Sars-CoV-2 Virusvarianten: Deltakron ist möglich (und existiert bereits)
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28. Februar 2022, 13:47 Uhr
Was kommt nach der Variante Omikron BA.2? Könnte das Coronavirus wieder gefährlicher werden, etwa durch eine Kombination verschiedener Varianten? Beispiele zeigen: Möglich ist eine solche Entwicklung durchaus.
Update: Die britische Gesundheitsbehörde UK Health Security hat inzwischen Fälle von Viren gefunden, bei denen es sich offenbar um eine Rekombination von Omikron und Delta handelt. Der Artikel wurde entsprechend ergänzt.
Die Zahl der Neuinfektion mit der Omikron-Variante von Sars-CoV-2 geht zurück und auch der Subtyp BA.2 scheint die aktuell fünfte Welle der Pandemie in Deutschland nicht deutlich in die Länge zu ziehen. War es das also fürs Erste mit Corona? Oder besteht eine echte Gefahr, dass in den kommenden Monaten eine neue, vielleicht für die Gesundheit der Menschen wieder gefährlichere Variante des Virus auftaucht?
Deltakron - UK Health stellt erste Fälle einer Kombination beider Virenvarianten fest
Könnten zum Beispiel Delta und Omikron verschiedene Eigenschaften in einer neuen Supervariante vereinen und so zugleich eine bereits aufgebaute Immunität umgehen und schwere und lange Erkrankungen verursachen? Genetische Mischungen zwischen beiden Virusstämmen gibt es offenbar schon. Die britische Gesundheitsbehörde UK Health Securty teilt im jüngsten Bericht (vom 25. Februar) zu gefährlichen Virusvarianten mit, 34 Fälle gefunden zu haben, bei denen das Virus genetisch teilweise der Deltavariante (AY.4.2.2) und Omikron entsprach (BA.1.1).
Wirklich gefährlich scheinen diese Hybride bisher nicht geworden zu sein. Es gebe Hinweise darauf, dass das rekombinierte Virus übertragungsfähig sei. Wirklich viele Infektionen habe es damit bislang aber nicht gegeben. Forscher beim Robert Koch-Institut sehen mit Blick auf aktuelle Studien weitere Beispiele.
Rekombination verschiedener Virusvarianten in Großbritannien
So haben der Evolutionsbiologe Ben Jackson und sein Team von der Universität Edinburgh in Fachblatt Cell eine Reihe von Coronafällen beschrieben, die sich Ende 2020, Anfang 2021 im Vereinigten Königreich ereigneten. Dort hatten sich Patienten mit mehreren Varianten des Virus gleichzeitig infiziert. Die verschiedenen Viren trafen in den Zellen der Wirte aufeinander, vermischten dort bei der Fortpflanzung ihr Erbgut und wurden schließlich als genetisch rekombinierte dritte Variante wieder ausgeschieden.
Die Forscher bemerkten diese Fälle durch die Sequenzierung des Viruserbguts. Dabei fiel ihnen auf, dass die Genome dieser Viren bestimmte charakteristische Sequenzen von Alpha (B.1.1.7) enthielten, ansonsten aber aus denen von Varianten bestanden, die in der jeweiligen geographischen Gegend gerade zirkulierten. In vier Fällen gelang sogar der Nachweis, dass die neu entstandene Variante weiter übertragen wurde. Eine dieser Übertragungen mündete in einem Cluster von insgesamt 45 Infektionen, die sich über zwei Monate hinzogen.
Immunescape und starke Vermehrung? Möglich, aber nicht vorhersagbar
Auffällig an den rekombinierten Virusvarianten war zudem, dass sie die vorteilhaften Mutationen am Spikeprotein der Alphavariante behalten hatten, wodurch sie dessen verbesserte Übertragbarkeit gegenüber dem Wildtypvirus besaßen. Jedoch scheinen diese Viren insgesamt nicht genügend Vorteile gesammelt zu haben, jedenfalls konnten sie sich im Verlauf der weiteren Pandemie nicht durchsetzen.
Die Forscher am Robert Koch-Institut in Deutschland schließen aus der Studie aber, dass genetische Rekombinationen von Sars-CoV-2 möglich sind. Auf Anfrage von MDR WISSEN schränken sie aber ein, dass eine Vorhersage "zu deren spezifischen Eigenschaften beispielsweise hinsichtlich Immunevasion oder Übertragbarkeit" nicht möglich ist. Damit ist also völlig offen, ob eine Variante entsteht, die die Immunescape-Eigenschaft von Omikron mit der starken Vermehrungsfähigkeit und Übertragbarkeit von Delta kombiniert.
Dominanz neuer Varianten bisher innerhalb von vier bis sechs Wochen
Grundsätzlich müsse auch beachtet werden, dass simultane Infektionen der Atemwege mit verschiedenen Viren zur gleichen Zeit eher selten seien. Das zeigen Proben aus der sogenannten Sentinelüberwachung. Dabei sendet eine Reihe von repräsentativ ausgewählten Arztpraxen und Kliniken jede Woche Proben von Patienten in das RKI-Zentrallabor, wo die enthaltenen Viren bestimmt und genetisch sequenziert werden. "Aus den Erfahrungen am RKI bei der Sentinel-Überwachung der AG Influenza sind Ko-Infektionen der Atemwege eher die Ausnahme als die Regel."
Im Fall von Corona kommt hinzu, dass für eine Rekombination mehrerer Viruslinien beide Linien eine Zeit lang parallel nebeneinander zirkulieren müssten. Das war jedoch in den vergangenen beiden Jahren nur selten der Fall. Stattdessen haben neu aufgetretene Varianten mit einem Vorteil die bisherigen Varianten rasch verdrängt: Alpha verdrängte Ende Januar 2021 den vorangegangenen Wildtyp in weniger als sechs Wochen. Delta gelang das gleiche zwischen Ende Mai und Juni 2021. Auch Omikrons Einzug ab Mitte Dezember dauerte kaum vier Wochen und genauso schnell dürfte sich aktuell BA.2 durchsetzen.
Beteiligung der Gammavariante: Neun Superinfektionen in Brasilien
Trotzdem gibt es die kurzen Zeitfenster, in denen Varianten gemeinsam zirkulieren. Und in dieser Zeit kann es zu den sogenannten Superinfektionen kommen, bei denen mehrere Virusvarianten in einem Patienten aufeinandertreffen, das zeigt neben der britischen Studie auch eine noch als Preprint veröffentlichte Untersuchung aus Brasilien.
Dort untersuchten Forscher eine umfangreiche Sammlung von 2.263 sequenzierten Virusgenomen, die zwischen Mai 2020 und April 2021 erfasst worden waren. Die Wissenschaftler stießen auf insgesamt neun Fälle einer Superinfektion, in den meisten Fällen war die Gammavariante (P.1) beteiligt, die vor allem in Brasilien zirkulierte. Sie kommen zu dem Schluss, dass es sich um ein sehr seltenes Phänomen handele.
Genomsequenzierungen in Deutschland: Überwiegend eindeutige Viruslinie identifizierbar
Laut dem RKI sei es auch gut möglich, dass viele ähnliche Fälle übersehen werden. Der PCR-Test stellt in der Regel nur fest, ob eine Infektion mit Sars-CoV-2 vorliegt. Wird er auf bestimmte Sequenzen des Viruserbguts eingestellt, gelingt zwar auch ein Nachweis einer bestimmten Virusvariante. Aber ob sich zwei verschiedene Varianten in einer Probe befinden oder sich sogar eine dritte herausgebildet hat, das können Forscher nur mit einer Sequenzierung des Genoms feststellen. Das setzte laut RKI eine hohe Viruslast voraus. Außerdem zeige die Erfahrung, "dass die Auswertung der Genomsequenz in den meisten Patientenproben zu einer eindeutigen Zuordnung zu einer einzelnen Viruslinie führt".
Allerdings: Je mehr Infektionen es zu einer Zeit gibt, in der die eine Viruslinie die andere ablöst, desto höher auch die Gefahr, das Rekombinationen auftreten. Daher wird es auch in Zukunft wichtig bleiben, möglichst viele Ansteckungen zu vermeiden, um gefährliche Virusmutationen zu verhindern.
Quellen
- UK Health Security Agency: SARS-CoV-2 variants of concern and variants under investigation in England, Technical Briefing 37, 25. Februar 2022
- Jackson et.al.: Generation and transmission of interlineage recombinants in the SARS-CoV-2 pandemic, Cell
- Dezordi et.al: Unusual SARS-CoV-2 intra-host diversity reveals lineages superinfection, Preprint
- Leibniz Insitut für experimentelle Virologie, Hamburg (HPI): Current data collected by the Hamburg Surveillance
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