Corona-Impfung Stiko empfiehlt angepasste Omikron-Impfstoffe als Booster

20. September 2022, 15:43 Uhr

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt, Booster-Impfungen künftig mit den angepassten Omikron-Impfstoffen durchzuführen. An den aktuellen Altersempfehlungen für Auffrischungsimpfungen hält das Gremium weiter fest.

Die Stiko spricht sich trotz einer Datenlage, die nicht zufriedenstellend sei, für die Impfung mit den angepassten, bivalenten Omikron-Impfstoffen aus. Bivalent bedeutet, dass sie sich neben dem Wildtyp zusätzlich gegen die Virusvarianten BA.1 beziehungsweise BA.4 und BA.5 richten. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hatte zunächst die BA.1-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna für alle Personen ab zwölf Jahren zugelassen, vergangene Woche folgte dann die Zulassung für den BA.4/5-Impfstoff von Biontech/Pfizer als Booster-Impfstoff.

Omikron-Impfstoffe als Booster

In einem Pressegespräch sagte Christian Bogdan, Stiko-Mitglied und Direktor des Mikrobiologischen Instituts an der Universität Erlangen, es sei entscheidend, dass man die Möglichkeit habe, Menschen, die mit der Omikron-Variante noch nicht in Kontakt waren, erfolgreich dagegen zu impfen. Aber auch für alle mit einer Impf-Indikation, die bereits eine Omikron-Infektion durchgemacht hätten, sei der Impfstoff als Booster geeignet. Der bivalente Impfstoff ermögliche eine Verbreiterung der Immunantwort.

Zugelassen sei der Impfstoff für alle Menschen ab 12 Jahren, die bereits grundimmunisiert sind  – also bereits mit den Wildtyp-Impfstoffen mindestens zweimal geimpft wurden, erklärte Bogdan. Nun sollten die erste und gegebenenfalls weitere Auffrischungsimpfungen vorzugsweise mit den angepassten Impfstoffen erfolgen. Welcher der beiden Omikron-Impfstoffe dabei genutzt würde, sei zweitrangig, so Bogdan. Wichtiger sei, dass Menschen, die eine Indikation für eine Booster-Impfung hätten, sich zügig boostern ließen.

Die Stiko hat sich in dem vorliegenden Beschluss entschieden, dass wir uns für eine vorzugsweise Anwendung dieser Impfstoffe ausgesprochen haben.

Prof. Dr. Christian Bogdan

Die Empfehlung zur vorzugsweisen Nutzung der Omikron-Impfstoffe bedeute aber nicht, so Bogdan, dass die bisherigen Impfstoffe nicht mehr benutzt werden könnten. Diese könnten natürlich weiterhin verwendet werden, denn auch die Wildtyp-Impfstoffe schützten gut vor schwerer Erkrankung, Hospitalisierung und Tod. Doch in Hinbllick auf eventuelle zukünftig auftretende weitere Omikron-Varianten habe man sich für die neue Empfehlung entschieden, da die Omikron-Impfstoffe hier einen Vorteil haben könnten.

Worin der Vorteil einer vierten Impfung mit dem angepassten Impfstoff liegt, erklärte Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie sowie derzeit Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung: In der Entwicklung der Virus-Varianten sei der große Sprung der vom Wildtyp zur Omikron-Variane BA.1. Insgesamt gebe es an den "1273 Perlenketten" im Spike-Protein an 30 Stellen Mutationen. Bei BA.4 und BA.5 seien es noch einmal drei Stellen mehr. Das habe einen Einfluss auf die Antikörper, die der Körper bilde, so Falk.

Alters-Empfehlung für vierte Impfung bleibt

Die Stiko hält an ihrer bisherigen Einschätzung fest, für welche Gruppen eine zweite Auffrischungsimpfung zu empfehlen ist: Das umfasse etwa alle Menschen ab 60 Jahren, Personen mit entsprechenden Vorerkrankungen bzw. Immunsupprimierte und Menschen, die in medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen tätig sind. Insgesamt empfiehlt die Stiko nach wie vor vier Impfungen, falls eine dieser Indikationen vorliegt. Nur bei hochbetagten Personen und immunsupprimierten Personen mit schwacher Immunantwort könnte man ein fünftes Mal impfen, so Stiko-Mitglied Bogdan. Er erläuterte außerdem, dass es aktuell keinen Anlass gebe, die Altersgrenze zu ändern und auch Jüngeren Menschen die zweite Auffrischungsimpfung pauschal zu empfehlen. Denn das primäre Ziel sei es nach wie vor, schwere Infektionen, Hospitalisierung und Tod zu verhindern.

Ein gesunder junger Mensch unter 60, der dreimal geimpft worden ist, der braucht jetzt erst mal keine vierte Impfung. Daran ändert sich auch nichts durch die Zulassung und durch die Empfehlung der adaptierten Impfstoffe.

Prof. Dr. Christian Bogdan

Bogdan bedauerte außerdem den Eindruck in der Öffentlichkeit, dass die Impfungen Corona-Infektionen komplett verhindert werden könnten, der auch durch ungünstige politische Äußerungen entstanden sei. "Das ist nicht das, worum es geht", sagte er, denn das sei irreal und nicht ohne Weiteres zu schaffen. "Natürlich hat jeder irgendwie den Traum einen Erreger zu eliminieren. Aber dazu ist SARS-CoV-2 das komplett falsche Virus", so Bogdan und ergänzt: Das Virus werde nicht verschwinden und wir werden uns auf kurz oder lang mit ihm arrangieren müssen.

In Hinblick auf die Kinderimpfung erklärte Bogdan, dass auch diese nicht dringender geworden sei. Lediglich Kinder, die etwa aufgrund einer Grunderkrankung gefährdet seien, könnten auch schon jetzt im Alter unter zwölf Jahren geimpft werden. Bei gesunden Kindern hingegen sieht er keine Notwendigkeit für eine Auffrischungsimpfung mit dem neuen Omikron-Impfstoff. Diese Gruppe sei ohnehin aufgrund der hohen Omikron-Infektionszahlen in weiten Teilen schon mit diesen Virus-Varianten in Kontakt gekommen und habe eine Immunität ausbilden können.

Stiko bemängelt Daten-Lage

Das Stiko-Mitglied und Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg sowie Direktor von Cochrane Deutschland, Jörg Meerpohl, kritisiert jedoch die schwache Datenlage zu den angepassten Impfstoffen. Das Gremium habe deshalb seine Empfehlung anhand der zahlreichen Folgestudien zu den Wildtyp-Impfstoffen sowie der Erfahrungen damit ableiten müssen. Die Daten im Menschen zu den angepassten BA.1-Impfstoffen lieferten ein weiteres "Puzzlestück", so Meerpohl.

Eine frau beobachtet eine weiße Maus
Reichen Daten aus Maus-Experimenten für eine Empfehlung? Bildrechte: imago/Jochen Tack

Im Fall des auf die Varianten BA.4 und BA.5 angepassten Impfstoffs von Biontech/Pfizer lagen der Stiko tatsächlich nur Daten aus Experimenten an Mäusen vor, sagt der Erlanger Professor Bogdan. Da habe es in der Tat noch keine humanen Daten gegeben. In der Maus sei bei den Experimenten geschaut worden, ob analog zu den bisherigen Impfstoffen entsprechende Antikörper-Antworten ausgelöst wurden, erklärt er. Es gebe keinen Grund zur Annahme, dass das beim Menschen anders wäre. Dennoch sei es natürlich ein Schwachpunkt, dass keine Daten vom Menschen vorlägen und die Stiko könne das angesichts des Zeithorizonts der Entwicklung auch nicht nachvollziehen.

Der Freiburger Professor Meerpohl sagte sogar, dass man bei einem neuen Virus keine Empfehlung auf dieser Basis ausgeprochen hätte. Insgesamt dürfe die dünne Datenlage nicht zum Dauerzustand werden. "Das ist nicht befriedigend", sagte Meerpohl. Dennoch, sagt sein Stiko-Kollege Bogdan, gebe es wohl keinen so gut erforschten Impfstoff in so kurzer Zeit wie die RNA-Impfstoffe gegen das SARS-CoV-2-Virus. "Das heißt also, unter dem Aspekt haben wir schon eine sehr gute Ausgangssituation."

Link

Die aktuellen Stiko-Empfehlungen finden Sie auf der Website des Robert-Koch-Instituts zum Nachlesen.

(kie)

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