Hirnforschung Anders als gedacht: Gehirn verarbeitet Seheindrücke auch rückwärts
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12. April 2023, 10:27 Uhr
Die Verarbeitung von visuellen Eindrücken im Gehirn ist sehr komplex, etwa wenn wir Personen, die wir kennen, schon von Weitem zwischen einer größeren Menge von anderen Menschen erkennen. Experten vom Magdeburger Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) und der Otto-von-Guericke-Universität sowie von der York University in Toronto haben nun gezeigt, dass diese visuelle Verarbeitung auch anders funktionieren kann als bisher immer gedacht: nämlich rückwärts.
Die Forschenden verwendeten dafür verschiedene Versionen einer visuellen Suchaufgabe, die es ihnen ermöglichten, den Grad der für die Zielidentifikation erforderlichen Aufmerksamkeitsverlagerung zu kontrollieren. Dazu wurden die Gehirnströme über die räumlich sehr hochauflösende Magnetoenzephalographie (MEG) erfasst. Dabei zeigte sich, dass die Verarbeitung von Seheindrücken nicht nur von tieferen hin zu höheren Strukturebenen des visuellen Kortex (auch bekannt als Großhirnrinde) erfolgt, wie bisher angenommen (bottom-up-Verarbeitung) – sondern auch top-down, also von höheren zu tieferen Strukturebenen des visuellen Kortex.
"Diese Arbeit löst nicht nur ein jahrzehntealtes Rätsel, sondern zeigt auch zum ersten Mal, dass der visuelle Kortex – und damit potenziell jeder sensorische Hirnbereich – eine weitaus komplexere Rolle bei intelligentem Verhalten spielt, als bisher anerkannt war", erläutern die Studienautoren. Der visuelle Kortex sei offenbar keine strikt aufsteigende Verarbeitungsstrecke, sondern führe auch absteigende Berechnungen durch, die die visuellen Selektionen verbessern können, so die Forschenden.
Link zur Studie: A cortical zoom-in operation underlies covert shifts of visual spatial attention