Mann in Arbeitsschutzkleidung beim Sprühen von Herbiziden auf Ambrosia.
Ein Mann in Schutzkleidung sprüht Herbizide auf einige Ambrosia-Pflanzen. Bildrechte: PantherMedia / Mihajlo Maricic

Ambrosia und Co. "Mitteldeutschland ist einer der Hotspots für invasive Arten"

02. März 2023, 05:00 Uhr

Riesenbärenklau, japanischer Staudenknöterich und Ambrosia haben sich in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland verbreitet, obwohl sie ursprünglich nicht von hier kommen. Die Freude über diesen botanischen Zuwachs ist allerdings mitunter verhalten. Eine aktuelle Studie prognostiziert, wie sich invasive Arten ausbreiten könnten und kommt zu dem Schluss: Gerade Mitteldeutschland könnte zum Hotspot werden.

Ambrosia artemisiifolia gilt als hochallergene Pflanze, deren Pollen schon in kleinsten Mengen heftige allergische Reaktionen auslösen können – darunter Heuschnupfen, Bindehautreizungen und allergisches Asthma. Das Umweltbundesamt empfiehlt deshalb, Ambrosia-Bestände zu melden oder sogar gleich selbst zu zerstören (Wichtig: dabei Handschuhe und Maske tragen!).

Der Klimawandel beeinflusst die Verbreitung invasiver Arten

Die Ambrosia komplett aus Deutschland zu verdrängen, wird aber kaum möglich sein. Fabian Sittaro hat mit seinem Team in Leipzig in einer aktuellen Studie untersucht, wie sich invasive Pflanzenarten in Deutschland ausbreiten. Er kommt zu dem Schluss: Viele Arten könnten sich in den kommenden Jahrzehnten noch wesentlich stärker verbreiten, als es bislang der Fall ist – und das hängt untrennbar mit dem Klimawandel zusammen. Sittaro untersuchte die Entwicklung der Flora für mehrere Szenarien mit einer unterschiedlich starken Kohlenstoffdioxid-Belastung. Diese lassen sich in etwa mit den globalen Veränderungen bei einer Erderwärmung um 2, 2,5 und 4,6 Grad Celsius vergleichen. "Je mehr Kohlenstoff in der Atmosphäre ist, desto mehr profitiert die Mehrzahl der invasiven Pflanzenarten", resümiert der Geograph.

Ein junger Mann guckt in die Kamera, im Hintergrund Bäume.
Fabian Sittaro hat in seiner Doktorarbeit an der Universität Leipzig untersucht, wie sich invasive Arten in Deutschland weiter verbreiten könnten. Bildrechte: Fabian Sittaro

Prof. Dr. Michael Vohland, der die Studie an der Fakultät für Physik und Geowissenschaften der Universität Leipzig betreut hat, betont: "Den invasiven Pflanzenarten wird ein größerer, potenziell geeigneter Lebensraum zur Verfügung stehen, denn viele von ihnen kommen aus Regionen mit trockenen und warmen Klimabedingungen." Selbst unter den aktuellen Klimabedingungen haben die meisten der untersuchten Arten ihren potenziellen Lebensraum noch nicht erreicht.

Mitteldeutschland ist besonders stark betroffen

Was man dabei aber auch im Hinterkopf behalten sollte: Nicht allen invasiven Arten nutzt der Klimawandel. Fabian Sittaro schätzt, dass circa ein Drittel der invasiven Arten eben nicht vom Klimawandel profitiert und mitunter sogar in ihrer Verbreitung ausgebremst wird. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit profitiert allerdings – und das verändert diverse Ökosysteme. Beispielsweise in Nordsachsen und Brandenburg: Dass es hier künftig wärmer und trockener werde, bleibe vermutlich nicht ohne Folgen, prognostiziert Sittaro: "Mitteldeutschland ist einer der Hotspots für invasive Arten in Deutschland". Ursächlich dafür verantwortlich seien die klimatischen Veränderungen, also hauptsächlich Wärme und Trockenheit – darüber hinaus betreffe die Invasion neuer Arten hauptsächlich Städte sowie die Gebiete entlang des Rheins.

Die Grafik zeigt rote Gebiete in einigen Teilen Deutschlands. Hier könnten sich invasive Arten künfitg noch stärker ausbreiten.
Die Karte zeigt in rot Gebiete, in denen sich invasive Arten in Deutschland künftig noch weiter ausbreiten könnten, weil sie geeignete Bedingungen vorfinden. Mitteldeutschland könnte künftig stark betroffen sein. Bildrechte: Fabian Sittaro, Fakultät für Physik und Geowissenschaften der Universität Leipzig

Götterbaum und Ambrosia sind Allergieauslöser

Zwei Baumarten, die sich in den kommenden Jahrzehnten in Mitteldeutschland noch weiter ausbreiten könnten, sind laut Fabian Sittaros Berechnungen der Eschen-Ahorn und der Götterbaum. Letzterer ist besonders trockenresistent und kommt deshalb gut mit den Klima-Veränderungen zurecht. Allerdings gelte der Götterbaum auch – wie viele andere invasive Arten – als Allergieauslöser, betont Sittaro. Auch die bereits erwähnte, hochallergene Ambrosia wird sich in Mitteldeutschland weiter ausbreiten, so die Prognose. "Leute, die mit Gräser- und Pollenallergien zu tun haben und die Ambrosia werden wahrscheinlich keine Freunde", sagt der Geograph.

So schlecht wie ihr Ruf sind dabei aber längst nicht alle invasiven Pflanzenarten. Ganz viele dieser Pflanzen dürfe man nicht als rein negativ betrachten, betont Fabian Sittaro. Oftmals gäbe es auch positive Folgen: "Zum Beispiel das Drüsige Springkraut: Das verdrängt auch Arten, aber anderseits blüht es auch noch sehr spät im Jahr – darüber freuen sich viele Imker."

Der Topinambur zerstört ganze Dämme

Eine Pflanze, die in Mittel- und Südwestdeutschland mitunter für große wirtschaftliche Schäden sorgt, kommt erst einmal ganz harmlos daher: Der Topinambur kommt ursprünglich aus Nordamerika und ist eigentlich ein beliebtes Nahrungsmittel. In Deutschland siedle er sich gerne an Flussbegradigungen und auf Dämmen zum Hochwasserschutz an und verdrängt dort andere Pflanzen, sagt Fabian Sittaro. Die oberirdischen Teile der Knolle sterben dann allerdings im Winter ab – damit sei der gewünschte Erosionsschutz nicht mehr gegeben. Außerdem locken die essbaren Knollen des Topinambur Nagetiere an, die dann den gesamten Damm durchwühlen und ihn weiter destabilisieren. "Jeder Wasserbauingenieur wird sich die Haare raufen", beschreibt Sittaro den wirtschaftlichen Schaden. Er empfiehlt deshalb: Den wild gewachsenen Topinambur gerne ausgraben, mit nach Hause nehmen, kochen und aufessen. So richte die Knolle in der Natur weniger Schäden an.

Damit sich fremde Arten in Deutschland nicht unkontrolliert verbreiten, empfiehlt Fabian Sittaro, sie gezielt zu monitoren, also zu verfolgen, wo welche invasive Art sich ausbreitet. Dann könne man unter Umständen durch gezielte Maßnahmen einschreiten – beispielsweise wenn eine invasive Art ein wertvolles Ökosystem bedroht. Dann könne man die Pflanzen gegebenenfalls auch abmähen, verbrennen oder sogar mit Herbiziden behandeln. Die Ergebnisse der aktuellen Studie an der Universität Leipzig sollen künftig in einem Web-Tool aufgearbeitet werden, mit dem jeder und jede vor der eigenen Haustür nach Verbreitungsgebieten für invasive Arten suchen kann.

Links/Studien

Die Studie zum Nachlesen gibt es hier: Which factors determine the invasion of plant species? Machine learning based habitat modelling integrating environmental factors and climate scenarios

iz

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