Verkündigungssendung Das Wort zum Tag bei MDR SACHSEN | 09. - 15.09.2024
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Täglich hören Sie das Wort zum Tag. Montags bis freitags gegen 5:45 Uhr und 8:50 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche Holger Treutmann, am Sonntag Stephan Ringeis.
Sonnabend, 14.09.2024: Schneckenplage
Ist es nur in diesem Jahr so schlimm, oder war es in anderen auch so? Ich sage nur: Schnecken.
Vielleicht ist es die Wärme mit ausreichend Feuchtigkeit durch Regenschauer und Gewitter, die den kriechenden Lebewesen so guttut. Vielleicht bin ich aufmerksamer oder dünnhäutiger als sonst. Jedenfalls kommt meine Liebe zu Tier und Natur dann doch an Grenzen, wenn sich am Morgen nach dem Rasenmähen unzählige nackte Schnecken über die Wiese bewegen. Im Herbst mag das auszuhalten sein; wenn aber im Frühjahr junge Kohlrabi- oder Salatpflanzen überfallen werden, die Erdbeeren immer schon löchrig sind, ganze Sonnenblumen nicht nur angeknabbert, sondern am dicken Stiel gefällt werden, hört der Spaß auf. Mordgelüste steigen auf, wenn jedes Schneckenkorn versagt und absammeln - wohin eigentlich? - eine Sisyphusarbeit ist, einem Fluch gleich. Und ansässige Igel, Enten und Gänse verschmähen sie offensichtlich auch als Futter.
Landläufig gelten die Schnecken als Vorbild, wenn es um die Entdeckung der Langsamkeit geht, andererseits wirken sie träge und schleimen, was ihrem Ruf schadet, wenn man allzu menschliche Vergleiche zieht.
In der Bibel kommen Schnecken selten vor. Bestimmte Schneckensorten wurden als Lieferanten für Purpur als Kostbarkeit entdeckt. Winzige Teile des Tieres sorgten für den wertvollen Farbstoff. Aber dazu mussten unendlich viele ihr Leben lassen.
In einem Bericht über den Massentourismus habe ich gelesen, dass viele Städte sich nicht mehr retten können vor Touristen und inzwischen Proteste laut werden. Was einmal als kostbarer Schatz zur Wertschöpfung erkannt wurde, wird inzwischen als Plage empfunden. Der Autor beschreibt dieses Phänomen als einen neuen Kolonialismus, weil die Menschen vor Ort nur bedingt Anteil am Reichtum bekommen, der durch den Tourismus erwirtschaftet wird. Einheimische Kultur wird so sehr überformt wird, dass die Bewohner ihre Lebenswelt nicht mehr wiedererkennen. Sind wir als Menschen den Schnecken ähnlich? Wertvoll manchmal wie Purpurschnecken, wenn wir als Gäste kommen; lästig wie sie, wenn wir wie die Nacktschnecke Lebensräume übervölkern? Die Bibel bemitleidet die Schnecke auch. Ihr Leib scheint sich aufzulösen im Schleim, den sie hinterlässt. Eine dramatische Vision vielleicht auch für einen kulturverachtenden Massentourismus.
Freitag, 13.09.2024: Demokratisierung der Töne
Wie ist das, wenn man mit zwölf Leuten eine Herbstwanderung macht? Da wird es Pärchen geben, die fast immer gemeinsam gehen oder kleine Grüppchen. Da wandern Einzelne lieber allein, binden sich mal an einen anderen oder finden eine kleine Gruppe für gewisse Zeit, ehe neue Konstellationen sich finden.
Das wird bei den zwölf Jüngern Jesu nicht anders gewesen sein. Es gab viele, die ihm nachfolgten, Männer und Frauen. Die Evangelien der Bibel nennen bewusst zwölf Männer, die wohl den engsten Kontakt zu ihm hatten. Von manchen wird ganz oft erzählt; von Petrus zum Beispiel, dem Alphatier der Jüngerschar, andere werden praktisch nur mit Namen erwähnt; und von einigen weiß man ein wenig. Von Judas etwa und seiner tragischen Rolle als Verräter oder von Matthäus, dem ehemaligen Zöllner. Oder die Brüder Johannes und Jakobus. Und ich stelle mir vor, da war das auch so, dass sich auf der Reise mit dem Wanderprediger Grüppchen bildeten, nach und nach aber doch alle miteinander in Kontakt kamen.
Die Zwölf ist biblisch eine wichtige Zahl. Zwölf Jünger, zwölf Stämme Israel. Quasi der Kern einer Glaubensgemeinschaft.
Wenn ich auf mein Klavier gucke, dann finden sich in einer Oktave zwölf Tasten, sieben weiße und fünf schwarze. Zwölf Halbtöne, die den Grundstock für eine Vielfalt von Melodien und Kompositionen bilden. Und da gibt es Töne, die oft zusammenklingen, weil sie eine harmonische Resonanz zueinander haben und andere, die seltener in Kombination vorkommen, weil sie sich reiben.
Heute vor 150 Jahren ist Arnold Schönberg geboren. Er hat die 12-Ton-Technik erfunden. Der Grundgedanke ist, dass alle zwölf Töne in einer Oktave gleichberechtigt sind. Deshalb muss jeder Ton einmal erklingen, bevor er wiederholt werden kann. Das kann nacheinander in einer einstimmigen Melodie geschehen, aber auch miteinander in Akkorden eines Taktes, solange diese Regel eingehalten wird. Schönberg hat die Töne konsequent demokratisiert und damit in der Harmonielehre häufig wiederkehrende Zusammenklänge aufgelöst. Man ahnt, es sind viele Dissonanzen auszuhalten.
Seine musikalische Kunst bildet ab, was auch unser Zusammenleben prägt, wenn alle gleichberechtigt sind. Es geht nicht immer harmonisch zu, aber es entstehen unendlich viele Möglichkeiten der Neukombination. Nicht leicht; aber nur so entwickelt sich Leben weiter; in der Musik, in der Natur und auch im Glauben.