Start einer Rakete
Start des Starliner von Boeing. Bildrechte: IMAGO/ZUMA Press Wire

Boeing & ISS Starliner gestrandet: Warum alles (noch) halb so schlimm ist

02. Juli 2024, 17:34 Uhr

Ursprünglich sollte das Starliner-Raumschiff von Boeing nur eine Woche an der ISS verweilen. Doch bereits auf dem Hinflug kam es zu Problemen und das Andockmanöver verlief ebenfalls nicht reibungslos. Gestrandet sind die beiden Nasa-Astronauten jedoch nicht.

Um Astronauten zur Internationalen Raumstation ISS zu bringen, braucht es Raumkapseln. Bisher war dies nur mit den russischen Sojus-Kapseln oder den Dragon-Raumkapseln von SpaceX möglich. Das Raum- und Luftfahrtunternehmen Boeing ändert dies mit seinem Starliner-Raumschiff.

Nach vielen Verschiebungen war die Starliner-Raumkapsel am 5. Juni 2024 mit Besatzung zur ISS gestartet. Seitdem geht das Gerücht herum, dass Barry Wilmore und Sunita Williams – beides Astronauten der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa – auf der Raumstation gestrandet sind. Das ist falsch. Der Aufenthalt der beiden Raumfahrenden verlängert sich allerdings. Und ob er für Boeing gut ausgeht, steht nicht fest. Der Rückflug ist derzeit für den 6. Juli 2024 angepeilt.

NASA Astronauten Butch Wilmore und Suni Williams
NASA Astronauten Butch Wilmore und Sunita Williams Bildrechte: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | John Raoux

Leck am Raumanzug: Weltraumspaziergang verschoben

Ursprünglich sollte der Starliner nur acht Tage an der ISS andocken und am 14. Juni wieder zurück zur Erde fliegen. Wegen eines für den 13. Juni geplanten Weltraumspaziergangs wurde der Rückflug vorsorglich auf den 18. Juni verschoben – jedoch wurde der Spacewalk kurzfristig abgesagt, da es unbekannte Probleme mit einem der Raumanzüge gab. 

Am 24. Juni wurde der Weltraumspaziergang nachgeholt, musste aber nach 31 Minuten abgebrochen werden. Es gab ein Kühlmittelleck am Raumanzug von Astronautin Tracy Caldwell Dyson. Ursprünglich sollte der EVA-Einsatz (Außenbordeinsatz) 6,5 Stunden andauern. Laut der ISS-Besatzung befand sich "buchstäblich überall Wasser" in der Luke und ein "Schneesturm" von Eisflocken war direkt vor der Luke zu sehen. Die Situation war nach wenigen Augenblicken wieder im Griff und die Besatzung war zu keiner Zeit in Gefahr, hieß es seitens der Nasa.

Es ist nicht das erste Kühlmittelleck bei den veralteten Raumanzügen. Im März 2022 mussten die EVA-Einsätze für sieben Monate pausieren, nachdem Wasser in einem Helm eines Raumanzugs gefunden worden war. Der nächste Einsatz war ursprünglich für den 2. Juli vorgesehen, wurde aber auf den 28. Juli verschoben.

Unerwartete Herausforderungen auf dem Hinflug

Auch beim Starliner kam es beim Hinflug zur Raumstation zu einigen Komplikationen. Fünf der 28 Manövriertriebwerke (die meisten von ihnen sind Backup-Triebwerke) wurden vom Bordcomputer automatisch deaktiviert, weil deren Messwerte außerhalb der zulässigen Grenzen lagen. Dies führte zu einer Verzögerung des Andockmanövers. Vier der abgeschalteten Triebwerke konnten jedoch kurzfristig wieder aktiviert werden. Der genaue Grund für die autonome Abschaltung wird noch untersucht.

Außerdem wurden fünf Heliumlecks identifiziert und das langsam laufende Treibstoffventil deutet auf ein nicht behobenes Problem aus der Vergangenheit hin. Boeing leidet damit nicht nur im Luftfahrtsektor unter einer anhaltenden Pannenserie.

Verzögertes Andockmanöver

Das Andockmanöver erfolgte schließlich mit 80-minütiger Verspätung am 6. Juni. Zuvor gab es Probleme mit den Triebwerken, doch mit dem zweiten Andockmanöver waren der Starliner und die ISS verbunden. Williams und Wilmore konnten von der Besatzung der ISS-Expedition 71 begrüßt werden. 

US-Astronauten schweben auf ISS ein
"Starliner"-Raumschiff angedockt: US-Astronautin und Astronaut schweben auf ISS ein Bildrechte: EBU

Für die Nasa und Boeing bestand die Aufgabe nun darin, herauszufinden und zu verstehen, wie es zu den technischen Problemen kommen konnte. Deswegen wurde der Rückflug prophylaktisch auf den 22. Juni verschoben. Im angedockten Modus wurde das Antriebssystem des Raumfahrzeugs untersucht. Aber kurz vor dem bereits verspäteten Rückflug wurde der Termin erneut verschoben.

Williams und Wilmore unterstützen die Besatzung währenddessen bei der alltäglichen Arbeit (zu der Aufräum- und Klempnerarbeiten gehören) und führen Experimente durch, zu denen sie sonst nicht gekommen wären.

Vorerst ist der verlängerte Aufenthalt kein Problem. Denn der Starliner kann bis zu 45 Tage an der ISS angedockt bleiben, erklärt Steve Stich (Leiter der kommerziellen Crew der Nasa) gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Die Raumkapsel könnte somit ohne Weiteres bis zum 20./21. Juli an der ISS angedockt bleiben. Selbst wenn es zu weiteren Problemen kommen sollte, könnte der Starliner bis zu 72 Tage (bis Mitte August) angedockt bleiben. Das Missionsteam würde sich dann auf verschiedene Backup-Systeme verlassen.

Starliner wird auf seine Fähigkeiten zur Langzeitmission getestet

Derzeit untersucht das Nasa-Boeing-Team, wie sie den Starliner zukünftig für sechs Monate an der ISS angedockt lassen können, erklärt Stich. "Die Besatzung wird zusätzliche Lukenoperationen durchführen, um die Handhabung besser zu verstehen, einige Sicherheits-Tests wiederholen und das Steuern mithilfe des vorderen Fensters beurteilen."

Der Starliner soll zukünftig als sicheres Notquartier dienen, falls es auf der Raumstation zu unerwarteten Problemen kommen sollte – etwa einem Leck durch den Einschlag von Weltraumschrott. Im Zuge der Tests werden sieben der acht Triebwerke des Raumschiffs im angedockten Zustand zweimal mit einer Gesamtdauer von etwa einer Sekunde gezündet.

Das jetzige Hauptproblem liegt am Verbrauchsantriebssystem des Starliners. Dieses gehört zum Servicemodul des Raumschiffs, welches benötigt wird, um die Kapsel von der ISS wegzubewegen. Anschließend soll sie in eine Position gebracht werden, in der sie in die Erdatmosphäre eintauchen kann. Sobald das Raumschiff die Atmosphäre berührt, entsteht eine große Hitze. Das Schiff muss dabei im flachen Winkel in die Atmosphäre eindringen, ansonsten kann selbst der Hitzeschild die Astronauten nicht davor schützen, im Inneren des Starliners gekocht zu werden.

Selbst wenn der voraussichtliche Rückflug am 6. Juli erneut verschoben wird, hat Boeing noch über einen Monat Zeit, um die Astronauten sicher zur Erde zu bringen. Falls die Probleme am Starliner in dem angepeilten Zeitraum nicht behebbar sind, gibt es für Williams und Wilmore eine alternative Mitfahrgelegenheit. SpaceX könnte eine seiner Dragon-Raumkapseln zur ISS schicken, um die beiden einzusammeln und zur Erde zu bringen – auch wenn das das Worst-Case-Szenario für Boeing wäre.

Links/Studien

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 27. Juni 2024 | 21:38 Uhr

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