Klimaforschung Aprilwetter verrät, ob ein Hitzesommer droht

07. Dezember 2020, 16:25 Uhr

Im Dezember, wenn die Sonne kaum wärmt, denken wir fast gern zurück an die Hitzewellen der letzten Jahre, die uns da allerdings oft überrascht haben. Dabei hätten wir es wissen können, sagt neueste Forschung – wir haben nur die falschen Parameter angeschaut.

Elbe April Niedrigwasser
Das Niedrigwasser im April in der Elbe hat uns eigentlich verraten, wie der Sommer wird: heiß und trocken. Bildrechte: UFZ

Wenn die fahle Dezembersonne unser Gute-Laune-Barometer kaum mehr steigen lässt, erinnern wir uns gern an die heißen Tage der vergangenen Sommer. Und auch daran, dass wir angesichts der regelrechten Hitzewellen immer irgendwie überrascht waren: Wieso hat die keiner vorhergesehen, warum schauten wir am Ende doch so überrascht auf die tagesaktuellen Vorhersagen, und fassungslos auf die Prognosen, fürs Wetter, für die Natur, für die Obst-, Getreide- und Gemüseernte?

Hätten wir uns den April immer genauer anschaut, wären wir schlauer in die Sommer gegangen, sagt ein Forschungsteam des Alfred Wegener Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) und des Umweltforschungszentrums in Leipzig. Die Klimatologin und Expertin für Wettervorhersage Dr. Monica Ionita sagt es ganz deutlich: "Der Einfluss des Frühlings wurde unterschätzt." Für ihre Forschung haben sie und ihr Team die Wetter-Aufzeichnungen der vergangenen 140 Jahre untersucht, ob es Zusammenhänge zwischen den Werten im Frühjahr und denen im Sommer gibt. Dabei arbeiteten sie mit Methoden und Modellen, mit denen sie auch Flusswasserprognosen berechnen.

Der April als Wetter-Glaskugel für den Sommer

Und sie fanden heraus: In den vergangenen 14 Jahren haben sich die Temperatur- und Niederschlagstrends im April grundlegend verändert. Schaut man sich das für 2007 bis 2020 an, fällt erst mal nichts weiter auf. (Sie können sich die Jahrestemperaturen und -niederschläge oben auf unserer Klimakarte bis zum Jahr 1961 anschauen.) Vergleicht man die Temperatur- und Niederschlagstrends aus 1961 bis 2000, sieht man: Der April war früher durchschnittlich drei Grad kühler.

Das gleiche Bild zeigt sich bei den Niederschlägen – seit 2007 hat es in den meisten Regionen Mitteleuropas nur noch halb so viel geregnet. In extremen Jahren wie 2018 war es zum Beispiel im April schon so warm, dass der Schnee aus dem Winter verdunstete, bevor er als Schmelzwasser in den Boden fließen konnte. Zudem hat es seit 2007 in den meisten Regionen Mitteleuropas nur noch halb so viel geregnet wie im Referenzzeitraum, sagt Rohini Kumar, Hydrologin am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Mitautorin der Studie.

So kam es schon im Frühjahr in den Böden Mitteleuropas, vor allem in Deutschland, zu einem deutlichen Feuchtigkeitsmangel. Dieses Defizit konnte im Sommer in der Regel nicht mehr ausgeglichen werden. Mit anderen Worten: Die sommerliche Trockenheit in den Böden war bereits im April vorprogrammiert.

Rohini Kumar, UFZ Leipzig

Nur - wie kam es überhaupt zu diesen warmen und trockenen Tagen im April?

Unsere Analyse zeigt, dass sich in diesem Zeitraum ein blockierendes Hochdrucksystem über der Nordsee und Teilen Norddeutschlands bildet. Das lenkt den Jetstream Richtung Norden ab und sorgte bis zu zwei Wochen lang für sonniges, Niederschlagarmes Wetter in Mitteleuropa.

Dr. Monica Ionita, AWI
Kahle Baumgruppe in einem Wald
Auch so manchem Wald sind Folgen von extremer Hitze und Trockenheit im Sommer anzusehen. Bildrechte: UFZ

So sind den Forscherinnen zufolge die Folgen dieser Frühjahrstrockenheit maßgeblich auf steigende Lufttemperaturen zurückzuführen. Aber warum war das dann früher nicht auch schon so, warum gab es danach keine Dürren wie heute? Die Aufzeichnungen zeigen: Von 1881 bis 1895 war der April auch sehr niederschlagsarm. Aber nicht so warm wie jetzt, sagen die Forscherinnen, dadurch verdunstete damals auch weniger Feuchtigkeit aus dem Boden und der Sommer startete also nicht schon mit einem Wasserdefizit in die heißen Tage.

Bleibt der April jetzt also der Dürre-Treiber?

Das Forschungsteam sagt: Halten wir das Klimaziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad bis zum Jahr 2100 zu begrenzen, würde sich dieses Hochdruckgebiet im April nicht zwingend bilden. Steigen die Temperaturen aber über dieses Ziel hinaus, stellen warme und trockene April-Monate weiter die Weichen für flächendeckenden Wassermangel und ausgedörrte Böden im Sommer.

Hätten wir also den April schon früher anders betrachtet, hätten wir seit Jahren wissen können, was uns im Sommer erwartet. Aber was bringt so eine Prognose von Ende April? Im Alltag bedeutet das bloß, dass der eine oder andere schon durch den Badesee geschwommen ist, wir statt Winterjacken in Sommershirts rumlaufen. Zum Urlaubumbuchen ist es dann meist auch schon zu spät – aber langfristig könnten wir unsere Sommerpläne anders stricken: Warum im Süden schwitzen, wenn man sich auch im Ostseesand die Füße verbrennen kann.

Und die Landwirtschaft, die Gärtnereien, die Förstereien, die Kleingärtner? Binnen weniger Monate kann zwar kein Bauer seine Anbaustrategie umstellen, oder Gärtner auf Sukkulenten umsteigen. Aber immerhin – Forschung, Land- und Forstwirtschaft tüfteln längst daran, um herauszufinden, welche Getreidearten, Futterpflanzen und Bäume auch in trockenen, heißen Sommern gedeihen. Und fernab der Wissenschaft testen Kleingartenmenschen inzwischen auch, ob Feigenbäume im Garten gedeihen – oder Melonen.

Vertrocknetes Sonnenblumenfeld
Sonnenblumen - selbst sie können in extremen Hitzesommern verdorren. Bildrechte: UFZ

(lfw)

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