Die Fassade eines Wohnhauses mit Balkonen und Balkontüren, die in der Mittagssonne teilweise mit Rollläden geschlossen sind.
In Spanien ist während der größten Mittagshitze Siesta. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Hitzewellen Siesta bald auch bei uns? Wie sich Deutschland im Klimawandel abkühlen kann

23. Mai 2023, 14:55 Uhr

Der Klimawandel bringt immer längere und stärkere Hitzewellen. Ein neuer Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung (Tab) fasst zusammen, wie sich Deutschland abkühlen kann, ohne mehr CO2 auszustoßen.

  • Deutschland muss sich auf häufigere Hitzewellen einstellen. Technologien wie Wärmepumpen könnten Neubauten gleichzeitig heizen und kühlen.
  • Im Gebäudebestand halten Experten einfachere Maßnahmen wie bessere Dämmungen oder außenliegende Verschattungen für sinnvoller.
  • Denkbar sind auch soziale Innovationen wie die Einführung einer Siesta während sehr starker Hitzephasen.

Es ist ein potenzieller Teufelskreis: Durch den Klimawandel klettern in Deutschland die Temperaturen an immer mehr Tagen auf über 30 Grad Celsius. Dadurch wächst der Bedarf an Klimaanlagen, denn starke Hitze stört nicht nur bei der Arbeit, sie kann auch zur echten Gesundheitsgefahr für alte oder geschwächte Menschen werden. Klimaanlagen aber benötigen viel Strom. Kommt der aus großen Kohlekraftwerken, wird jede Menge neues CO2 freisetzt. Und das treibt dann die Erwärmung weiter an. Das Büro für Technikfolgenabschätzung (Tab) des Deutschen Bundestags hat deshalb nun in einem neuen Bericht erörtert, welche Möglichkeiten wir haben, auf möglichst klimaneutrale Art und Weise mit der steigenden Hitze fertig zu werden.

Kühlgeräte brauchen viel Strom – und nutzen oft extrem klimaschädliche Kühlmittel

Schon im Jahr 2017 entfielen rund 14 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland auf Kühlsysteme – ein knappes Viertel davon auf Klimaanlagen, ein weiteres Fünftel auf Kühlschränke und Gefriertruhen. "Im Bericht wurde sehr anschaulich herausgearbeitet, dass Deutschland im weltweiten Vergleich besonders stark vom Erwärmungstrend betroffen ist", sagt André Kremonke vom Lehrstuhl für Gebäudeenergietechnik an der Technischen Universität Dresden. Zusätzlich zum Energieverbrauch sind häufig auch die verwendeten Kühlmittel problematisch. Sogenannte fluorierte Gase (F-Gase) sind zwischen 100- und 24.000 mal so klimaschädlich wie CO2.

Eine Möglichkeit ist also, künftig vor allem auf weniger effektive, dafür klimafreundlichere Kühlmittel zu setzen. Außerdem schlägt der Tab-Bericht eine Bündelung der Kühlung in Wohnquartieren vor, bei der es analog zur Fern-, bzw. Nahwärme künftig auch Fernkälte geben könnte. Dabei könnten auch Wärmepumpen eine Rolle spielen, die nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Kühlen eingesetzt werden können.

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Wärmepumpe mit Geothermie: Im Winter Heizung, im Sommer Kühlung

Kremonke, der nicht am Bericht beteiligt war, sieht hier sinnvolle Doppelnutzungen, vor allem bei Wärmepumpen, die mit Erdwärme arbeiten. Im Winter können sie Wärme aus dem Boden in die Häuser leiten, im Sommer Abwärme aus den Gebäuden in den Boden. "Aktuelle Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass damit die Investitionskosten für eine Geothermienutzung im Heizfall deutlich gesenkt und der Kühlbetrieb mit minimalen Betriebskosten realisiert werden kann", so Kremonke.

Doch solche Maßnahmen sind leichter in Neubauten umsetzbar als bei Bestandsgebäuden. Das gilt auch für Dachbegrünungen, bei denen Pflanzen Wasser speichern und bei großer Hitze über Verdunstung wieder abgegeben sollen. "Tatsächlich sind aber die Möglichkeiten, heutige Gebäude mit Schrägdächern oder nur wenig belastbaren Flachdächern mit Gründachlösungen auszustatten, begrenzt", sagt Jens Hasse, Stadtökologe am Deutschen Institut für Urbanistik in Köln.

Fassadendämmung und helle Farben für die Wände

In Bestandsgebäuden seien deshalb vor allem ähnliche Maßnahmen realistisch, wie sie bereits zur Senkung von Heizbedarfen umgesetzt werden, also eine bessere Isolierung von Wänden und Fenstern, zusätzliche eine außenliegende Verschattung und hellere Farben an Fassaden und Dächern.

Je früher solche Sanierungen geplant und umgesetzt würden, desto effektiver könnten sie wirken, sagt Hasse. "Wenn Maßnahmen zur nachhaltigen Kühlung für einen besseren Hitze- und Gesundheitsschutz bereits bei der Konzeption und Planung von gebäudetechnischen Anlagen und dem öffentlichen Raum berücksichtigt werden, können höhere Kosten voraussichtlich weitgehend vermieden werden." Klar sei, dass es dafür auch steuerliche und finanzielle Anreize brauche.

Braucht Deutschland künftig eine Siesta?

Neben Umbauten einzelner Gebäude listet der Tab-Bericht auch Maßnahmen für die Stadtplanung auf. Zum Beispiel solle bei Baugenehmigungen darauf geachtet werden, dass Schneisen für den Wind bestehen bleiben, durch die nachts kalte Luft in und durch die Städte strömen kann.

Zudem seien soziale Innovationen wie die Einführung einer Siesta in Deutschland denkbar. "Tägliche Hitzepausen sind beispielsweise in Spanien als Siesta kulturell üblich. Ähnliche Traditionen finden sich in anderen heißen europäischen Ländern wie in Portugal, Griechenland oder im Süden Italiens und Frankreichs", heißt es im dem Bericht.

Sollte es im Sommer zu heiß werden, könnte auch in Deutschland die Arbeit zwischen 14 und 17 Uhr ruhen. Oder die Wochenarbeitszeit wird generell von 40 auf 35 Stunden verkürzt und ein früher Feierabend ab 15.30 Uhr eingeführt. "Diese Maßnahme hätte vermutlich einen großen, positiven Einfluss auf den Energiebedarf für Kühlanlagen – würde jedoch gleichzeitig eine große kulturelle und legislative Anpassungsleistung auf nationaler Ebene bedeuten", räumen die Autoren ein.

Mobile Klimageräte sind Klimakiller

Klar ist aber, dass Politik, Wirtschaft und Einrichtungen das Thema Kühlung künftig systematisch planen müssen. Der Einsatz von mobilen Raumklimageräten sei dagegen die schlechteste Methode, sagt Gerrit Füldner vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg. "Häufig zu beobachten war der Einsatz solcher Geräte in den letzten Jahren bei akuten Hitzewellen, da sie ohne Planungs- und Installationsaufwand nutzbar sind – man kann sie einfach im Baumarkt kaufen. Sie sind aber extrem ineffizient."

Baumarktlösungen würden den Energiebedarf also deutlich steigern und den Klimawandel weiter verschärfen.

Links/Studien

(ens/smc)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | FAKT | 09. August 2022 | 21:45 Uhr

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