Verkündigungssendung Das Wort zum Tag bei MDR SACHSEN | 12.-17.08.2024

Täglich hören Sie das Wort zum Tag. Montags bis freitags gegen 5:45 Uhr und 8:50 Uhr, am Sonnabend gegen 8:50 Uhr, sonntags 7:45 Uhr. Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche Lüder Laskowski.

Sonnabend, 17.08.2024: Die Tugend Mäßigung

Ich sollte nie mit leerem Magen einkaufen gehen. Unruhig streiche ich dann durch die Regale und freue mich über jede neue Leckerei, die im Einkaufswagen landet. Es ist wie ein Minirausch, in den ich komme. Spätestens an der Kasse, beim Auflegen auf das Band, wachsen die Bedenken. Je mehr ich mit solchem Heißhunger esse, desto schneller knurrt mir wieder der Magen. Soll ich das alles vertilgen? Schon das Wort „vertilgen“ zeigt, dass es nicht mehr um Genuss geht. Selbst wenn ich es schaffe, wird es mehr sein, als nötig. Im schlimmsten Fall werden am Ende Lebensmittel verderben.

Was ich da erlebe ist ein Thema unserer Zeit. Die Menschheit verbraucht mehr, als die Erde zur Verfügung stellen kann. Vor allem diejenigen, die in den wohlhabenden Industrieländern wohnen. Damit dieser Irrsinn aufrechterhalten wird, muss immer produktiver und effektiver gearbeitet werden. Das stresst und macht depressiv. Die verschriebenen Medikamente gegen Burnout und Depression sind in den letzten 25 Jahren um 745 Prozent auf 1,5 Milliarden Tagesdosen jährlich angestiegen.

Lüder Laskowski 3 min
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gesprochen von Lüder Laskowski

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Sa 17.08.2024 08:50Uhr 02:32 min

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In der griechischen Philosophie ist dagegen die Sophrosyne ein hohes Ziel. Im Deutschen ist das mit dem schönen Wort Mäßigung übersetzt. Materiell Maßhalten. Das ist eine Tugend, die uns gut tun würde in unserer Zeit. Es gibt noch eine andere Übersetzung dieses Wortes, die zeigt, dass es dabei nicht einfach nur um Einsparung oder die Unterdrückung eines Triebes geht, sondern um eine besondere Geisteshaltung. Sie lautet Besonnenheit. Mäßigung gelingt, wenn der Mensch sich selbst in eine bewusste Beziehung zu seiner Umwelt setzt, seine eigenen Bedürfnisse mit denen anderer abgleicht. Mäßigung gelingt also, wenn ich den Perspektivwechsel hinkriege und nicht nur mich sehe.

Auch Jesus setzt solch ein bewusstes Verhältnis zur Welt als Voraussetzung für die Mäßigung.  wenn er sagt: "Denn mit dem Maß, das ihr bei anderen anlegt, werdet ihr selbst gemessen werden." (Matthäus 7,2)

Freitag, 16.08.2024: Die Tugend Tapferkeit

"Hinter unserer Arbeit steht nicht Feindschaft und Hass, sondern Liebe." Dieser große Satz stammt vom tschechischen Bürgerrechtler Václav Havel. 1979 spricht er ihn aus, als er wegen "Untergrabung der Staatsmacht" vor Gericht steht. Mit ihm leitet er den Schluss seiner Verteidigungsrede ein. Das Urteil lautet dennoch auf viereinhalb Jahre Haft. Unter anderem für dieses Urteil wird der Präsident des Gerichtssenates kurze Zeit später zum Justizminister ernannt.

Es ist wichtig, sich immer wieder einmal daran zu erinnern, was wirklich ein Unrechtsstaat ist und wie er funktioniert. Zu schnell stilisieren sich heute Einzelne zu Opfern oder ziehen unhaltbare historische Parallelen in die Gegenwart. Eben darum habe ich dieses historische Zitat gewählt.

Hier steht einer und widersteht einem repressiven staatlichen System. Entscheidend ist dabei die Haltung, die sich an ihm zeigt. An Havels Aussage wird deutlich, wofür er einsteht und zugleich auch, wovor sich dieser Staat fürchtet. Beides zusammen wiederum sagt einiges darüber, was aus christlicher Sicht die Tugend "Tapferkeit" meint.

In der Antike wurde die Tapferkeit mit der ungezügelten Leidenschaft in Verbindung gebracht. Es ging dabei um die impulsive Überwindung von Angst. Die Emotionen übertönen die Zweifel und geben den nötigen Mut zum Widerstand. Havel spricht ruhig und klar, obwohl er emotional ist.

Er liebt leidenschaftlich. Seine Tapferkeit zeigt sich nun darin, dass auf seinem ganz sicher erregten Herzen diese Liebe liegt. Damit tut er beinahe zeichenhaft genau das, was er sagt. Nicht Feindschaft und Hass leiten ihn, sondern Liebe. Wer auf solche Weise tapfer ist, der bleibt nicht allein, sondern dem sagt Jesus selbst zu: "Und kein Haar von eurem Haupt soll verloren gehen. Seid standhaft, und ihr werdet euer Leben gewinnen." (Lk 21,18+19)

Václav Havel wird zehn Jahre nach seiner Verurteilung, nach der sogenannten "samtenen Revolution" 1989, in seinem Heimatland Präsident.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Lüder Laskowski

Lüder Laskowski

geboren 1973 in Dresden und dort aufgewachsen I 1992 Abitur I 1992 - 1995 Ausbildung zum Steinmetz/Steinbildhauer bei den Sächsischen Sandsteinwerken Pirna I 1995/96 Zivildienst im Landesjugendpfarramt Sachsen / Behindertenarbeit I 1996 bis 2004 Studium der ev. Theologie in Leipzig und Berlin I 2004 - 2007 Geschäftsführer einer Unternehmensberatung im Kulturbereich in Dresden I 2007 - 2009 Vikariat an der Lutherkirche Radebeul I 2009 - 2019 Pfarrer Kirchgemeinde Großschirma / Freiberger Dom / Studierendenpfarrer Bergakademie Freiberg I seit 2019 Projektpfarrstelle "Kirchliche Arbeit in neuen Stadtquartieren" beim Kirchenbezirk Leipzig

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.