Nachgefragt "Werkstätten sind Teil der Lösung"
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16. November 2023, 12:47 Uhr
Imke Klocke ist Geschäftsführerin der Werkstätten der Vereinigung für Jugendhilfe (VfJ Werkstätten GmbH) in Berlin. Sie findet, dass die Diskussion um den Fortbestand der Werkstätten große Verunsicherung und Ängste bei den Angestellten schafft. Doch auch sie weiß, dass sich Werkstätten verändern müssen. Martin Fromme hat sie zum Gespräch getroffen.
Martin Fromme, MDR Selbstbestimmt: Aktivisten fordern die Schließung der Werkstätten, was macht das mit Ihnen persönlich und was macht das mit den Mitarbeitern?
Imke Klocke, Geschäftsführerin der Werkstätten der Vereinigung für Jugendhilfe: Ich finde, wir sollten wirklich darauf schauen, was das mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen macht. Es löst große Verunsicherungen und Ängste aus. Sie fragen: "Was sollen wir tun, wenn wir nicht mehr in die Werkstätten gehen können? Auf dem ersten allgemeinen Arbeitsmarkt schaffen wir es nicht, dort sind wir nicht erwünscht." Das sind die Fragen, mit denen wir uns beschäftigen, und mit denen wir uns auch verbandlich und politisch auseinandersetzen.
Wir haben einen Erfahrungsbericht bekommen, und zwar lese ich den mal anonym vor.
Neulich beschwerte ich mich bei der Werkstattleitung über die fehlende Unterstützung bei der Wiedereingliederung in den 'ersten Arbeitsmarkt'. Mein Vorwurf war, dass die Werkstatt daran gar nicht interessiert sei. Schließlich sind die Arbeitskräfte, die sie verlieren würden, die leistungsstarken. Die Antwort war, dass die Werkstätten nicht viel machen können. Es hake halt am System. Man müsse wirtschaftlich arbeiten.
Warum soll eine Werkstatt die produktivsten Mitarbeiter abgeben und in den ersten Arbeitsmarkt bringen?
Ich kenne diese Fragestellung. Sie entspricht aber nicht unseren Erfahrungen. Diejenigen, die Leistungsträger sind in den Werkstätten, sind diejenigen, die sich qualifiziert haben in den Werkstätten. Die über viele Jahre sich in ihrem Gewerk eine große Berufserfahrung erarbeitet haben. Nach unserer Erfahrung sind das nicht diejenigen, die sagen, wir möchten es auf dem ersten Arbeitsmarkt probieren. Weil sie genau wissen, dass sie dort eben nicht mehr diesen Status haben.
Aber die Forderungen der Aktivisten sind ja eigentlich eine logische Konsequenz: Wir wollen Inklusion haben, aber eine Werkstatt ist so ein abgeschlossener Bereich, ist eine Parallelwelt.
Imke Klocke: Also Parallelwelt, da kann ich nicht ganz mitgehen. Ich bin überzeugt davon, dass Werkstätten zurzeit – da wo die Gesellschaft momentan steht, was Inklusion angeht – Teil der Lösung sind und nicht ein Problem. Dass Werkstätten sich weiter entwickeln müssen, und das übrigens auch schon lange machen, davon sind wir überzeugt, dass wollen wir auch.
Was wäre da Ihr Vorschlag, was müsste passieren? Muss die Werkstatt direkt rein in die Betriebe?
Imke Klocke: Das ist eine sehr schöne Idee, die wir auch zurzeit verbandlich diskutieren. Die Werkstattleistung ist ja eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auch mit Steuergeldern finanziert wird. Diese Werkstattleistung in Unternehmen zu geben, mit den ganzen Unterstützungsangeboten, die ein Mensch mit Beeinträchtigung am Arbeitsplatz braucht, könnte ein guter Erfolg sein.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Selbstbestimmt | 10. Oktober 2021 | 08:00 Uhr