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Forschung zu Anglizismen und Denglisch im Alltag Gibt es Alternativen zu Anglizismen?

04. Oktober 2024, 13:47 Uhr

Unsere Sprache und unser Sprachgebrauch sind ständig in Bewegung: Sie spiegeln die gesellschaftlichen Entwicklungen wider, wie Anglizismen im Alltag zeigen. Gibt es Alternativen zu englischen Wörtern?

Mann mit Schal, Mütze und Brille blickt in die Kamera, steht dabei auf einem Weg in einem Park
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Schon der Versuch, den Begriff "Anglizismus" zu definieren, gilt in der linguistischen Forschung als problematisch, da er verschiedene sprachliche Einheiten umfasst. So gibt es formal auffällige Anglizismen wie "Film", "cool" oder "Job", Pseudo-Englisch wie "Handy" oder "Beamer", aber auch unauffällige lexikalische Entlehnungen wie "Standard" oder "Sport".

Viele Begriffe gibt es nur noch als Anglizismen

Beim "Denglisch" handelt es sich um eine meist abwertend genutzte Bezeichnung dafür, dass englische Adjektive, Verben und Wörter mit der deutschen Grammatik verschmelzen: "Ich habe das Programm gedownloadet", ist ein typisches Beispiel des Denglischen.

In manchen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens sind Anglizismen alternativlos geworden. So sieht es die Sprachwissenschaftlerin Karin Pittner von der Ruhr-Universität Bochum. "Gerade im Bereich Technik oder in vielen wissenschaftlichen Disziplinen ist es so, dass der Fachwortschatz im Grunde nur noch auf Englisch existiert und gar keine deutschen Pendants mehr gebildet werden. Als Wissenssprache hat Deutsch enorm an Bedeutung verloren", so die Linguistin.

Junge grenzen sich mit Englisch von Jungen ab

Die Sprachwissenschaft spricht von der so genannten Sprachloyalität, die in Teilen der Gesellschaft abnimmt. Die angloamerikanische Kultur(-industrie) und die Bedeutung des Englischen als Weltsprache mit fast 1,5 Milliarden Sprecherinnen und Sprechern trügen zur flächendeckenden und schnellen Ausbreitung mit englischen Begriffen bei, erklärt Pittner: "Wir haben gewisse Tendenzen, uns originell auszudrücken und neue Ausdrucksweisen zu suchen. Und die stammen sehr häufig aus dem Englischen, weil das Englische eine Sprache ist, die modern wirkt und hohes Prestige hat."

Dies gelte insbesondere für Heranwachsende, die mit englischen Wörtern ihr Gruppenbewusstsein und die Abgrenzung gegen Ältere zum Ausdruck bringen wollten. Generell ist der Sprachgebrauch abhängig vom Kontext und den Gesprächsteilnehmenden. Soll heißen: Wir verwenden da eher Anglizismen, wo wir sie auch für akzeptierter halten.

Wer Anglizismen eher ablehnt: Alte, "Abgehängte", Ostdeutsche

Die Einstellung zu Anglizismen in Deutschland variiert: Eine Studie der Philipps-Universität Marburg hat die psychologischen Prozesse hinter unterschiedlichem Sprachverhalten erforscht: Wer verwendet aus welchen Gründen Anglizismen und wer lehnt sie eher ab? Die Ergebnisse zeigen, dass hohes Alter, ostdeutsche Herkunft, die Einschätzung des eigenen sozialen Status als gering im Vergleich zu anderen Menschen in Deutschland, fehlende Englischkenntnisse und der Bildungsstand (Fachhochschulreife) negativ mit der Einstellung zu Anglizismen im Zusammenhang stehen.

"Eine Interpretation der Ergebnisse ist, dass die Abwertung von Anglizismen eine motivierte Reaktion gegen empfundene soziale Benachteiligung in einer globalisierten Welt sein könnte", so die Studienautoren. Andererseits könne auch die stärkere Westanbindung der alten Bundesländer dazu beigetragen haben, Anglizismen positiver gegenüberzustehen. "Überraschend war das Ergebnis für `Sicherheitsgefühl in der Nachbarschaft", ergänzen die Forscherinnen und Forscher. Wer sich in seiner Nachbarschaft unsicherer fühlt, der verwendet seltener Anglizismen als Menschen ohne diese Unsicherheit. Dieser Zusammenhang müsse allerdings noch detaillierter untersucht werden.

Der Anglizismen-Index

Der Verein Deutsche Sprache führt einen Anglizismen-Index, der zu vielen englischen Begriffen, die mittlerweile bei uns geläufig sind, eine deutsche Entsprechung anbietet und als Inspiration für den Alltagsgebraucht dienen kann.

Im Selbstversuchs-Podcast "Meine Challenge" versucht Reporterin Daniela Schmidt, eine Woche lang auf alle Anglizismen in ihrem Sprechen und Schreiben zu verzichten. Ob und wie ihr das gelingt, hören Sie in der Episode "Reden ohne Anglizismen".

Dieses Thema im Programm: MDR+ | Meine Challenge | 17. Mai 2024 | 12:00 Uhr

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