Bücher stapeln sich in mehreren Reihen hintereinander
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Buchmarkt Warum nachhaltiges Publizieren auch an uns hängt

22. März 2024, 17:12 Uhr

Bücher spielen eine wichtige Rolle, denn ihre Inhalte fördern das Wissen und den gesellschaftlichen Dialog - auch in Sachen Nachhaltigkeit. Umso wichtiger also, dass auch die Bücher selbst nachhaltig produziert werden. Nur gibt es auch Hindernisse, die ganz oft mit uns Lesenden selbst zu tun haben.

Junge Frau mit langen, braunen Haaren gelben Mantel, lacht und blickt mit leicht gesenktem Kopf in Kamera
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Gemessen an der Herstellung eines Handys hinterlässt die eines Buches kaum Abdrücke: Nach Studien des Freiburger Öko-Instituts (1 und 2) könnte man statt einem Handy 100 Bücher herstellen. Das allein ist aber zu pauschal gedacht. Zum einen gibt es zu viele individuelle Herstellungsfaktoren - die Herkunft des Holzes etwa oder der Standort der Druckerei. Zum anderen fehlt bei solchen Berechnungen der gesellschaftliche und kulturelle Wert eines Buches.

Und der hat durchaus etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. Denn er ist ein wichtiger Grund dafür, dass die Buchbranche zunehmend Verantwortung übernehmen möchte: Den gesellschaftlichen Dialog mit Büchern über Nachhaltigkeit zu fördern, während gleichzeitig Studien des WWF erklären, Tropenholz in Kinderbüchern gefunden zu haben (zuletzt 2015), scheint nicht richtig.

Mittlerweile gibt es Umweltbeauftrage in den Buchunternehmen und eine Interessengruppe zur Nachhaltigkeit im Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Sie sollen und wollen die Prozesse vom Holzabbau, über die Papierfabrik und die Druckerei bis hin zur Präsentation im Laden auf Nachhaltigkeit prüfen.

Wo man beginnen sollte, scheint klar: Der Elefant im Raum ist das Papier! Laut Nadja Kneissler, Vorsitzende des Ausschusses für Verlage und Sprecherin der IG Nachhaltigkeit beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels, entfallen mehr als 80 Prozent der Emissionen eines Buches auf die Papierherstellung. Nur gibt es dort für die Verlage auch einige Hindernisse und die haben ganz oft mit uns Lesenden zu tun. Hier sind drei Dilemmas:

1. Die Haptik: Neue Bäume greifen sich schöner

Eigentlich klingt die Lösung einfach: Statt neue Wälder abzuholzen, könnten wir Papier wiederverwenden. Das schont Bäume und ist auch im Prozess umweltfreundlicher, glaubt man dem Umweltbundesamt. Demnach wird für Recyclingpapier gegenüber dem Frischfaserpapier nur etwa die Hälfte der Energie benötigt und zwischen einem Siebtel bis zu einem Drittel der Wassermenge eingespart – auch, wenn die konkreten Berechnungen, je nach Fabrik und Standort variieren können.

Nur sind viele Buchlesende eben auch Haptiker. Und das macht den Einsatz von Recyclingpapier schwieriger. Und zwar nicht, weil es qualitativ schlechter ist. Im Gegenteil: Laut Mariam En Nazer, Production and Sustainability Manager bei der Penguin Random House Verlagsgruppe, merkt man den Unterschied wahrscheinlich gar nicht mehr. Das erfordert aber mehr Altpapier. Ein Problem für so ein großes Verlagshaus wie das von Mariam En Nazer.

Die Verfügbarkeit von Altpapier ist in den Mengen, die wir benötigen, gar nicht vorhanden. Wir brauchen unterschiedliche Qualitäten an Volumen und Grammaturen und auch an Formaten.

Soll dann das Papier sehr weiß sein, wird der Bedarf noch höher. Denn durch die zusätzlichen Verarbeitungsschritte gehen laut Umweltbundesamt auch mehr Fasern verloren und es können von vorneherein nur hochweiße Altpapiersorten verwendet werden. Ob der Massenmarkt stabil bedient werden kann, ist also fraglich. Frischfasern werden nach wie vor gebraucht – übrigens auch teilweise im Recyclingpapier.

Schon jetzt werden laut Umweltbundesamt Frischfasern dem Recyclingpapier oft beigemischt. Etwa 20 Prozent, für die Festigkeit. Auch hier fühlt sich vielleicht der ein oder andere Haptiker angesprochen. Aber Frischfasern seien auch nicht per se schlechter, so Mariam En Nazer, denn beim Recyclingpapier benötige man zwar weniger Rohstoff, dennoch aber oft viel Energie. Wichtig sei nur, dass der Abbau nachhaltig geregelt sei. Und das ist bald Gesetz, denn die EU hat eine Verordnung dazu beschlossen. Eigentlich gut, nur führt das auch zum nächsten Dilemma.

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2. Die Extras: Das Bärchen am Kinderbuch

Gerade bei Kinderbüchern gibt es viele Zusatzelemente: Aufklappbare Häuser, ein Hund, der bellt, wenn man ihn streichelt, oder ein Rasselbärchen, das aus dem Buch hängt. Für die Kinder ein tolles Extra. Im Sinne der Nachhaltigkeit könnte das aber in Zukunft schwieriger werden.

Denn die sogenannte „Regulation on Deforestation“ ist seit Juni 2023 in Kraft. Nun hat die Bundesregierung bis Ende 2024 Zeit, diese auch auf nationaler Ebene umzusetzen. Die Verordnung verbietet den Import von illegal erzeugtem Holz oder Holzprodukten in die EU oder deren Erzeugung in EU-Staaten. Nachweise müssen die Importeure bringen und damit auch die Papierfabriken oder eben die Verlage, wenn sie ein Buch im Ausland haben drucken lassen.

Was das nun mit dem Bärchen zu tun hat? Laut Mariam En Nazer werden Kinderbücher mit solchen Extras nicht nur wegen des Preises in Asien produziert, sondern auch, weil Druckereien in Europa das oft gar nicht mehr anbieten würden. Mit der neuen Verordnung könnten sich die Verlage nun sicherheitshalber gegen diese Produkte entscheiden. „Ich glaube vor dem Hintergrund der EU Deforestation Regulation, damit steht und fällt sehr viel. Auch, wie die Verlage dann mit dem Thema Asienproduktion umgehen werden.“

Ob es dann die Zusatzelemente am Buch nicht mehr geben wird oder sich neue Druckereien in Europa finden, wird sich zeigen. Die Buchextras sind jedenfalls Teil einer Aufmerksamkeitsökonomie, die sich auch mit der Nachhaltigkeit beißt.

3. Die Optik: Das kunterbunte Lieblingscover

Wer in den Buchladen geht, kennt es: Von allen Seiten strahlen einem aufwendig gestaltete, farbige Cover entgegen, die nur eines zum Ziel haben: Aufmerksamkeit. Denn für viele Lesende ist das Cover allein schon ausschlaggebend, ob das Buch näher betrachtet wird oder nicht. Die Cover werden entsprechend aufwendig produziert. Nur, wo ist die Grenze? Eine Debatte, die in der Branche geführt wird, beispielsweise bei den Schutzumschlägen.

Dazu Nadja Kneissler: "Früher hatte ein Schutzumschlag die Funktion, den Inhalt zu schützen. Und eigentlich hat man ihn sogar weggeworfen, wenn man das Buch zu Hause hatte. Und heute sind die Schutzumschläge irgendwie das Markenkennzeichen und werden mit ganz viel Brimborium produziert."

Ich glaube, da müssen wir auch wieder versuchen, die Leserinnen und Leser dahin zu bringen, dass sie wieder sagen: Okay, es geht mehr um den Inhalt.

Doch der Fokus auf den Inhalt ist leichter gesagt als getan, denn bei vielen Lesenden haben die Verlage im Zweifel gar nicht die Chance, den Inhalt zu präsentieren. Option eins ist deshalb, unauffällig zu reduzieren. Mit umweltfreundlichen Schriften beispielsweise, die kleine Lücken aufweisen und damit Tinte sparen, ohne dass es mit bloßem Auge erkennbar ist. Und mit einem schlichten, aber gut gemachtem Cover, das durch die Idee glänzt. Das funktioniert aber nicht in jedem Genre.

Jugend- und Kinderbücher etwa kämpfen wie kein anderes Genre um Aufmerksamkeit durch Farbe und die oben genannten Zusatzelemente. Beides bedeutet auch einen größeren CO2-Abdruck in der Herstellung und – viel wichtiger – möglicherweise ein erschwertes Recycling. Digitaldruckfarben etwa seien laut Mariam En Nazer in der Vergangenheit eher kritisch gewesen, auch Farben, die auf Bio-Öl basieren, obwohl der Ansatz gut sei. Außerdem hätten die Farben auch unterschiedliche Eigenschaften, etwa wie schnell sie ausbleichen. Den einen richtigen Weg gibt es deshalb ihrer Meinung nicht. Aber: „Auf jeden Fall mineralölfrei, darauf können wir uns, glaube ich, einigen.“

Was der Lesende tun kann

Wie den Lesenden in Zukunft ein umweltfreundliches Buch gekennzeichnet werden soll, ist noch nicht klar, sagt Nadja Kneissler. Zum einen, weil es zu viele Faktoren gibt, die ein Buch im Herstellungsprozess umweltfreundlicher machen. Viele Zertifikate verweisen zum Beispiel bisher nur auf das Papier. Zum anderen wolle man nicht den Eindruck erwecken, Green Washing zu betreiben oder Schuldgefühle beim Leser provozieren. Verkaufen muss sich das Buch ja trotzdem.

Vielleicht kann das Umdenken aber auch ein wenig von den Lesenden kommen. Und dabei hilft es die eigenen Ansprüche bezüglich Optik und Haptik zu reflektieren und mit offenen Augen durch den Buchladen zu gehen. Für Vielleser sind außerdem E-Books eine gute Alternative. Auch das hat die Studie des Öko-Instituts errechnet. Demnach wären Sie – trotz der verwendeten Rohstoffe – mit mehr als 10 Büchern im Jahr umweltfreundlicher mit dem E-Book-Reader.

Papier sparen geht aber ebenso, indem die Bücher einfach mehrfach verwendet werden: In Bibliotheken, durch Büchertauschbörsen, mit Bücherschränken oder in Antiquariaten.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Um 4 | 22. März 0024 | 16:06 Uhr

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