Waldschlösschenbrücke Dresden
Die Waldschlösschenbrücke überspannt die Elbe in Dresden. Wegen ihr verlor das Elbtal den Unesco-Weltkulturerbe-Titel. Bildrechte: IMAGO / Shotshop

Artenschutz in Mitteldeutschland Biodiversität und Bauprojekte: "Einfach weiterleben wie bisher?"

15. Dezember 2022, 07:17 Uhr

Bei der COP15 wird gerade über die weltweite Biodiversität diskutiert. Aber auch für Mitteldeutschland ist das Thema relevant - etwa bei Bauprojekten, die für den Artenschutz umgeplant werden mussten.

Sie ist nur etwa vier Zentimeter groß und bestimmte doch die Nachrichten aus Dresden über Jahre mit: die Kleine Hufeisennase. 2007 sollte das seit mehr als 100 Jahren geplante Projekts eines Brückenzugs über die Elbe in Höhe des Waldschlösschens starten, kurz vorher wurde es jedoch gerichtlich untersagt. Der Grund war die auf der Roten Liste stehende Fledermaus, die in der Umgebung vermutet wurde. Letztlich wurde die Waldschlösschenbrücke doch bis 2013 fertig gebaut, was dem Elbtal den Entzug des Unesco-Weltkulturerbe brachte. Für den Schutz der Kleinen Hufeisennase wurden unter anderem rund 200.000 Euro teure Strauchkorridore angelegt und auf der Brücke eine temporäre 30-km/h-Zone eingerichtet.

Alle sächsischen Fledermausarten auch im Elbtal nachgewiesen

Doch hat dies etwas gebracht? Gesichtet wurde Rhinolophus hipposideros direkt an der Brücke noch nicht. Sowohl die FDP- als auch die AfD-Fraktion brachten schon Anträge für ein offizielles Monitoring der Tierart im Dresdner Stadtrat ein, auch um die Tempo-30-Vorschrift zu kippen - scheiterten damit aber an einer Ratsmehrheit. Der Dresdner Fledermausexperte Thomas Frank ist sich jedoch sicher, dass die Kleine Hufeisennase rund um die Waldschlösschenbrücke lebt. "Sie sind alle im Elbtal nachgewiesen", sagte Frank über die 22 in Sachsen beheimateten Fledermausarten gegenüber der "Sächsischen Zeitung". Auch Andreas Streit, der Chef des UN-Fledermaus-Sekretariats Eurobats, bewertet die Schutzmaßnahmen für die Kleine Hufeisennase als positiv für die in Deutschland vom Aussterben bedrohte Art.

Kleine Hufeisennase (Fledermaus)
Die Kleine Hufeisennase sorgte für einen dreimonatigen Baustopp und eine Umplanung bei der Waldschlösschenbrücke. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Aus Sicht des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und des Naturschutzbunds Deutschland (NABU), die beide gegen den Bau der Waldschlösschenbrücke geklagt hatten, wäre ein kompletter Verzicht auf die Brücke - etwa in Form einer ebenfalls diskutierten Tunnelvariante - allerdings die bessere Lösung gewesen. Auf Anfrage von MDR WISSEN nennt Marion Lehnert vom NABU Regionalverband Dresden-Meißen allerdings auch einige Erfolge für den Artenschutz, beispielsweise den Erhalt von Brutplätzen und Fledermausquartieren beim Abriss von Plattenbauten in Dresden. Auch sei derzeit der Schutz von Vögeln vor Kollisionen an Glasflächen ein wichtiges Thema bei der Erhaltung der Biodiversität - etwa durch ein spezielles Vogelschutzlaminat, das auf großen Glasflächen angebracht wird.

Hamster müssen Intel-Fabrik weichen

Es sind oftmals kleinere Tiere mit merkwürdig klingenden Namen, die größere Bauprojekte ins Wanken bringen. So geschehen bei der blauflügeligen Ödlandschrecke, die Magdeburg vor einigen Jahren in Atem hielt. Dabei handelt es sich um eine geschützte Heuschreckenart, die trockene Kiesflächen als Lebensraum bevorzugt. Ideal wäre dafür das lange brachliegende Gelände des ehemaligen Elbbahnhofs in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts gewesen, das ab 2003 jedoch bebaut wurde. Dabei wurde auch ein riesiger Parkplatz geplant, dessen Bau wegen ebenjener Ödlandschrecke umgeplant werden musste. Nach längerer Verzögerung wurde der Parkplatz schließlich 2006 mit einer deutlich teureren Kies- statt Asphaltdecke fertiggestellt.

Für den Wittenberger Insektenexperten Ralf Hennig nicht genug: "Die Ödlandschrecken legen ihre Eier im Boden ab und wenn da Autos drüber fahren, kann die Art langfristig nicht überleben." Tatsächlich wurden die Heuschrecken direkt an dem Standort auch noch nicht beobachtet, sind aber für die Magdeburger Elbwiesen prinzipiell belegt.

Ralf Hennig kritisiert im Gespräch mit MDR Wissen, dass die meisten Bauprojekte, durch die geschützte Arten bedroht werden könnten, nur verzögert oder umgeplant werden - aber letztlich nicht verhindert werden können. Ein weiteres Beispiel dafür aus der Region sei der Bau der neuen Intel-Fabrik im Südosten Magdeburgs. Auf dem Gelände sind mehrere Hamsterbauten gefunden worden, dazu werden rund 400 Hektar bester Ackerboden versiegelt. "Wir glauben an technische Lösungen, aber letztlich ist ein Austausch von Land nicht möglich", betont der Experte. Denn dies sei schließlich endlich.

Wir wollen einfach weiterleben wie bisher, das ist unsere Mentalität. Wenn es zur Frage kommt: Artenschutz oder Wirtschaft? gewinnt fast immer die Wirtschaft.

Ralf Hennig, Insektenexperte aus Sachsen-Anhalt

Links/Studien

cdi/pm

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Dieses Thema im Programm: MDR Aktuell | 14. Dezember 2022 | 08:20 Uhr

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