Testen für veränderte Bedingungen Welche Bäume können bei uns trotz Klimawandel wachsen?
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30. März 2020, 16:10 Uhr
An der Sängerwiese in der Nähe von Eisenach werden auf einer Kahlfläche gerade 35 unterschiedliche seltene und exotische Bäume gepflanzt. Dort entsteht ein "Arboretum", eine Baumsammlung. Was sich nach botanischer Spielerei anhört, verfolgt einen praktischen Nutzen: Das Forstamt will ausprobieren, wie diese Baumarten mit dem Klimawandel im Thüringer Wald klar kommen.
Aus der Not macht das Forstamt Marksuhl eine Tugend: An der Sängerwiese, einem vielbesuchten Ausflugsziel, hatte die Trockenheit der vergangenen zwei Jahre zahlreiche alte Buchen geschädigt, einige waren abgestorben. Um Waldbesucher nicht zu gefährden, mussten die Bäume fallen. Aber was sollte mit der Kahlfläche passieren? Forstamtsleiter Ansgar Pape hatte eine Idee: Er wollte ein Arboretum mit seltenen Baumarten anlegen, um zu testen, wie sie dem Klimawandel standhalten. Gleichzeitig wollte er die Bäume Spendern anbieten, die zu einem besonderen Anlass etwas Bleibendes pflanzen wollten. Für die nächsten zehn Jahre sollte die Fläche reichen, habe er gedacht, erzählt Pape. Doch kaum war das Projekt publik geworden, hatten alle 35 Bäume flugs Spender gefunden.
Viele sagen, pflanzt doch Exoten. Aber wenn man mit minus zehn Grad im Winter rechnen muss, dann haben die auch schon mal ein Problem.
Von A wie Amerikanischer Amberbaum oder Ahornblättrige Platane bis Z wie Zerreiche oder Zimt-Ahorn - schon die Namen klingen exotisch-interessant. Einige Baumarten kennen auch Fachleute bisher nur aus Büchern. Ein Forststudent hat die Wunschliste für das Arboretum nach einer Literaturrecherche erstellt, als er als Praktikant im Forstamt arbeitete. Nicht ganz einfach, denn die Bäume müssen nicht nur Hitze und Trockenheit gut verkraften können, sondern sollen auch Frost aushalten. Letztlich wurden die Wünsche mit den Erfahrungen einer Baumschule und Gärtnerei in Wutha-Farnroda abgestimmt. Der Betrieb hat die Bäume besorgt, zum Teil aus eigenem Bestand, zum Teil überregional bestellt. Bei einigen gab es lange Lieferzeiten, wenige Wunschbäume waren gar nicht zu bekommen - wie die Schuppenrinde-Hickorynuss.
Starke Solitärbäume
Die Kahlfläche an der Sängerwiese hat sich innerhalb der vergangenen Wochen sehr verändert. Zwischen den Stumpen der alten Buchen stehen mittlerweile rund zwanzig junge Bäume. Alle mit Schilfmatten um den Stamm - sorgsam geschützt gegen Wild und Wetter.
"In einer Baumschule stehen sie dicht an dicht", erklärt Lars Lämmerhirt von der Gärtnerei Richter in Wutha. Sie sind es nicht gewohnt, dass ihre Stämme Frost und Sonne direkt ausgesetzt sind. Die Schilfmatten sollen deshalb Frostrisse verhindern. Vor Wind schützen stabile Dreiböcke die jungen Bäume. Einige überragen die Holzkonstruktion schon deutlich, wie der Rot-Ahorn. Andere, wie der Urwelt-Mammutbaum oder die Kanadische Hemlocktanne, lugen gerade mal darüber hinaus. Da sie alle einmal große, starke Solitärbäume werden sollen, wie Revierförster Stefan Wichmann hofft, sind sie mit zwölf Metern Abstand gepflanzt. Derzeit sehr luftig - zumal es noch einige Lücken gibt mit großen Gruben, den Pflanzlöchern für die übrigen Bäume. Die Laubbäume sind noch kahl. Bei der Japanischen Lärche zeigen sich die frischen Nadeln bereits als grüne Spitzen, bei der Japanischen Blüten-Kirsche sind dicke Knospen zu sehen. Sie wird vermutlich als erste im Arboretum blühen.
Rinde wie eine Zimtstange
Freuen können sich künftige Besucher auch auf die Blüten des Amerikanischen Tulpenbaums. Andere Bäume haben eine auffällige Rinde. Der Zimt-Ahorn beispielsweise, bei dem sich schon beim jungen Baum die Rinde abrollt, so dass sie aussieht wie eine Zimstange. Die Rinde des Amerikanischen Amberbaums ist hell und faltig. Von ihm ist auch eine schöne Herbstfärbung zu erwarten - wie auch vom Rot-Ahorn. Mit dem Ginkgo ist die älteste Baumgattung der Welt vertreten. "Er hat Blätter, zählt aber zu den Nadelbäumen", sagt Gärtner Lars Lämmerhirt. Eignen sich diese Bäume auch für den Hausgarten? Einige schon, meint er, allerdings nicht für den Kleingarten. Da seien lediglich Vogelkirsche oder Elsbeere geeignet. Wer aber für ein 2.000 Quadratmeter großes Grundstück einen Solitär suche, könne auch zu Gingko, Platane, Edelkastanie, Baumhasel oder zur Echten Walnuss greifen. Es komme immer auf Boden und Standort an.
Spendenbereitschaft aus Sorge um den Wald
Alle Bäume haben eine einheitliche Plakette bekommen. Darauf finden sich der deutsche und der lateinische Name der Baumart. Außerdem sind die Spender genannt und der Anlass, für den sie den Baum gepflanzt haben: Für die Nachkommen, zum Geburtstag, zum Ehejubiläum oder zum Andenken an einen Verstorbenen. Warum die Menschen gerade so gerne Bäume pflanzen? Weil sie mit offenen Augen durch den Wald gehen und sehen, was da los ist, meint Forstamtsleiter Ansgar Pape. Die tiefe Waldverbundenheit der Deutschen treffen zusammen mit dem Gefühl, etwas Gutes zu tun. Und das sei auch so. Pape stellt sich vor, dass in fünf bis zehn Jahren kleine Wege durch den neuen Wald führen und Tafeln die Besucher über die verschiedenen Baumarten informieren. Weil die Nachfrage so groß ist, sucht das Forstamt jetzt schon nach weiteren Flächen, wo Spender besondere Bäume für besondere Anlässe pflanzen lassen können.
Die Menschen gehen mit offenen Augen durch die Wälder, sehen, was dort abgeht und machen sich große Sorgen. Da kommt die tiefe Waldverbundenheit der Deutschen zum Tragen. Und alle sagen auch: Ich tue etwas Gutes. Und das ist ja auch so.
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Nachmittag | 28. März 2020 | 16:20 Uhr