Tod durch Bienenstiche Was macht Bienen aggressiv?

19. Mai 2023, 08:57 Uhr

Eine tote Spaziergängerin kann nicht geborgen werden, weil Bienen auch die Rettungskräfte angreifen: Warum haben die Bienen so aggressiv reagiert? Und wann sind Bienen eigentlich aggressiv?

Warum sticht die Biene eigentlich?

"Die Biene sticht nie, es sei denn sie wird angegriffen", sagt Professor Dr. Robert Paxton, der seit 2010 an der Martin-Luther Universität Halle/Wittenberg zu Bienen forscht. Aggressiv werden Bienen nur, wenn sie ihr Volk in Gefahr sehen. Fühlen sie sich bedroht oder ihren Standort, schalten sie auf Alarm und stoßen einen Geruchsstoff aus, ein Notsignal, das andere Bienen in der Nähe riechen, beschreibt Paxton das Verhalten der Bienen. "Das ist das Pheromon Isopentylacetat. Das riecht ein bisschen wie Bananen. Das lockt wiederum andere Bienen an, die dann auch auf Alarm schalten und ebenfalls stechen," erklärt der Bienenspezialist.

Was passiert, wenn man von einer Biene gestochen wird?

Die Biene injiziert ihren Stachel und ihren Giftsack in den Körper des (vermeintlichen) Feindes. Der pumpt weiter Gift in den Körper, auch wenn die Biene schon davongeflogen ist. Sie vertrocknet binnen 24 Stunden, denn sie hat sich einen Großteil ihres Hinterleibs bei dem Verteidigungsmanöver herausgerissen. Das Gift wirkt nur auf Wirbeltiere, der Verteidigungsstoff ist evolutionär im Laufe von ein bis zwei Millionen Jahren exakt auf drei potentielle Feinde abgestimmt: Bären, Dachse und Menschen.

abgerissener Stachel einer Biene in der Brust eines Mannes
So viel Hinterleib verliert die Biene beim Stich. Bildrechte: imago/blickwinkel

Sind Bienen immer aggressiv, oder hängt das von deren Tagesform ab?

Tatsächlich haben auch Bienen gute Tage und schlechte Tage. Ob Bienen in einer Beute auf Krawall gebürstet sind, hängt tatsächlich auch vom Wetter ab. Denn das sorgt schließlich dafür, ob die Bienen hungrig sind oder nicht. "Mangel an Nektar beispielsweise stimmt Bienen eher aggressiv, genau wie ein Tiefdruckgebiet", erläutert Bienenforscher Paxton. Schönes Wetter dagegen stimme die Bienen milder. Honigbienen in Deutschland und in Italien seien aber generell sanfter als zum Beispiel in Frankreich oder England, sagt der Forscher.

Waren die Bienen in Hohenmölsen besonders aggressiv?

Ein Bienenschwarm.
Werden Bienenvölker aufgestört, geben Sie Notsignale ab Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Bezogen auf die Bienen in Hohenmölsen, nach deren Stichen offenbar eine Spaziergängerin gestorben war, sagt Professor Paxton: Möglicherweise sei das Bienenvolk schon früher am Tag aufgeschreckt und gestört worden, zum Beispiel durch eine Mähmaschine. Es könne auch sein, dass der Verlust der Bienenkönigin das Volk aufgestört habe. Auch der Geruch von Haarspray, Parfum oder Aftershave könne Bienen in Alarmzustand versetzen: Sie verwechseln Stoffe dieser Produkte mit dem Bienen-eigenen Alarm-Pheromon und schalten dann auf Verteidigungs-Modus. Vielleicht eine Erklärung dafür, warum der Schwarm auch auf die Rettungskräfte so allergisch reagierte.

Warum Bienen kein Aftershave mögen

"Bei uns im Institut gilt deshalb: kein Aftershave, kein Haarspray, kein Parfum. Wir treten den Bienen sauber und geruchlos gegenüber," erklärt Paxton und setzt nach: "Es gilt: Niemals allein mit Bienen arbeiten. So ist immer eine zweite Person in der Nähe, die bei einem Stich reagieren könnte, falls jemand allergisch reagiert." Aber weiß man das denn nicht sowieso bei Mitarbeitenden in der Bienenforschung? "Das Immunsystem ändert sich mit dem Alter, Reaktionen auf Bienenstiche können sich abmildern, oder aber auch verstärken", erklärt der Forscher.

In der Bienenforschung wird also mindestens zu zweit gearbeitet. Was ist denn mit den Imkerinnen und Imkern? "Imkern ist Privatsache. Aber beim Arbeiten mit Bienen riskiert man nun mal Bienenstiche, man kennt das Risiko."

Was tun, wenn man ein Bienenvolk aufgestört hat?

"Da hilft nur wegrennen", sagt der Wissenschaftler, "am besten durch ein Gebüsch, oder durch Sträucher." Dann können die Bienen das Angriffsobjekt nicht mehr sehen. Auch ein Sprung in ein Gewässer könne helfen.

Was passiert nach einem Bienenstich im Körper?

Das Immunsystem reagiert. Bei Menschen ohne Allergie schwillt die Hautstelle an, sie kann schmerzen, sich röten und sich heiß anfühlen. Die Symptome können mehrere Tage anhalten, klingen dann aber ab. "Bei Menschen, die auf Bienenstiche allergisch reagieren, sinkt der Blutdruck dramatisch, der Herzschlag kollabiert. Sie brauchen Adrenalin." Wenn man weiß, dass der Körper auf Bienengift reagiert, sollte man deshalb ein Notfallset mit sich führen, raten verschiedene Krankenkassen. Ein Notfallset enthält eine kortisonhaltige Tablette oder einen kortisonhaltigen Saft, eine Antihistamin-Tablette und eine Adrenalinspritze. Damit können Allergiker einen Bienenstich zunächst selbst behandeln.

Wie viele Menschen sterben pro Jahr in Deutschland an einem Bienenstich?

Biene setzt zum Stich an
Erste Reaktion auf den Bienenstich: Schwellungen, Rötungen und Juckreiz. Das verschwindet meist binnen 24 Stunden. Bildrechte: imago/Thomas Frey

Pro Jahr sterben in Deutschland laut Statistischem Bundesamt etwa 20 Menschen an den Folgen eines Insektenstiches, meist von Honigbienen, Wespen, Mücken oder Fliegen. "Dass jemand auf Bienenstiche allergisch reagiert, ist aber höchst selten", sagt Professor Paxton. Er rät allen, die zum ersten Mal von einer Biene gestochen werden und starke Reaktionen beobachten, medizinisch abklären zu lassen, ob eine Allergie vorliegt.

Wie viele Bienen-Stiche sind tödlich?

Ab 800 Bienenstiche ist so viel Gift im Körper, dass Nieren und Leber versagen, sagt Robert Paxton. Klingt viel, aber ein Volk kann aus bis zu 40.000 Bienen bestehen.

 Zwei Bienenschwärme haben sich an Saetteln von Leihfahrrädern abgesetzt
Schwärmen Bienen mit einer jungen Königin auf, lassen sie sich bisweilen an kuriosen Orten nieder. Bildrechte: imago images/Frank Sorge

lfw

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 15. Mai 2023 | 07:16 Uhr

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