Obduktionen nach Covid-19 Ein Drittel der Toten trägt Corona im Gehirn
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20. August 2020, 15:58 Uhr
Erst die Obduktion eines Coronatoten zeigt, ob er an oder mit Corona gestorben ist. Deutsche Pathologen haben die wichtigsten Erkenntnisse der vergangenen Monate zusammengefasst.
Im Internet wird noch gestritten, aber auf den Seziertischen ist die Faktenlage eindeutig: Das Virus hat wenig mit einer gewöhnlichen Influenza, der Grippe, gemeinsam. Drei Viertel der verstorbenen Covid-19-Patienten sind an der Infektion gestorben und nicht an einer Vorerkrankung oder Altersschwäche. Das zeigen über 150 Obduktionen von Corona-Toten, die deutsche Pathologen in den vergangenen Monaten der Krise durchgeführt haben.
Corona reißt Löcher in die Blutgefäße
Bei einer virtuellen Pressekonferenz der Bundesverbands Deutscher Pathologen am Donnerstag haben sechs deutsche Totenmediziner die wichtigsten Erkenntnisse aus den Autopsien Corona-Verstorbener zusammengefasst. Eine Umfrage unter 68 pathologischen Instituten bestätigt einerseits Bekanntes: Mehr als zwei Drittel der Toten sind Männer, die in über der Hälfte der Fälle an Lungenschäden gestorben sind. Und wenn es Vorerkrankungen gibt, dann sind es häufig Defekte des Herz-Kreislaufsystems, Übergewicht und/oder Diabetes.
Detailuntersuchungen von Blutgefäßen zeigen aber: Es ist das Virus, dass die Patienten umgebracht hat, nicht ihre Vorerkrankungen. Denn Corona befällt vorzugsweise die Zellen in den Gefäßwänden, die sogenannten Endothelien, reißt so Löcher in Adern oder Lungenbläschen und lässt Blut oder Lymphflüssigkeit eintreten, bis es zum Zusammenbruch kommt. Bei 75 Prozent aller Fälle in der Umfrage sei Covid-19 die wesentliche oder sogar alleinige zum Tode führende Erkrankung gewesen, sagt Johannes Friemann, Leiter der Pathologie am Klinikum Lüdenscheid.
Corona befällt das Gehirn
Auch schon länger bekannt ist die Tatsache, dass Corona nicht nur die Lungen befällt. Überall im Körper verursache das Virus Thrombosen, also Blutgerinnsel, sagt Gustavo Baretton, Pathologe am Universitätsklinikum Dresden. Diese Eigenschaft hat es zwar mit den Influenza-Viren gemeinsam. Aber bei Corona seien diese Gerinnungsstörungen neunmal häufiger als bei der Grippe.
Erst langsam rückt dagegen der Umstand in den Blick, dass das Virus auch das Gehirn befällt. Einen Hinweis darauf lieferten die weit verbreiteten Symptome von Geruchs- und Geschmacksstörungen, über die Covid-19-Patienten häufig berichten. Bei neurologischen Obduktionen verstorbener Patienten zeigte sich: Ein Drittel hatte befallene Zellen im Kopf. Dorthin war Corona offenbar über die Riechfasern im Nasenrachenraum gelangt. Erstaunlich ist der Befall der Hirnzellen, weil der ACE2 Rezeptor – also die für das Virus zentral wichtige Andockstelle - dort kaum vorkommt. "Hier ist offenbar Neuropilin-1 der neue Eintrittsrezeptor", sagt Till Acker, Neuropathologe an der Universität Gießen. Damit wird immer deutlicher: Corona ist eine Multiorganerkrankung.
Zu wenig Geld für Autopsien
Kritik übten die Pathologen an den fehlenden finanziellen Mitteln. Es müssten deutlich mehr verstorbene Coronapatienten obduziert werden, um mehr Erkenntnisse über das Virus zu gewinnen, sagten sie bei der Pressekonferenz. Dazu müsse die Obduktionsvereinbarung zwischen Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft dringend überarbeitet werden. Ohne neurologische Untersuchung kostet eine solche Autopsie etwa 1.250 Euro.
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