Raul Krauthausen
Mit seiner Kolumne bei MDR-Selbstbestimmt: Raul Krauthausen Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Kolumne "Die Neue Norm" "Wir müssen die Durchlässigkeit der Systeme verbessern"

10. September 2021, 04:00 Uhr

Raul Krauthausen setzt sich seit vielen Jahren für Inklusion und Barrierefreiheit ein. In seiner Kolumne "Die Neue Norm" fragt er, ob die Probleme der Werkstätten nicht schon viel früher zu suchen sind, nämlich in der Bildung von Menschen mit Behinderung.

Heute möchte ich über den Grundstein unserer Gesellschaft reden: Bildung. Sei es im Elternhaus, in der Schule oder in der Ausbildung. Denn gute Bildung bedeutet auch später im Berufsleben, welchen Karriereweg wir einschlagen.

Wenn wir über Ausbildung oder Bildung von Menschen mit Behinderung sprechen, dann ist ganz schnell die Rede von Förderschulen, Berufsbildungswerken oder Behindertenwerkstätten. Dabei belegen zahlreiche Studien, dass die Karrierechancen von Menschen mit Behinderung dann am besten sind, wenn sie inklusiv, gemeinsam mit nicht-behinderten Menschen gelernt haben.

Zur Person: Raul Krauthausen

Raul Aguayo-Krauthausen wird 1980 in Lima, Peru geboren. In Berlin studiert er an der Universität der Künste Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation sowie Design Thinking in Potsdam. Schon in jungen Jahren verknüpft er seine Kommunikations- und Medienkompetenz mit Projekten für Barrierefreiheit und Teilhabe.

Er arbeitet für den Berliner Radiosender Fritz, für eine Web-TV-Firma und ist ausgebildeter Telefonseelsorger. 2004 gründet Krauthausen gemeinsam mit seinem Cousin den gemeinnützigen Verein "Sozialhelden" - ein Netzwerk ehrenamtlich engagierter Menschen, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen. Durch die Sozialhelden wurde beispielsweise das Internetportal "Leidmedien" ins Leben gerufen, das Journalistinnen und Journalisten für die Berichterstattung über Behinderung sensibilisiert.

2013 wird Raul Krauthausen mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Ein Jahr später veröffentlicht er seine Biographie "Dachdecker wollte ich eh nicht werden – Das Leben aus der Rollstuhlperspektive". 2018 erhält er für seine vielfältigen Digitalprojekte den Grimme Online Award Spezial. Krauthausen hat Osteogenesis imperfecta (umgangssprachlich "Glasknochen"), ist kleinwüchsig, auf einen Rollstuhl angewiesen und lebt in Berlin.

Als ich drei Jahre alt war, haben meine Eltern mich auf einen inklusiven Kindergarten geschickt. Das war in den 80er-Jahren. Dann war ich auf inklusiven Schulen.

In meiner Schulzeit habe ich unter anderem gelernt, dass ich mich natürlich auch anstrengen muss, wenn ich mithalten will. Dass ich in Mathe nicht der Beste bin. Dass ich aber auch gleichzeitig mit meiner Behinderung nicht der Schlechteste bin. Dass ich für meine Leistungen bewertet werden kann, unabhängig von meiner Behinderung. Dass es aber auch gleichzeitig Momente gibt, wo mein Körper Grenzen hat.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Kinder mit Behinderung an einer Regelschule bessere Schulabschlüsse und bessere Noten schreiben, als wenn sie an einer Förderschule unterrichtet worden wären. Sie haben dadurch einen leichteren Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt und sie sind wesentlich selbständiger, weil sie es gelernt haben, mit größeren Herausforderungen im Alltag umzugehen.

Leider ist es bisher so, dass Kinder, die auf Förderschulen unterrichtet werden, mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Behindertenwerkstätten landen. Dieser Automatismus muss durchbrochen werden. Wir müssen die Durchlässigkeit der Systeme verbessern. Und mittelfristig Förderschulen und Behindertenwerkstätten abschaffen.

Pro und Contra Werkstätten im "Selbstbestimmt"-Magazin Oktober 2021

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Selbstbestimmt - Das Magazin | 10. Oktober 2021 | 08:00 Uhr