Markus Söder wird von Dr. Ritter gegen Influenza geimpft.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will ein Vorbild sein und lässt sich öffentlichkeitswirksam gegen Grippe impfen. Bildrechte: IMAGO / Sven Simon

Influenza und Covid-19 Corona-Inzidenzen sinken – stattdessen Comeback von Erkältung und Grippe

19. Oktober 2022, 13:35 Uhr

Aktuell ist etwa jeder zehnte Deutsche erkältet oder hat grippeähnliche Infekte. Corona hat daran nur noch einen kleinen Anteil. Stattdessen kündigt sich das große Comeback von Influenza und Co. an.

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Bildrechte: Tobias Thiergen/MDR

Eigentlich ist es eine gute Nachricht: Die aktuellen Zahlen zum Corona-Infektionsgeschehen deuten ein Ende der Herbstwelle an. Seit dem 13. Oktober fällt die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland wieder. Doch dafür übernehmen andere, durch Coronamaßnahmen zwei Jahre lang in Schach gehaltene Erreger das Geschehen und sorgen dafür, dass das Land den heftigsten Beginn einer Erkältungssaison seit vielen Jahren erlebt.

Inzidenzen: Coronazahlen sind aktuell rückläufig

Die Coronazahlen sind zwar mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, warnt unter anderen der Verband der akkreditierten Labore in der Medizin in einer Mitteilung. In der Statistik würden viele neue Infektionen wahrscheinlich nicht mehr erfasst, "da auch aus medizinischen Gründen nicht mehr alle symptomatischen Personen mit positivem Sars-CoV-2-Antigentest zur Bestätigung mit einem PCR-Test untersucht werden".

Trotzdem steigt der Anteil positiver Testergebnisse an allen Tests aktuell nicht weiter an und ein Grund dafür dürfte sein, dass immer mehr Menschen in Deutschland eine immer bessere Immunität gegen Sars-CoV-2 und seine Varianten aufgebaut haben. Dazu tragen auch die angepassten Impfstoffe bei. Zugleich aber stellt die Arbeitsgemeinschaft Influenza am Robert Koch-Institut fest, dass Erkältungen und schwere Infekte aktuell stärker verbreitet sind als in den Jahren vor der Pandemie.

Robert Koch-Institut: Atemwegserreger verbreiten sich ungehindert

Mit der Kalenderwoche 40 (3. bis 9. Oktober) hat in der RKI-Statistik das neue Grippejahr 2022/2023 begonnen. Datenbasierten Schätzungen zufolge haben sich in dieser Woche 9,1 Prozent der Deutschen einen neuen Schnupfen geholt, beziehungsweise eine andere akute Atemwegserkrankung, die sich durch eine laufende Nase, Halsschmerzen oder Husten bemerkbar machte. Davon hatten sich 1,9 Prozent, die sich eine grippeähnliche Erkrankung zuzogen, also einen Atemwegsinfekt mit Fieber. Damit hat sich allein in der ersten Oktoberwoche nahezu jede zehnte Deutsche einen neuen Infekt zugezogen.

"Was wir anhand unserer Surveillance-Systeme aktuell sehen, ist, dass sich Atemwegsviren zurzeit weitgehend ungebremst in der Bevölkerung verbreiten können – und damit auch Influenzaviren", sagt Ralf Dürrwald, Leiter des Nationalen Referenzzentrums für Influenza am RKI. Mit bislang 837 gemeldeten neuen Influenzainfektionen in der ersten Oktoberwoche hat die diesjährige Grippesaison schon zu Beginn ein Niveau erreicht, wie es in den Jahren vor der Pandemie meist erst im Januar und Februar der Fall war.

Kinderärzte: Kinder holen jetzt verpasste Infektionen nach

Dürrwald rät aber dazu, die Zahlen mit Vorsicht zu interpretieren. "Bei Anzeichen einer akuten Atemwegsinfektion wird ein Test auf Covid-19 und je nach Symptomatik und Grunderkrankung auf Influenza empfohlen, weshalb wahrscheinlich Influenza-Fälle detektiert werden und in den Meldedaten auftauchen, die in den vergangenen (vorpandemischen) Jahren um diese Zeit einfach nicht erfasst wurden."

Doch egal, ob die Zahl der Infektionen statistisch zu hoch oder korrekt angesetzt ist, Fakt ist: Nach zwei Jahren Abwesenheit sind nun auch die Influenzaviren zurück in Deutschland. "Durch die im Rahmen der Corona-Pandemie notwendigen Kontaktbeschränkungen fehlt unserem Immunsystem das natürliche Training, dass es braucht, um eine Immunität aufbauen zu können", sagt Markus Rose, leitender Kinderarzt am Olgahospital in Stuttgart. "Das macht sich besonders bei Kindern und Jugendlichen, die eigentlich jedes Jahr mit den Viren in Kontakt gekommen sind, bemerkbar. Krankheitserreger treffen auf ein unvorbereitetes Immunsystem."

US-Kinderarzt Kevin Messacar und Kollegen haben bereits im Juli in einem kurzen Paper für die Fachzeitschrift The Lancet berechnet, dass die durch die Pandemie-Maßnahmen nicht aufgebaute Immunität gegen Kinderkrankheiten zu einer starken Infektionswelle im kommenden Winter führen könnte. Die aktuelle Entwicklung könnte als Bestätigung dieser Prognose gewertet werden.

Gefahr: Doppelinfektionen mit Influenza und Corona

Stephan Ludwig, Direktor am Institut für Molekulare Virologie der Universität Münster, erwartet, dass die Zahlen neuer Ansteckungen mit Influenza in diesem Winter auch bei den Erwachsenen deutlich über denen der Jahre vor der Pandemie liegen werden. "Zum einen zeigt die Vergangenheit, dass auf Jahre mit schwächeren Grippewellen meist wieder eine stärkere Grippewelle folgt. Dies liegt daran, dass die Erreger mehr Zeit hatten, sich zu verändern und so einer über die schwächeren Jahre hinweg schlecht angepassten Immunität in der Bevölkerung entkommen können", sagt Ludwig.

Zum anderen lasse ihn die Grippewelle auf der Südhalbkugel in Australien aufhorchen. Meist sei es so, dass diese Erreger diejenigen seien, die sich später auch in Europa ausbreiten. Deshalb erwartet Ludwig, dass die australischen Influenzastämme auch die kommende Grippewelle bestimmen werden. "Da sich Coronaviren und Influenzaviren unabhängig voneinander ausbreiten, kann es zu Doppelinfektionen kommen, die besonders gefährlich sind", warnt der Mediziner. Er rät den besonders gefährdeten Gruppen wie den Senioren deshalb dazu, sich sowohl gegen Corona als auch gegen Influenza impfen zu lassen.

Steile Kurve in Australien: Grippewelle könnte schnell beginnen und wieder enden

Das RKI indes empfiehlt, einige der Corona-Schutzmaßnahmen auch im kommenden Winter umzusetzen, unter anderem Masken zu tragen, Innenräume regelmäßig gründlich zu lüften und bei Symptomen einer Infektion zu Hause zu bleiben. Anke Huckriede ist Professorin für Impfstoffe an der Universität Groningen in den Niederlanden. Sie sieht angesichts der in Australien gerade endenden Grippewelle keinen Grund zu größerer Beunruhigung. "Zwar begann die Grippewelle in Australien ungewöhnlich früh und zeigte einen sehr steilen Anstieg, aber dann waren die Zahlen relativ schnell wieder rückläufig, so dass die Grippewelle insgesamt durch die australischen Behörden als gering bis moderat eingestuft wird", sagt sie. "Auch waren vor allem Kinder und Jugendliche betroffen, bei denen schwere Krankheitsverläufe selten sind."

Links/Studien

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Hauptsache Gesund | 13. Oktober 2022 | 21:00 Uhr

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