Made in Sachsen Die Autobahn der Zukunft: High Speed für Strom, Wasserstoff – und Autos
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28. April 2023, 15:26 Uhr
Die Autobahn der Zukunft könnte weit mehr sein, als nur eine einfache Straße: Sie hat nämlich das Potential zur Hochgeschwindigkeitsstrecke zu werden und gleichzeitig das Problem des Energietransports quer durchs Land zu lösen. Ein Forschungsteam aus Sachsen und den USA hat dafür ein Autobahn-Design entwickelt, das das Schweben über Supraleitern, die quasi verlustfreie Stromübertragung und den Transport von flüssigem Wasserstoff in einem System kombiniert.
Die Deutschen und ihre Autobahnen: Auf der ganzen Welt ist Deutschland als das Land bekannt, in dem es nicht nur tausende Kilometer Autobahn gibt, sondern auch dafür, dass man teilweise so schnell fahren darf, wie man möchte. Doch die Autobahn ist auch einer der großen Zankäpfel in der deutschen Klima-Debatte. Die einen wollen nicht noch mehr Fläche durch Beton versiegelt sehen, die anderen halten den Bau neuer Autobahnkilometer für wirtschaftlich unverzichtbar. Zuletzt hatte der Koalitionsausschuss entschieden, dass weitere Autobahn-Projekte gebaut werden sollen.
Doch in der sogleich verhassten wie geliebten Autobahn steckt womöglich viel mehr Potential für die Energie- und Verkehrswende, als man denken würde. Das jedenfalls sagt ein Forschungsteam aus Sachsen und dem US-Bundesstaat Texas.
Supraleiter für den Energietransport
Im ersten Moment klingt die Vision des Forschungsteams eher nach Science-Fiction: Von schwebenden Autos ist da die Rede und von Trassen, die Strom weitgehend ohne Verlust und Widerstand übertragen können. Doch das Ganze ist komplett real und ernst gemeint: Möglich machen sollen die Autobahn der Zukunft nämlich sogenannte Supraleiter.
Was sind Supraleiter?
Als Supraleiter werden in der Physik Materialien bezeichnet, deren elektrischer Widerstand beim Unterschreiten der sogenannten Sprungtemperatur praktisch null wird. Diese kritische Temperaturgrenze ist meist extrem niedrig, das Material muss häufig um mehrere hundert Grad abgekühlt werden.
Erreicht ein Material den supraleitenden Zustand, dann kommt es zum Meißner-Ochsenfeld-Effekt. Das heißt, das Innere des Materials wird frei von elektrischen und magnetischen Feldern. Supraleiter sind perfekt diamagnetisch – stoßen also magnetische Pole ab. Das führt dazu, dass Magnete über Supraleitern schweben, es kommt zur sogenannten Levitation.
Allerdings sind die Abstoßungskräfte viel zu gering, um etwa Fahrzeuge schweben zu lassen. Dazu braucht es größere Kräfte, die auf starken Magnetfeldern und deren Wechselwirkung mit dem Supraleiter basieren.
Das Forschungsteam aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Torgauer Herstellers für sogenannte Hochtemperatursupraleiter, Adelwitz Technologiezentrum GmbH, dem Dresdner Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung und der Universität Houston haben ein Design für eine mögliche Autobahn der Zukunft entwickelt, das auf Supraleitern basiert. Und die können tatsächlich Strom ohne Widerstand oder Leistungsverlust leiten und Magnete mühelos über sich schweben lassen.
Aufgrund dieser Eigenschaften würden sich die Materialien eigentlich ideal für Hochgeschwindigkeitszüge oder auch die Energieübertragung über große Entfernungen eignen. Tatsächlich wird auch international seit Jahren an solchen Technologien geforscht. Doch es gibt einen Haken: Die Supraleiter funktionieren nur bei sehr niedrigen Temperaturen von teilweise mehreren hundert Grad unter null.
Wasserstoff kühlt die supraleitende Autobahn
Diese extrem niedrigen Temperaturen, auf die das Supraleiter-Material heruntergekühlt werden muss, machen den Aufbau eines hypereffizienten Stromnetzes oder eines Hochgeschwindigkeits-Schienennetzes sehr teuer. Deshalb hat sich diese Technologie auch noch nicht durchgesetzt. Doch im Zuge der Energiewende könnte sich das ändern. Denn die Kosten relativieren sich, wenn ein Supraleiter-Netzwerk mehrere Aufgaben gleichzeitig erfüllen könnte, meint das Forschungsteam. Sie präsentieren in ihrem Machbarkeitsnachweis – einem sogenannten Proof of Concept – eine supraleitende Autobahn, die diese drei Aufgaben vereinen könnte: Fahrzeuge, Strom und Wasserstoff gleichzeitig zu transportieren.
Das Konzept sieht nämlich vor, die notwendigen Supraleiter unter der Fahrbahn mit einer Pipeline zu kühlen, durch die flüssiger Wasserstoff geleitet wird. Auch der muss ja quer durchs Land transportiert werden, denn er gilt als vielversprechende, saubere Brennstoffquelle, die für die Energiewende gebraucht wird. Doch auch hier gibt es ein Problem: Wasserstoff ist bei Raumtemperatur ein Gas. Und wenn man dieses Gas transportieren und lagern will, muss es in Drucktanks, die nicht ganz ungefährlich sind. Oder aber, man ändert den Aggregatzustand des Wasserstoffs: Ab einer Temperatur von minus 253 Grad Celsius wird er flüssig. Auch das Herunterkühlen auf diese kryogenen Temperaturen ist teuer. Doch im Konzept der Forschenden gleichen sich die Kosten für die Kühlung des Supraleiters und für den Wasserstoff-Transport aus.
Während bei der CO2-armen Energieerzeugung kontinuierlich Fortschritte erzielt werden, ist die notwendige Energiespeicherung nicht gelöst. (...) Aus unserer Sicht wäre der flüssige Wasserstoff mit der entsprechenden Wirtschaftsstruktur eine Lösung.
640 Kilometer pro Stunde im schwebenden Auto
Während also unter der Autobahn der Zukunft Strom und Wasserstoff fließen, spielen über der Erde immer noch die Fahrzeuge die wichtigste Rolle. Auch die sind Teil des Konzepts: Denn die Autos sollen mit Geschwindigkeiten von 400 Meilen pro Stunde - umgerechnet rund 640 Kilometer pro Stunde - über die Hochgeschwindigkeitsstrecke jagen können und das, ohne dabei den Boden zu berühren.
Damit das klappt, schlägt das Forschungsteam vor, die bisher übliche Anordnung von Magnetschwebebahnkonstruktionen auf den Kopf zu stellen. Bisher ist es bei den meisten solcher Technologien so, dass sich der Supraleiter im Fahrzeug befindet, das über einer Magnetschiene sitzt.
Eine ähnlich Magnettechnologie besitzt etwa auch der Transrapid, der sich in Deutschland zwar nie durchgesetzt hat, aber im chinesischen Shanghai erfolgreich betrieben wird. In Japan baut die japanische Eisenbahn eine supraleitende magnetische Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Tokio und Nagoya, später bis Osaka, erläutert der Erstautor der Studie, Oleksii Vakaliuk vom Adelwitz Technologiezentrum. "Bei Testfahrten 2015 wurde schon eine Geschwindigkeit von 603 km/h erreicht, genug um dem Flugzeug Konkurrenz zu machen". Dabei benötige die supraleitende Bahn für den Transport pro Person nur gut die Hälfte der Energie im Vergleich zum Flugzeug, so der Fachmann. Genug, um darüber auch in Deutschland nachzudenken."
Für ihr Autobahn-Konzept verlegt das Forschungsteam den Supraleiter nun in die Straße und will die Fahrzeuge mit den Magneten ausstatten.
Wir haben ein System entwickelt, das eine riesige Menge Energie transportieren und speichern und auch Menschen und Güter mit Geschwindigkeiten von mindestens 640 Kilometern pro Stunde transportieren kann.
Das Ergebnis sei dann ein System mit mehreren Verwendungsmöglichkeiten, das das Design in den Bereich des Erschwinglichen rückt, so die Forschenden. Denn wenn der Supraleiter die magnetischen Fahrzeuge schweben lässt, können sie eben, anders als bei supraleitenden Fahrzeugen, gleichzeitig noch elektrische Energie übertragen und speichern.
Wird die supraleitende Autobahn Realität?
Die supraleitenden Autobahnen könnten also das Problem der fehlenden Nord-Süd-Stromtrassen lösen. Dabei würde der Strom einfach unter den Fahrbahnen fließen, die sowieso da sind. Ist das Konzept der Forschenden also die doppelte Lösung für unser Energie- und das Verkehrsproblem?
Neue Autobahnen werden in Deutschland jedes Jahr gebaut. Das schon vorhandene Streckennetz bedarf einer ständigen Kontrolle, Wartung und schrittweisen Erneuerung. Hier ließe sich der Umbau integrieren.
Womöglich ist die Zeit der Supraleiter im Verkehrsbereich jetzt tatsächlich gekommen, eine wirkliche Prognose lässt sich aber nicht wagen. Fakt ist, dass die Forschenden ihr Konzept zunächst anhand eines maßstabsgetreuen Modells im Labor demonstrieren konnten. Damit haben sie bewiesen, dass die verschiedenen Anwendungen koexistieren können und die Technologie grundsätzlich funktioniert.
Das Team plant jetzt den nächsten Schritt: Sie wollen ihr Konzept mithilfe einer kompletten supraleitenden Autobahn-Strecke demonstrieren. Mit ausreichend finanzieller Unterstützung sei es kein Problem, die zu bauen, meint Physik-Professor Ren. "Wir könnten ein funktionierendes System über eine relativ kurze Distanz, wie von Houston nach Austin, aufbauen", erklärt er.
Die Menschen können jederzeit auf die supraleitende Autobahn fahren, ohne auf einen Zug oder ein Flugzeug warten zu müssen.
Für die supraleitende Autobahn wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihr System einfach unter die bestehenden Autobahnen bauen, um die aktuelle Infrastruktur zu nutzen. Bei so eng verzweigten Autobahn-Netzen wie dem in Deutschland, könnten so die meisten Landesteile erreicht werden, ohne komplett neue Flächen versiegeln zu müssen. "Durch die Änderung der bestehenden Autobahnen müssen keine Grundstücke für die Gleise erworben werden", betont Forscher Ren. In Deutschland würden derzeit hauptsächlich Stromtrassen in Nord-Süd-Richtung gebraucht, erklärt Erstautor Oleksii Vakaliuk. "Schon hier würde der Einsatz supraleitender Kabel die Übertragungsverluste deutlich verringern. Eine Kombination mit Autobahnen wie A7 und/oder der im Bau befindliche A14 Nordtrasse bietet sich an."
Link zur Studie
Vakaliuk, Oleksii et. al.: A multifunctional highway system incorporating superconductor levitated vehicles and liquefied hydrogen. In: APL Energy. 24. April 2023. https://dx.doi.org/10.1063/5.0139834.
(kie)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 18. April 2023 | 12:10 Uhr
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