Marine Hitzewelle Großes Vogelsterben im Pazifik: "Blob" ist schuld

16. Januar 2020, 15:27 Uhr

Zwischen 2015 und 2016 wurden rund eine Million tote Lummen an der Pazifikkküste Nordamerikas gefunden. Nun scheinen US-Forscher eine Antwort auf die Frage gefunden zu haben, warum so viele dieser Seevögel starben: Der "Blob", ein Meeresgebiet mit stark erhöhter Temperatur, hat offenbar dazu beigetragen, die Nahrungsgrundlage der Lummen zu vernichten.

"Man muss es sich so vorstellen, wie einen Run auf einen Supermarkt, bei dem gleichzeitig die Lieferwagen immer seltener kommen", erklärt die Co-Autorin der Studie Julia Parrish den Effekt. "Wir glauben, dass der Todesstoß für die Lummen darin bestand, dass - neben dem erhitzten Meeresgebiet - der Nahrungsdruck im Ökosystem extrem zugenommen hatte: Weniger Fischnahrung und Beute allgemein, verbunden mit einem erhöhten Nahrungswettkampf mit großen Raubfischen wie Schellfischen, Zandern und Pazifischem Kabeljau."

Die Forscher von der University of Washington und dem U.S. Geological Survey veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachmagazin "PLOS ONE". Dabei arbeiteten sie mit dem Coastal Observation and Seabird Survey Team (COASST) zusammen, bei dem Parrish Geschäftsführerin ist. Seevögel gehörten zu den sichtbarsten Mitgliedern des marinen Ökosystems und kündigten deswegen Veränderungen in dem System frühzeitig an, erklärte die Wissenschaftlerin.

Raubfische fraßen Lummen die Nahrung weg

Die toten Lummen wurden zwischen Mai 2015 und April 2016 an Stränden von Zentralkalifornien bis nach Alaska gefunden. Es waren rund 62.000 Exemplare - 1.000 Mal mehr als gewöhnlich. Die Forscher schätzten die tatsächliche Zahl der toten Tiere daraufhin auf ca. eine Million, da nur ein Bruchteil von ihnen an die Küste gespült wird.

Normalerweise sind die Lummen exzellente Taucher und können bei ihrer Nahrungssuche über 200 Meter unter Wasser schwimmen. Die Forscher schlossen aus Studien zur Fischerei, dass langanhaltende Wärmeperioden im Ozean zusammen mit dem "Blob" den Stoffwechsel von Kaltblüter-Lebewesen von Zooplankton bis zu Lachs und Schellfisch anregte. Die größeren Raubfische fraßen daraufhin mehr Nahrung als normal - und damit den Lummen ihre Grundlage weg.

Meereserwärmung beeinflusst Ökosysteme extrem

Dies passt zeitlich auch zum Auftreten eines heftigen "El Niño" in den Jahren 2015 und 2016, der eine bereits anhaltende Erwärmung der Wassertemperaturen vor der Pazifikküste noch verstärkte. In dieser Zeit starben auch andere Spezies in großen Mengen wie Papageientaucher, Bartenwale und Seelöwe. Kein Massensterben war allerdings so groß und hatte solche Folgen, wie das der Lummen. Viele der Vögel verendeten im fortpflanzungsfähigen Alter und konnten so keinen Nachwuchs produzieren.

"Das Ausmaß dieses Desasters ist beispiellos", erklärt John Piatt, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. "Es zeigt auf alarmierende Weise, wie stark sich die fortschreitende Erwärmung der Ozeane auf das marine Ökosystem auswirkt." Die Forscher hoffen nun, aus dem Massensterben der Lummen Erkenntnisse für weitere Todeswellen von Tieren ziehen, die sich während der Hitzewelle im nordöstlichen Pazifik ereignete. Am Ende könnten so Warnhinweise für größere Meereserwärmungen in der Zukunft entstehen. Denn aktuell bewegt sich schon wieder eine Hitzewelle entlang der Küste des Bundesstaats Washington in Richtung Alaska.

Riesenalk
Das Präparat eines Riesenalks im Naturkundemuseum Leipzig. Bildrechte: Naturkundemuseum Leipzig

Schon gewusst? Die Lummen gehören zur Familie der Alkenvögel (Alcidae). Die größte Art war der Riesenalk, der im 19. Jahrhundert mehr oder weniger absichtlich ausgerottet wurde. Die flugunfähigen bis zu 85 Zentimeter großen Vögel, die Pinguinen ähnelten, lebten auf Inseln im Nordatlantik.

Ab dem 18. Jahrhundert wurden sie vor allem wegen ihrer Daunen gejagt. Als nur noch wenige Exemplare übrig waren, besiegelten Ornithologen das Ende der Art - da sie sie töteten, um sie als Präparate zu verewigen. Eines der noch erhaltenen 78 Museumsexemplare findet sich dabei im Naturkundemuseum Leipzig (Foto), weitere etwa in Köthen und Wittenberg.

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