Fallstudie Ungeborene können sich über Plazenta mit SARS-CoV-2 infizieren
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26. März 2021, 11:36 Uhr
Das Coronavirus SARS-CoV-2 kann über die Plazenta von der Mutter auf das ungeborene Kind übertragen werden. Das belegt eine aktuelle Untersuchung aus Frankreich. Die Mutter war zuvor positiv auf das Virus getestet worden. Es ist der erste richtige Nachweis einer solchen Übertragung in der Schwangerschaft.
Welche Auswirkungen eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 bei Schwangeren auf das ungeborene Kind haben kann, ist eine der großen Fragen der Pandemie. Es wurden zwar bereits Infektionen bei Neugeborenen beobachtet, woher die kamen, war aber unklar: von der Mutter über die Plazenta, vom Gebärmutterhals oder aus der Umwelt direkt nach der Geburt?
Nachweis einer Übertragung durch die Plazenta
Französische Forscher haben nun eine Fallstudie vorgelegt, die belegen soll, dass eine Übertragung des Virus über die mütterliche Plazenta auf das Kind möglich ist. Die Untersuchung ist im Fachmagazin Nature Communications erschienen.
Eine junge Schwangere wurde demnach mit Fieber und schwerem Husten ins Krankenhaus eingeliefert. Sie wurde positiv auf SARS-CoV-2 getestet und befand sich im letzten Trimester der Schwangerschaft. Durch detaillierte Untersuchungen konnten die Forschenden nicht nur die Infektion der Mutter, sondern auch ihrer Plazenta und des Kindes nachweisen. Nach der Geburt einige Tage später wurde das Baby ebenfalls positiv getestet.
Dass die Übertragung über die Plazenta erfolgte, schließen die Forschenden daraus, dass das Virus im Plazentagewebe sowie im Blut von Mutter und Kind nachgewiesen wurde. Die Viruslast in der Plazenta sei außerdem höher gewesen als im Fruchtwasser und im Blut. Das lasse vermuten, dass sich das Virus in den Plazentazellen aktiv vermehren und dann über die Nabelschnur auf das Baby übergehen könne.
Für Susanne Modrow, Professorin für Molekulare Virologie und Genetik an der Universität Regensburg, klingt das plausibel. Denn der zelluläre Rezeptor ACE2, den SARS-CoV-2 zur Bindung an die Zielzelle nutze, werde von Zellen in der Plazenta und im Gewebe von Föten bzw. Neugeborenen produziert. "Da die Produktion von ACE2 abhängig von der Zelldifferenzierung erfolgt, sind Übertragungen und Infektionen aber wohl nur vorübergehend zu bestimmten Zeitfenstern möglich", ergänzt Modrow.
Baby mit neurologischen Symptomen
Das Forschungsteam untersuchte das Baby nach der Geburt klinisch und mit bildgebenden Verfahren. Dabei fanden sie neurologische Auffälligkeiten, die denen erwachsener Patienten ähneln. Auch eine durch entzündete Gefäße ausgelöste Hirnschwellung sei wie bei den Erwachsenen festzustellen gewesen. Der Körper des Babys sei steif geworden und das Kind sei extrem reizbar gewesen. Es habe außerdem Schäden an der weißen Substanz im Gehirn davongetragen, schreiben die Forschenden.
Doch es gab ein Happy End: Das Neugeborene habe sich innerhalb von drei Wochen fast vollständig erholt, Mutter und Kind konnten das Krankenhaus gesund verlassen.
Fachleute halten Fallstudie für valide
In der Fachwelt stößt die französische Studie auf große Resonanz. Bisherige Berichte hätten zum Teil methodische Mängel aufgewiesen, sodass er die Übertragung der Infektion von der Mutter auf das Kind via Plazenta für unwahrscheinlich gehalten habe, sagt etwa Dr. Alexander Hein, Stellvertretender Direktor der Frauenklinik am Universitätsklinikum Erlangen. Die aktuelle Publikation weise diesen Übertragungsweg jedoch dezidiert nach. Sie zeige auf, "dass das Kind sich nicht nur über die Plazenta infiziert hat, sondern auch in der Folge eine manifeste Erkrankung entwickelte".
Ganz ähnlich sieht es auch Prof. Mario Rüdiger, Leiter des Fachbereiches Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin am Universitätsklinikum in Dresden: "Bei Besiedlung der Plazenta kann auch eine Infektion des Fetus (ungeborenen Kindes) auftreten. In diesem Fall ist auch das Neugeborene infiziert und damit voraussichtlich auch ansteckend. Letztlich scheint sich die fetale und die neonatale Infektion unter anderem in einer Infektion des Gehirnes zu manifestieren."
Verschiedene Registerdaten lassen bereits vermuten, dass diese intra-uterine Übertragung möglich ist, allerdings ist diese Veröffentlichung der erste methodisch einwandfrei durchgeführte Nachweis dafür.
Die Arbeit zeige, dass die Infektion im Mutterleib möglich sei, liefere aber keine Informationen darüber, "welche mütterlichen beziehungsweise kindlichen Faktoren die Schwere der mütterlichen oder kindlichen Infektion erklären", so Rüdiger. Denkbar wären etwa familiäre Immundefekte.
Schwangere sollen Ruhe bewahren
Müssen Schwangere also angesichts dieser Nachricht besonders vorsichtig sein? Vorsichtig ja, aber nicht übermäßig beunruhigt, raten die Franzosen.
Die gute Nachricht ist, dass es selten ist - sehr selten im Vergleich zur gesamten Weltbevölkerung.
Auch dem Dresdner Mediziner Rüdiger sind keine Daten bekannt, die vermuten ließen, dass Schwangere besonders gefährdet seien, eine SARS-CoV-2-Infektion zu bekommen oder an dieser überdurchschnittlich schwer zu erkranken. "Daher ist es verständlich, dass Schwangere in Deutschland nicht als Risikogruppe eingestuft werden", sagt Rüdiger.
Auch der Erlanger Mediziner Hein weist darauf hin, dass es sich nach aktueller Datenlage bei dieser Übertragung um ein sehr seltenes Ereignis handle. Auch er forscht derzeit daran, welche Folgen eine SARS-CoV-2-Infektion auf ungeborene Kinder hat. Die SCENARIO-Studie bezieht sich allerdings auf die frühen Schwangerschaftswochen und die Frage, wie sich eine Infektion dann auf den Schwangerschaftsverlauf und das Kind auswirkt. Das sei bisher völlig unklar, so Hein.
Unstrittig ist, dass Schwangere generell eine besonders vulnerable und schützenswerte Gruppe darstellen. Inwieweit Schwangere jedoch eine besondere Risikogruppe für eine SARS-CoV-2‑Infektion darstellen, lässt sich aktuell nicht eindeutig beantworten.
Die wichtigste Regel für Schwangere laute, auf eine gute Hygiene zu achten: sich also regelmäßig die Hände gründlich zu waschen und auf Abstandsregeln zu achten. Über die richtigen Hygieneregeln zum Schutz vor Infektionen müssten insbesondere Gynäkologinnen und Gynäkologen konsequent informieren, erklärt die Regensburger Virologin Modrow. Denn: "Grundsätzlich gilt, dass jede fieberhafte Infektion ein Risiko für die Schwangerschaft und die Gesundheit des Feten darstellen kann."
(kie)
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