermuteten, es könnte es sich um Artefakte handeln, also um Daten, die versehentlich durch die Labormethoden selbst zustande gekommen sind. So könnten die DNA-Sequenzen mit den Coronavirus-Abschnitten erst bei der Laboranalyse entstanden sein.
In ihrem PNAS-Paper halten Jaenisch und Young jetzt dagegen, dass Artefakte nicht ausreichen würden, um die gefundenen Mengen von DNA mit Virussequenzen darin zu erklären. Zudem zeigten weitere Analysen, dass das Viruserbgut offenbar auf plausible Art in die menschliche DNA integriert worden sei. Offen ist allerdings, welche Konsequenzen das für Therapie und Gesundheit der Patienten aus den Erkenntnissen folgen. "Die klinischen oder biologischen Konsequenzen dieser Beobachtungen sind zum aktuellen Zeitpunkt reine Spekulation", sagte Feschotte.
Effekte bei Laborexperiment nicht mit alltäglicher Umgebung vergleichbar
Joachim Denner, Experte für Retroviren am Robert Koch-Institut, sieht durch die vorliegende Arbeit allerdings keinerlei Hinweise darauf, ob Zellen durch die virale RNA stark verändert werden könnten. Die Arbeit basiere vor allem auf Laborexperimenten. Die zeigten in ihrem Ergebnis lediglich eine mögliche Erklärung für rätselhafte PCR-Textergebnisse. "Ein Großteil der Experimente wurde mit menschlichen Zellen gemacht, in denen zusätzlich LINE-Sequenzen exprimiert wurden. Eine Integration von Bruchstücken von SARS-CoV-2 wurde jedoch auch in Zellen von SARS-CoV-2-infizierten Patienten gefunden. Da von diesen DNA-Fragmenten auch RNA-Transkripte gebildet wurden, kann das dazu führen, dass bei diesen Patienten mit Hilfe hochsensitiver PCR-Methoden noch virale RNA gefunden wird, obwohl der Patient kein Virus mehr freisetzt und nicht infektiös ist", schreibt Denner in einem Statement für das Sciencemediacenter. (SMC).
Was folge, sollte sich die jetzt veröffentlichen Thesen bewahrheiten, sei offen. "Die Autoren betonen, dass nur kleinste Bruchstücke des Virus vorliegen und deshalb kein infektiöses Virus gebildet werden kann. Die Autoren betonen ebenfalls, dass die Zahl der mit SARS-CoV-2-infizierten Zellen in Patienten sehr gering sind", schreibt Denner. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass die Virus-Erbinformation in die menschliche Keimbahn und damit in den Fortpflanzungsprozess eingebaut werden könne. Außerdem sei nicht gezeigt worden, ob tatsächlich Proteine des Virus produziert würden, die das Immunsystem beeinflussten. In normalen Zellen sei die Aktivität der LINE-Sequenzen sehr gering, im Gegensatz zu den von den Forschern im Experiment verwendeten Zellen. Dadurch sei auch die Wahrscheinlichkeit, "dass ein SARS-CoV-2-RNA-Impfstoff bruchstückhaft in DNA umgeschrieben und in das Zellgenom eingebaut wird, nahezu Null.“ Mit anderen Worten: Als Beleg für die These, dass RNA-Impfstoffe menschliche Gene verändern und eventuell Immunkrankheiten auslösen können, tauge die vorliegende Arbeit nicht.
(ens/smc)
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