Viren von Ast zu Ast Können auch Bäume die Grippe bekommen?
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14. August 2020, 16:37 Uhr
Hygiene ist das A und O im Kampf gegen krank machende Viren. Das weiß spätestens seit der Corona-Pandemie jedes Kind. Aber haben Sie schon einmal daran gedacht, beim Baumschnitt die Schere zu desinfizieren? Sie sollten das zumindest mal in Betracht ziehen, denn Viren können nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch von Baum zu Baum übertragen werden. Und von diesen Baum-Viren entdecken Forscherinnen der Humboldt-Universität Berlin immer mehr.
Auch Pflanzen können krank werden: Doch wenn Bäume sich ein Virus einfangen, äußert sich das natürlich ein bisschen anders als bei Mensch und Tier. Husten, Schnupfen und Heiserkeit kommen ja nicht in Frage. Dafür gibt es aber eine ganze Menge anderer Symptome, sagt Professorin Carmen Büttner von der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie ist Phytomedizinerin und beschäftigt sich mit Laubbäumen.
An den Laubbäumen sehen wir auf Blättern charakteristische Symptome, die für uns ein Indiz sind, dass es sich um eine Virusinfektion handeln könnte. Das sind gelbe Flecke, Ringflecke, Scheckungen. Das können farblich gestaltete, ganz unterschiedliche Muster auf Blättern sein und das können Deformationen sein.
Bei einem Verdacht nehmen die Forscherinnen Proben und untersuchen sie im Labor. So konnten sie mehrere neuartige Viren in heimischen Bäumen nachweisen, die in Europa sehr weit verbreitet sind.
Auch Bäume können sich anstecken
Und die würden tatsächlich von einem Baum zum anderen übertragen, erläutert Büttner. "Man kann das nicht alles über einen Kamm scheren, sondern verschiedene Viren haben unterschiedliche Wege, Pflanzen und in dem Fall Bäume zu infizieren."
Es gibt Viren, die können durch Samen und Pollen übertragen werden. Auch Wurzelverwachsungen von Pflanzen spielen eine Rolle und bieten eine ideale Übertragungsmöglichkeit.
Und auch der Pflanzensaft beim Baumschnitt kann so ein Übertragungsweg sein. Ist ein Baum erst einmal infiziert, wird er das Virus nie wieder los. Es sei ein bisschen wie beim Herpes-Virus, sagt Büttner: Unter perfekten Bedingungen wachsen die Bäume einigermaßen normal, wenn aber weitere Stressquellen dazu kommen, bricht die Krankheit sichtbar aus. Bäume können an Viruserkrankungen sogar sterben.
Auch Nutzpflanzen könnten sich infizieren
Zuletzt hat das Team eine Untersuchung zu sogenannten Emaraviren veröffentlicht. Die können nicht nur Waldbäume, sondern auch unsere Nutz- und Kulturpflanzen befallen und werden vorrangig von Milben verbreitet. Eine Übertragung von Wild- auf Kulturpflanzen sei aber noch nicht beobachtet worden. Die Viren seien nämlich sehr wirtsspezifisch.
Wenn sie wirtsspezifisch sind, dann haben sie zunächst mal nicht so viele Wirte. Aber Viren können sich verändern, adaptieren und deswegen ist nicht auszuschließen, dass irgendwann auch mal Kulturpflanzen von Waldbäumen betroffen sind und umgekehrt.
Bevor das passiert, muss möglichst viel Wissen über die Baum-Viren angesammelt werden, ergänzt die Dendrovirologin. Sie leistet mit ihrem Team echte Pionierarbeit: Büttners Forschungsgruppe sei die einzige weltweit, die sich mit mehreren Baumarten beschäftige, erzählt sie.
Dabei gibt es angesichts der zunehmenden Schäden an Bäumen, die wahrscheinlich von Viren verursacht werden, sehr viel zu tun. Man müsse die Viren kennen, um auch auf sie testen zu können, erläutert sie.
Es müssen Testsysteme etabliert werden. Da können auch ganz vereinfachte Systeme entwickelt werden, sodass auch ein Baumschuler, der sonst eigentlich mit einem Labor wenig oder gar keine Berührungspunkte hat, solch einen Test mal auf die Schnelle durchführen kann.
Denn wenn so ein Virus in einer Baumschule auftaucht, können schnell zahlreiche Jungbäume betroffen sein. Das Team forscht derzeit in mehreren Projekten an der Verbreitung von Pflanzenviren in Straßen- und Parkbäumen, um künftig Handlungsempfehlungen für den Umgang mit virusinfizierten Bäumen in Forst und Stadt geben zu können.
Die aktuelle Studie der Berliner Forscherinnen können Sie hier nachlesen.
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